Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: @Alex

Garfield, Friday, 04.04.2003, 13:51 (vor 7713 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: @Alex von susu am 03. April 2003 19:16:57:

Hallo Susu!

"Da verweise ich wieder auf andere Naturvölker, bei denen "Mann" und "Frau" durch einen Test unterschieden werden. Bis zum soundsovielten Lebensjahr (wenn ich mich recht erinnere 14) werden alle Kinder gleich erzogen, lernen sowohl Jagdttechniken als auch die traditionlelle Stickerei. Dann ziehen die Kinder das erste Mal mit auf die Jagdt, die, die dabei Beute machen, sind dannach "Männer", die, die keine machen, "Frauen". Das ist völlig unabhängig vom biologischen Geschlecht und dieses Volk erschien den christlichen Anthropologen, die es "entdeckten" als ziemlich queer, denn für sie war ein Viertel der Ehen schwul, ein Viertel lesbisch und bei der Hälfte des Rests waren die Frauen die Männer (und umgekehrt)."

Ja, es gibt auch Natur-Völker, bei denen Frauen und Männer grundsätzlich gleichermaßen auf die Jagd gehen. Das funktioniert aber nur unter bestimmten Bedingungen. Nämlich dann, wenn es keine kräftigen Raubtiere und auch keine anderen Menschengruppen in der unmittelbaren Nähe gibt, gegen die man sich verteidigen muß. Und wenn die Beutetiere ebenfalls nicht besonders kräftig und schnell sind. Dann nämlich ist der Macho-Mann auf einmal weniger gefragt, und wenn Menschen über sehr lange Zeit unter solchen Bedingungen leben, scheint durchaus der Effekt einzutreten, daß Männer und Frauen sich in ihren Erbanlagen wieder annähern. Weil einfach die frühere Rollenverteilung nicht mehr wirklich nötig ist und die entsprechenden Instinkte dann nach und nach verkümmern.

Bei einigen Inselvölkern im Pazifik dürfte das so abgelaufen sein. Da haben sich die Menschen von pflanzlicher Nahrung und von Fischen, Muscheln usw. aus dem Meer ernährt. Es war also nicht nötig, besondern kräftig und mutig zu sein, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. (Und falls mal jemand im Wasser von einem Hai angegriffen wurde, spielte es eh keine Rolle mehr, ob dieser Mensch nun besonders kräftig war oder nicht - der Hai war auf jeden Fall überlegen.) Auch für eine schwangere Frau war es kein Problem, sich in ein Kanu zu setzen und fischen zu fahren. Frauen brauchten also nicht unbedingt einen Mann als Ernährer. Und wenn das nächste Inselvolk sehr weit weg lebte, waren auch kaum Angriffe zu befürchten, gegen die man sich verteidigen mußte. Beschützer wurden also ebenfalls nicht mehr benötigt. Somit hatten Männer mit Macho-Ambitionen dort im täglichen Leben keine wirklichen Vorteile mehr, was dann offenbar dazu geführt hat, daß sie schließlich ausgestorben sind.

Allerdings scheint das nicht auf alle Pazifik-Völker zuzutreffen. Wo diese oben genannten Bedingungen nämlich nicht erfüllt waren, blieb offensichtlich die traditionelle Rollenverteilung erhalten. Frauen asiatischer Piraten beispielsweise sollen getrocknete Geschlechtsteile der Opfer ihrer Männer an Halsketten getragen haben, was davon zeugt, daß sie durchaus stolz auf die Mörder-und-Totschläger-Qualitäten ihrer werten Ehegatten waren. Weil nur jemand, der den Gegner rücksichtslos niedermacht, für diese Frauen ein "echter Kerl" war.

"Und dann ist da noch die Frage, ob alle Menschen den Gleichen Maßstab anlegen, wenn sie Gesichter unterscheiden. Nach meiner persönlichen Erfahrung tun sie es nicht, weil ich in kurzen Abständen schon unterschiedlich gelesen wurde, mal als Frau und mal als Mann."

