Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: @Susu, @Alex

Alex, Friday, 21.03.2003, 11:57 (vor 7727 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: @Susu, @Alex von Garfield am 21. März 2003 08:35:14:

Moin Garfield!

Ihr sprecht euch also beide für die Abschaffung des Geschlechtsbegriffes aus.

FALSCH! Nein, ich fordere nur Akzeptanz, Toleranz und Respekt, welche meiner Meinung nach jedem Menschen zustehen. Und ich bezweifle offen, dass der herkömmliche Geschlechtsbegriff im täglichen Leben irgendeinen Sinn hat.

Das halte ich allerdings nicht für realisierbar. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Menschen sich nur durch ihre Erziehung einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen, ist es doch trotzdem so, daß die überwiegende Mehrheit der Menschen einfach nichts daran ändern möchte.

Ist bei vorhandener Toleranz, dass dies eben nicht für alle gilt auch gar kein Problem. Ich toleriere auch jeden, der sich als "den Mann" oder "die Frau" sehen möchte, solange er mich und meine Freiheit nicht einschränkt.
Ich argumentiere aber offensiv und bezweifle den Sinn des Begriffes "Geschlecht", um zu zeigen, wie fadenscheinig manche Argumente dafür sind.

Und so eine Masse kriegt man nicht einfach von Null auf Jetzt bewegt.

Das ist wahr... in allen Bereichen, nicht nur in diesem. Viel zu wenige Menschen machen sich Gedanken, wie dumm und unsinnig so manches Verhalten ist.

Außerdem glaube ich nicht, daß ein Mensch sich nur durch Erziehung einem Geschlecht zugehörig fühlt. Mit Susu hab ich das im damals noch existierenden Forum der "Feministischen Partei" vor einiger Zeit schon mal ausführlich diskutiert, was dann - soweit ich mich erinnere - leider durch eine Löschorgie der werten "Mitfrauen" unterbrochen wurde. Gerade die Menschen, die im falschen Körper geboren wurden, sind doch der beste Beweis dafür, daß sich das "Geschlechtsbewußtsein" keineswegs nur durch Erziehung herausbildet. Die werden ja üblicherweise auch immer noch ihrem körperlichen Geschlecht entsprechend erzogen, und trotzdem fühlen sie sich irgendwann dem anderen Geschlecht zugehörig. Auch diesen Menschen scheint die Festlegung ihres Geschlechts durchaus wichtig zu sein, denn sonst würden sie ja nicht soviel dafür tun, um es auch äußerlich zu ändern.
[quote]Gut - man kann nun natürlich darüber diskutieren, ob sie das vielleicht nur auf Druck der Umwelt wollen. Aber auch dann bleibt die Tatsache, daß diese Menschen ihr "Geschlechtsbewußtsein" nicht durch, sondern definitiv gegen ihre Erziehung entwickelt haben. Denn bevor man darüber nachdenkt, sein Geschlecht körperlich zu ändern, muß man ja erst einmal den Wunsch dazu haben.
[/quote]

Das sehe ich etwas anders. Das stimmt nur in dem Kontext der Klischees, die wir real leben. Real ist für TG, dass sie so, wie es ihrem Wesen entspricht nicht leben können, OHNE das Geschlecht zu wechseln, weil die Ablehnung der Umwelt dann noch stärker wäre. Außerdem darfst Du nicht vergessen, dass es auch unter TG genauso viele Klischeegläubige gibt, wie in der Durchschnittsbevölkerung auch. Auch diese wissen nicht zwangsläufig oder kommen auf den Gedanken, dass zwei Geschlechter nicht begrünbar oder belegbar sein könnten. Auch sie bewegen sich genauso oft in der binären Logik: Wenn ich mich als Mann falsch fühle muß ich wohl eine Frau sein. Anstatt fließende Übergänge zu sehen wird also auch hier das 0-oder-1-Prinzip zementiert, wie anderwo auch.


Aber wie dem auch sei: Eigentlich geht es gar nicht darum, ob es nun nur ein Geschlecht gibt oder 2, 3 oder auch 4000. Vielmehr geht es doch eher darum, daß eben auch Menschen, die nicht eindeutig in eines der beiden "Modellgeschlechter" passen oder sich dort nicht einordnen lassen wollen, von der Gesellschaft akzeptiert werden, was ja leider häufig immer noch nicht der Fall ist.

Richtig! So sind meine Postings gemeint.

Und das zu ändern, ist ebenfalls eine ziemlich große Aufgabe. Denn leider ist es so, daß Menschen sich instinktiv ihre Normen nach dem bilden, was sie in ihrer Umwelt sehen und dann eben als "normal" empfinden.

