Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Wie versprochen: Grundsatztext

susu, Thursday, 06.03.2003, 21:22 (vor 7742 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 05. März 2003 22:04:08:

Hi Arne.

Ich habe auch nur seinen Essay über Poes "Purloined Letter" im Original gelesen und festgestellt, dass Lacan wirklich so verquast schreibt, wie man ihm vorwirft.

Die Poststrukturalisten erklärten Nicht-Lesbarkeit zur politischen Methode. Einige gingen noch etwas weiter... :)

Naja, du kritisierst hier ja eher die Rezeption als den Originaltext. Wobei man sich allerdings auch fragt, welche Qualität eine Satire haben mag, wenn sie 95 Prozent der Rezipienten nicht als solche erkennen, sondern für bare Münze nehmen.

Wobei diese Rezeption zum größten Teil aus der Schweiz kommt, d.h. ich bin mir nicht so sicher, ob Iragaray das überhaupt mitkriegt. Nachdem ich der Schweiz vor kurzem noch ein Bussi gab, gibt´s jetzt Schelte...

Klasse. Jetzt brauchen wir nur noch eine hübsche Melodie, und dann schicken wir DICH in die nächste Staffel von "Deutschland sucht den Superstar". ;-)

Wenn ich wieder in Bonn bin, werde ich mich mal wieder an mein Homestudio dranmachen. Der Strophenteil ist arg an Opa Dylan angelehnt, der Rest hat diese 12-Tonmusik-Akkorde... Wenn´s fertig ist wird das im Eigenverlag veröffentlicht, ob der Titel der CD (andere Lieder tragen Titel wie "gender reject" und "2nd .wav of feminism") "Toilet training - advanced studies" oder "Geschlecht sucht Ärger" lauten wird, ist noch nicht sicher...

Das mag wohl sein. Ich hab noch ein bisschen über deine These nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass mein Buch und auch diese Foren hier vielleicht aus denselben Gründen zum Teil sehr heftige Aggressionen auslösen, aus denen manche Leute auf euch Transgender mit Aggressionen reagieren: wegen dem Sprengen einer klaren Aufteilung der Geschlechterrollen. Wenn ich so das letzte Jahr Revue passieren lasse, wurde die emanzipatorische Männerbewegung am heftigsten von jenen angegriffen, die als Frauen auf der ewigen Suche nach starken Männern waren oder als Frauen UND Männer nicht akzeptieren konnten/wollten, dass wir mit Nachdruck das Thema von Männern als Opfer in die Debatte brachten. Manche Frauen sahen ihren eigenen Opferstatus gefährdet, manche Männer ihre vermeintliche Männlichkeit. Leute, die überhaupt nicht erwarteten, dass jedes Geschlecht bestimmte Rollenklischees erfüllen musste, konnten z. B. auch mit geprügelten Männern oder missbrauchten Jungen besser umgehen.

Z!

Wobei ich bezweifle, dass sich hier eine eindeutig klare Linie zwischen Essentialisten und Butlerianern ziehen lässt. Die allermeisten Leute sind doch sehr unscharf verortet und tragen Ansätze von beidem in sich.

Etwas anderes zu behaupten würde ja nur eine neue dichotomische Kategorie schaffen... Dann könnte man sich den Poststrukturalismus auch ganz sparen. :)

Sehr oft sind Menschen ja auch in einer bestimmten Lebensphase besonders essentialistisch, nämlich wenn sich ihre eigene Geschlechtsidentität gerade bildet und das andere Geschlecht dabei abgewertet wird: "Jungs sind doof und denken nur an das eine", "Mädels sind dumme Gänse und sind ständig am Tratschen" usw. Das legt die Frage nahe: Wenn Slogans wie "Männer sind Schweine" heutzutage längst nicht mehr nur die Teenie-Kultur durchziehen - kann das auch daran liegen, dass heutzutage ein bestimmter Reifeprozess wesentlich später abgeschlossen wird als in früheren Jahrzehnten? Oder ist sowas einfach nur eine Gegenreaktion darauf, dass die Geschlechtergrenzen in Wahrheit immer fließender geworden sind?

Ich vermute eher letzteres. Und natürlich, daß andere Reifeprozesse schneller ablaufen und 9-jährige Beziehungen haben, ohne die kommunikativen Fähigkeiten, die sie nicht direkt schlechte Erfahrungen mit einem Geschlecht machen ließen.

Ich denke, Alice Schwarzer beispielsweise befindet sich in ihren Artikeln in exakt jenem Spannungsfeld zwischen sozialisationsfatalistisch und essentialistisch. Mal heißt es in der Besprechung eines SM-Buches von Pat Califia: "Im Zuge der Emanzipation und einer sich verändernden Lebensrealität greifen eben auch Frauen in der Erotik zur Gewalt und zur Macht." An einer anderen Stelle heißt es: Frauen könnten grundsätzlich nicht pädophil sein, da "Sexualität für Frauen nicht Ausübung von Herrschaft ist". Soso. :-)

Füge noch den dritten Pol Existenzialismus ein und du hast das Konzept erfasst. Solange sie sich auf de Beauvoir bezieht, geht das oftmals in die richtige Richtung, nur bleibt es selten dabei. An ihrem Buch "Der große Unterschied" gefiel mir der Untertitel und der Ausblick. Dazwischen gab es nicht viel, was zu diesen beiden Teilen passen würde...

Farrell war im Vorstand der Regionalgruppe New York von NOW - allerdings zu einer Zeit, als er noch voll auf der feministischen Linie lag und mit "The Liberated Man" ("Der befreite Mann") die These vertrat, dass Männer in gewisser Weise den Frauen unterlegen seien und zu besseren Menschen therapiert werden müssten. Das war Ende der siebziger Jahre und das, was man damals auch in Deutschland unter "Männerbewegung" verstand: Lasst uns mehr weibliche Tugenden annehmen und die Welt so von dem militärisch-industriellen Komplex befreien ... Was Farrell angeht, hat sich sein Themenschwerpunkt bzw. seine Herangehensweise ja spätestens seit "The Myth of Male Power"/"Mythos Männermacht" stark geändert, und seitdem ist er auch nicht mehr Mitglied bei NOW.

Wilchins schied aus, als ein Text von ihm/ihr gekürzt wurde, in dem es um den Zugang zu Hormonen und die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ging. Dabei wurden sowohl Probleme, die Frauen bei der Verschreibung von Hormonen während der Menopause hatten, als auch die von Transleuten, die eine HRT machten besprochen. Der letzte Teil wurde gestrichen und Wilchins stieg aus, um sich bei den "Lesbian Avengers" zu beteiligen (die immer ganz interessante Aktionen machen) und G-PAC zu gründen, weil er/sie der Meinung war, daß Themen die zusammen gehören nicht getrennt betrachtet werden sollten.

Okay, dann schau ich mir mal bei Amazon die englischsprachigen Titel dazu an.

Sobald ich meine Ausgabe von "Genderqueer" habe, werde ich dazu mal posten. Das Buch klingt extrem vielversprechend.

Ah, deshalb. Ich hatte schon gehört, dass Sigusch unter Transgendern eher unbeliebt ist, wusste aber nicht warum.

Auf transmann.de gibt es einen Artikel dazu, den verlinke ich unten.

Grüße
susu


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