Das mag ja sein. Es gibt da aber schon Kriterien, die mehrheitlich auf Männer zutreffen, wie eben auch Kriterien, die mehrheitlich auf Frauen zutreffen. Wenn es nicht so wäre, dann würde man ja Männer und Frauen am Gesicht grundsätzlich gar nicht unterscheiden können. Natürlich gibt es Menschen, bei denen das schwierig ist. Aber die meisten Menschen lassen sich schon eindeutig zuordnen.

Außerdem ging es ja eben nicht darum, herauszufinden, welches Gesicht nun männlich oder weiblich ist. Man hat vorher festgelegt, welche Gesichts-Bausteine männlich und welche weiblich sind. Wenn dann später im fertigen Gesicht die männlichen Bausteine überwogen, war das Gesicht eben eher männlich, ansonsten eher weiblich.

Und dann hat sich eben herausgestellt, daß Frauen in der Eisprungphase zum Zusammensetzen ihrer Traummann-Gesichter vorwiegend "männliche" Bausteine verwendeten, außerhalb der Eisprungphase jedoch vorwiegend "weibliche". Das war ein eindeutiges Ergebnis. Wenn dir das lieber ist, kannst du hier durchaus "männlicher Baustein" durch "Baustein des Typs 1" und "weiblicher Baustein" durch "Baustein des Typs 2" ersetzen. Interessant war dabei eben, daß die Frauen diese Bausteine ganz offensichtlich genauso identifiziert haben wie die Forscher sie vorher eingeordnet hatten. Und daß sie eben nicht immer wieder dieselben Gesichter zusammen bastelten, sondern je nach Hormonspiegel ganz unterschiedliche Gesichter.

"Ich glaube, daß es bestimmte biologische Grundlagen gibt, diese aber kulturell überformt werden."

Ja, das sehe ich auch so. Nur bezweifle ich, daß es wirklich immer 100%ig gelingt, diese angeborenen biologischen Grundlagen zu überformen. Ich denke, sie sind tief in uns allen unverändert immer noch da und werden nur durch anerzogene bewußte oder auch unbewußte Überlagerungen mehr oder weniger überdeckt oder verfälscht. Und das alles scheint ganz offensichtlich auch noch mit dem Hormonspiegel zusammen zu hängen. Denn wenn Hormontherapien sich schon körperlich so extrem auswirken können (wie z.B. bei chinesischen Schwimmerinnen...), wieso sollten sie dann keinerlei Wirkung auf die Psyche haben? Tatsächlich wurde bei Personen, die zwecks Geschlechtsumwandlung eine Hormontherapie bekommen haben, festgestellt, daß sich auch ihre Hirnaktivitäten drastisch veränderten. Bei natürlichen Hormonschwankungen dürften die Wirkungen natürlich nicht so krass, aber doch auch vorhanden sein. Wie ja auch dieser Test mit den Frauen in und außerhalb der Eisprungphase gezeigt hat. Und eigentlich dürfte jeder auch schon bei sich selbst festgestellt haben, daß wir in gewissen Situationen eben auch schon mal bereit sind, Dinge zu tun, die wir sonst niemals tun würden...

"Ich bin kein Vertreter der clean-slate These, aber was genau auf der Schiefertafel stand, bevor sich die Kultur einschleicht ist sehr unscharf, d.h. deine Beispiele sind nicht wirklich sicher, u.a. auch, weil diese Tatsachen (breites Becken gut bei der Geburt, Kraft wichtig zum Jagen) schon länger bekannt sind und deshalb in der Kultur der Partnerwahl enthalten sind. Die Wurzeln der Moderne liegen im Biologismus, die Moderne prägt diese Kultur."