Ja, schade dass nur wenig in der Lage sind, ihre Normen auf Sinn zu prüfen.

Eigentlich gibt es ja nur eine Möglichkeit, da etwas zu bewegen: Die Problematik von Menschen, die sich einem der beiden anerkannten Geschlechter nicht zugehörig fühlen, muß häufiger öffentlich diskutiert werden. Denn je häufiger die Menschen damit konfrontiert werden, umso eher sind sie bereit, ihre Normen zu ändern.

Auch dann leider nur wenig. Kennst die Sorte von Menschen, die nach außen hin offen sind, tolerant und wissend auftreten und die in dem Augenblick in dem sich z.B. die Tochter als lesbisch outet ausflippen und zur intolerantesten Spezies mutieren? Diese Art hat etwas scheinheiliges. Es ist teilweise "In" tolerant zu sein.... aber wehe, wenn es mich persönlich betrifft.

So haben es ja beispielsweise Homosexuelle geschafft, mittlerweile zumindest weitaus mehr anerkannt zu werden als in früheren Zeiten. Aber selbst Homosexuelle stoßen auch heute immer noch auf Vorurteile oder sogar Anfeindungen. Obwohl ihre "Befreiung" doch schon vor gut 30 Jahren begonnen wurde. Da kann man sich vorstellen, wie lange es noch dauern wird, bis auch Transsexuelle oder andere Menschen, die nicht in das übliche Geschlechtermodell passen, von der Mehrheit der Bevölkerung voll akzeptiert werden...

Anfänglich würde es schon helfen, wenn Intoleranz öffentlich verurteilt würde und z.B. nicht zum Verlust des Jobs führen könnte. Ich erinnere da an eine TG Bürgermeisterin Michaela Lindner. Was hatte sich da verändert? Die politische Meinung wohl kaum.

Und dann ist da noch das Problem mit den Geschlechts-OP's z.B. an Neugeborenen. Auch das Thema hab ich schon mal mit Susu diskutiert.
[quote]Wenn mein Kind z.B. mit einem verkrüppelten Penis geboren werden würde und die Ärzte würden dazu raten, aus diesem Kind deshalb operativ ein Mädchen zu machen, dann wäre ich reichlich ratlos.
[/quote]

Das ist völlig verständlich. Aber ich hoffe, dass Du mit allem was Du weißt, versuchen würdest Dich schlau zu machen.
Und nicht aus eigenem Antrieb, sondern zum Wohle des Kindes handeln würdest. Wenn Du mit "verkrüppeltem Penis" Hermaphroditismus meinst, dann käme eben nur in Frage erwachsene Hermaphroditen zu befragen. Und zwar sowohl welche die operiert wurden, als auch solche denen dies erspart blieb. Und die überwältigende Mehrheit würde Dir berichten, dass die OP's als Folter und Verstümmelung erfahren wurden, während die nicht-operierten oft sehr zufrieden leben, wenn es ihre Erziehung zulässt ein stabiles Selbstbewußtsein aufzubauen. Hier mal ein paar Bilder von einem erwachsenen Hermaphroditen, dem eine Verstümmelung erspart blieb, dem Schauspieler Jaye Davidson (in den Stargate Filmen spielte Jaye den "Ra"). Wer käme auf die irrsinnige Idee so einen Menschen zu zerstören? Für mich drücken diese Fotos große Harmonie aus. Und ich kann gut verstehen, warum Hermaphroditen in anderen Kulturen göttliche Eigenschaften nachgesagt wurden.

Einerseits hätte ich persönlich gar kein Problem damit, daß das Kind so bleibt wie es ist. Jede OP ist mit einem Risiko verbunden, und vor allem müßte ich damit rechnen, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.
[quote]Andererseits hätte ich sofort Horrorszenarien über seinen späteren Lebenslauf im Kopf. Gerade Kinder können körperlich und psychisch extrem grausam werden, wenn ein anderes Kind nicht dem entspricht, was sie als "normal" empfinden. Das kriegen auch schon übergewichtige Kinder zu spüren, und da kann man sich vorstellen, wie es beispielsweise einem Jungen mit einem verkrüppelten Penis ergeht, wenn er irgendwann mal zusammen mit anderen Jungen duschen muß. Oder wenn er sich zum ersten Mal vor einem Mädchen auszieht. Auch wenn ich also einer OP nicht zustimme, wäre es möglich, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.
[/quote]

Wenn man sich aber bei Betroffenen informiert, ist die Chance es "richtig" zu machen VIEL größer, als wenn man aus anderen Absichten handelt.

Liebe Grüße

Alex


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