Ja, man kann da natürlich ewig theoretisieren und darüber debattieren, ob der Kreis wohl wirklich rund ist oder ob er uns nur rund erscheint, weil er doch tatsächlich nur eine Aneinanderreihung von Punkten sein kann... Ich sehe das einfach so: In der freien Natur setzt sich in der Evolution das durch, was gerade sinnvoll ist. Vor allem dann, wenn eine Art in einer sehr gefährlichen Umgebung lebt. Und unsere Vorfahren lebten jahrtausendelang unter ziemlich üblen Bedingungen. Es wird mittlerweile vermutet, daß sie sich zeitweise nur als Aasfresser über die Runden bringen konnten. Da war es eben nötig, alle vorhandenen Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen. Wenn unsere Vorfahren das nicht geschafft hätten, säßen wir jetzt nicht hier vor unseren Computern. Und da war es eben auch erforderlich, daß man sich zur Fortpflanzung Partner aussuchte, die dafür möglichst gut geeignet waren.

"Wobei ich gerade bei Transidentität keine Lust habe, sie völlig zu biologisieren, dafür ist diese Gruppe einfach zu heterogen."

Ja, das stimmt. Ich kann mir beispielsweise gut vorstellen, daß bei den heutigen Zuständen in Deutschland so mancher junge Mann echte Minderwertigkeitskomplexe wegen seines Geschlechts entwickelt und vielleicht nur deshalb plötzlich den Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung verspürt.

"Es ist nicht so, daß die Böcke gar nicht mit den Weibchen verkehren würden, nur tun sie das sehr selten. Richtige Beziehungen, die auch länger halten gibt es nur zwischen den Männchen."

Man muß dabei aber auch bedenken, daß viele Tierarten eine völlig andere Lebensweise haben als wir. Da ist es nämlich teilweise so, daß die Geschlechter fast das ganze Jahr über getrennt leben und sich nur zur Paarungszeit treffen. So können natürlich dauerhafte Partnerschaften nur zwischen Tieren desselben Geschlechts entstehen. Ich denke, daß solche Partnerschaften durchaus einen biologischen Sinn haben. Gerade für Tiere, die Angriffe von Raubtieren zu befürchten haben, ist es gut, in der Herde oder zumindest zu zweit unterwegs zu sein. So können sie sich gegenseitig warnen. Und homosexuelle Kontakte kommen dann allein schon deshalb zustande, weil bei manchen Tierarten nur sehr wenige Männchen überhaupt bei den Weibchen zum Zuge kommen. Den übrigen bleibt also gar nichts anderes übrig, als aufeinander herumzurammeln, um ihren Trieb abzureagieren.

Selbst bei den Tieren, die wirklich dazu kommen, sich mit einem Weibchen zu paaren, machen homosexuelle Aktivitäten durchaus Sinn, solange keine Weibchen greifbar sind. Weil das einen gewissen Trainingseffekt hat. Wenn ein Organ des Körpers nicht benutzt wird, reduziert der Körper seine Funktionen. Bei Tieren ist es aber häufig so, daß die Weibchen nur relativ kurz paarungsbereit sind (danach müssen sie ja erstmal die Jungtiere austragen und dann nach der Geburt säugen). Man muß sich dabei auch noch vor Augen halten, daß Tiere Geschlechtsverkehr ja nicht bewußt durchführen, also dabei gar nicht wissen, was sie da eigentlich tun. Somit können sie also auch nicht bewußt dafür sorgen, daß das Ganze möglichst erfolgreich abläuft, daß also das Sperma wirklich auch dahin gelangt, wo es hin soll. Da erhöht sich die Erfolgswahrscheinlichkeit schon deutlich, wenn ein Männchen in der Lage ist, das Ganze mehrmals hintereinander idealerweise auch mit verschiedenen Weibchen durchzuführen und dabei jedes Mal möglichst viel Sperma abzugeben.

Das ist jetzt nur mal so eine Theorie von mir dazu. Auch wenn das falsch sein sollte, so ist es doch offensichtlich so, daß Bisexualität bei vielen Arten der Fortpflanzung zumindest nicht abträglich ist, weshalb solche Verhaltensweisen nicht ausselektiert wurden. Reine Homosexualität jedoch kann sich bei vielen Arten durchaus fatal auf die Fortpflanzung auswirken. Und zwar auch bei den Arten, wo grundsätzlich nur wenige Männchen überhaupt zur Paarung mit Weibchen kommen. Denn da ist es auch oft wichtig, daß das stärkste und damit überlebenstüchtigste Männchen seine Erbanlagen weitergibt. Welches nun aber das stärkste Männchen ist, läßt sich nur durch Kampf zwischen den Männchen ermitteln. Wenn aber die überwiegende Mehrheit der Männchen gar kein Interesse an den Weibchen hätte, dann würde es kaum Kämpfe geben und es wäre nicht mehr sichergestellt, daß sich das stärkste Männchen vermehrt. Das wäre evolutionär kontraproduktiv und würde sich negativ auf die jeweilige Art auswirken.

"Die OP ist nicht aufwändiger, vor allem wächst da nichts mehr, d.h. das Ergebnis ist viel vorhersehbarer."

Das mag sein. Aber insbesondere bei der Umwandlung vom Mann zur Frau bringt doch auch eine Hormontherapie im Erwachsenenalter keine 100%igen Ergebnisse mehr. Vielen Frauen, die früher Männer waren, sieht man das jedenfalls auch deutlich an. Wenn jedoch die Therapie schon in der Kindheit beginnt, sind die Ergebnisse besser.

"Die ISNA prägte einst den Spruch "Beratung statt Beschneidung" (grob übersetzt). Eine Kindheit in der Eltern einem Kind zeigen, daß es OK ist, egal was die Umwelt sagt, ist wahrscheinlich besser, als eine Kindheit in der die Eltern dem Kind Hromone geben, damit es wie alle anderen ist. Da entsteht viel eher Scham und Angst davor, als anders erkannt zu werden."

Ja, das stimmt in der Theorie. Aber was würdest du deinem Kind sagen, wenn es dir immer wieder erzählt, daß es von anderen beschimpft oder sogar körperlich angegriffen wird, einfach nur, weil es eben "anders" ist? Dann kannst du ihm zwar sagen, daß nur Idioten sowas tun, aber davon werden die Beschimpfungen auch nicht weniger verletzend und die Schläge auch nicht weniger schmerzhaft.

"Das Problem ist dadurch zu beheben, daß das weniger restriktiv gehandhabt wird. An meiner Arbeitsstelle gibt es nur ein Personalklo und einen Umkleideraum. Da hat niemand ein Problem mit. In Zügen gibt es nur EIN Klo, ebenso in Flugzeugen. Auf Großveranstaltungen gibt es Dixies, steht an denen ein M oder F? Aber muß es denn Situationen geben, in denen ich aus beiden Toiletten rausfliege? Kann´s da nicht irgendeine Regelung geben? Das Diva in Köln hat einfach alternative Beschriftungen "Butch enough?" und "Femme enough?". Auch eine Lösung."

Ja, bei Toiletten mag das reichen... Aber stell dir mal folgende Situation vor: Du stehst in einem öffentlichen Schwimmbad nackt unter der Dusche. Auf einmal kommt eine Gruppe pubertierender Mädchen rein. Sie machen aber keine Anstalten, normal unter die Duschen zu gehen, sondern stellen sich vor dir hin, diskutieren lauthals Größe und Form deiner Geschlechtsteile und machen sich womöglich noch über dich lustig. Fändest du das toll? Wenn es da keine Verbote mehr gäbe, könntest du dich noch nicht einmal darüber beschweren, denn es wäre dann ja ihr gutes Recht, dort zu stehen...

Das Problem ließe sich nur lösen, indem man jede Dusche mit einer Kabine umgibt. So etwas hab ich aber noch nie in irgendeiner Schwimmhalle gesehen. Man müßte also sämtliche öffentlichen Duschräume umbauen...

Freundliche Grüße
von Garfield


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