Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: @Alex

Garfield, Thursday, 03.04.2003, 12:24 (vor 7714 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: @Alex von susu am 02. April 2003 22:49:52:

Hallo Susu!

"Question: Das traditionelle Männerbild, könnte das nicht auch durch Sozialisation entstanden sein? Gibt es in Naturvölkern den Typ Stalone? Nein, es gibt ihn nicht, er ist ein Produkt dieser Kultur (Noch Charles Atlas, das Muskelidol vergangener Zeit, sah ganz anders aus, die Männerbilder der Antike, oder des Barok ähneln sich nicht im geringsten, trotzdem waren sie jeweils das bestimmende Ideal)."

Also, ich meinte das nicht auf das Äußere bezogen! Auch in Naturvölkern war und ist der ideale Mann der perfekte Jäger und Beschützer. Ich habe vor einiger Zeit einen interessanten Artikel über ein Naturvolk im südamerikanischen Regenwald gelesen. Da diese Regenwald-Indianer nur wenig intensive Landwirtschaft betreiben und sich ansonsten nur durch Sammeln und Jagen ernähren, können sie nur in kleinen Gruppen verstreut im Regenwald leben. Diese Gruppen müssen obendrein auch noch alle paar Jahre ihren Wohnort wechseln. Es kommt zwischen diesen Gruppen immer wieder zu Kriegen. Die Gründe dafür sind oft absolut lächerlich: Wenn beispielsweise eine angesehene Person in einer Gruppe stirbt, kann schon mal der Medizinmann einer Nachbargruppe in Verdacht geraten, dies per Zauberei bewirkt zu haben. Oder man ist einfach neidisch, weil man gehört hat, das eine andere Gruppe Dinge wie neue Metall-Töpfe oder Messer besitzt und will diese Gegenstände in den eigenen Besitz bringen. Dann ziehen die Männer der Gruppe also in den Krieg. Von ihren Frauen werden sie dabei noch angespornt und dazu ermahnt, doch auch möglichst tapfer zu sein und viele Feinde zu töten. Oft kommt es dann aber vor, daß man den Wohnort der "feindlichen" Gruppe im immer noch riesigen Regenwald nicht findet, oder daß diese Gruppe ihren Wohnort mittlerweile schon wieder gewechselt hat. Dann kehren die Männer wieder nach Hause zurück. Da sie keine Beute mitbringen, ist ja klar, daß es keinen Krieg gegeben hat. Und dann kommt es nach der Rückkehr ins eigene Dorf oft zu Schlägereien zwischen den Männern. Auf die Frage eines Europäers, wieso sie sich eigentlich prügeln, antwortete in so einer Situation einer der Indianer, daß sie das eigentlich nur tun, damit ihre Frauen sie nicht für Feiglinge halten. Jeder Mann muß dort also offensichtlich damit rechnen, von seiner Frau vorgeworfen zu bekommen, daß er und die anderen Männer sich ja nur aus Feigheit vor dem Kampf gedrückt hätten. Und dann ist es gut, wenn man(n) wenigstens darauf verweisen kann, daß man doch in der Prügelei vorhin eine gute Figur gemacht und viel Tapferkeit bewiesen hat...

Da haben wir also auch wieder das Macho-Ideal. In Hollywood-Filmen äußert es sich zuweilen heute noch in muskelbepackten und bis an die Zähne bewaffneten Superhelden, die knallhart jeden Gegner niedermachen. Bei diesen südamerikanischen Regenwald-Indianern personifiziert es sich dann eben im weniger muskelbepackten Superhelden, der mutig seine Kumpels zu Boden schlägt. In beiden Fällen scheinen die Frauen gleichermaßen davon angetan zu sein.

"Question: Wie eingehend kennst du die Studien, auf die du dich berufst? Soziobiologie ist eine sehr komplexe Wissenschaft, insbesondere, wenn es um Menschen geht. Da wird oft schlechte Wissenschaft betrieben, d.h. die Fragestellung beeinflust das Ergebnis extrem und kulturelle Faktoren werden völlig misachtet. Da gibt´s z.T. horrende Fehler in der Versuchsplanung und Durchführung und die Berichtserstattung über diese Wissenschaft neigt dazu Ergebnisse stärker zu bewerten, als es angebracht wäre. Da wird aus statistisch insignifikanten Unterschieden plötzlich ein klares Ergebnis."

Das bezieht sich wahrscheinlich auf meine Bemerkungen zu diesen Untersuchungen an Frauen während und außerhalb der Eisprungphase. Das hab ich mal in einer Fernsehreportage gesehen. Es war dort so, daß es nicht viele Möglichkeiten gab, Ergebnisse durch gezielte Fragen oder falsche Interpretation zu verfälschen. Man hat die Frauen nämlich einfach vor Computer gesetzt, auf denen ein Programm installiert war, mit dem sie aus verschiedenen Komponenten ein Gesicht ihres Traummannes zusammen setzen konnten. Es war wahrscheinlich ein Programm, wie es auch von der Polzei zur Erstellung von Phantom-Bildern verwendet wird.

Den Frauen wurden also gar keine Fragen gestellt. Und die Ergebnisse waren auch eindeutig. Ob die Frauen in der Eisprung-Phase waren oder nicht, wurde ebenfalls medizinisch festgestellt.

Außerdem muß ich dazu auch noch schreiben, daß ich mich allgemein weniger auf solche Untersuchungen verlasse, dafür aber mehr darauf, was ich in meinem persönlichen Umfeld immer wieder erlebe.

"Wie definierten die Forscher Männer mit "weiblichem" Aussehen und wie Männer mit "männlichem" Aussehen? Gibt es da eine Objektive Antwort?"

Ja, die gibt es! Jeder Mensch kann beim Ansehen eines Gesichtes sofort sagen, ob das Gesicht eher männlich oder eher weiblich aussieht. Ob sich dahinter wirklich auch ein Mensch des entsprechenden Geschlechts verbirgt, ist eine ganz andere Frage und tat für diesen Test gar nichts zur Sache. Es ging ja nur darum, ob die Frauen regelmäßig immer dieselben Gesichtszüge bevorzugen, oder ob es da Schwankungen gibt.

"Nein. Dann müßte es klar erkennbare Zusammenhänge zwischen irgendwelchen Biologischen Tatsachen und der Partnerwahl geben. Gibt es aber nicht."

Du meinst wirklich, daß es keinerlei Zusammenhänge zwischen biologischen Tatsachen und der Partnerwahl gibt? Du glaubst also, daß es reiner Zufall ist, daß viele Männer Frauen mit einer typisch weiblichen Figur (also eben mit einem breiten Becken) attraktiv finden und daß gleichzeitig ein breites Becken wichtig für eine problemlose Geburt ist? Du meinst, daß es auch Zufall ist, daß viele Männer Frauen mit großen Brüsten attraktiv finden und daß gleichzeitig ein bestimmtes Volumen der Brust nötig ist, um ein Baby (oder auch mehrere Babies) ausreichend stillen zu können? Und daß es auch reiner Zufall ist, daß viele Frauen große und kräftige Männer bevorzugen und daß gleichzeitig solche Männer früher allein durch ihre Körperkraft schon gute Jäger und Krieger waren?

"Und unbewuste Wünsche können eben auch durch die Sozialisation hervorgerufen werden."

Ja, da stimme ich dir zu. Aber ich bin mir auch sicher, daß bei weitem nicht alle unbewußten Wünsche anerzogen sind. Die Menschen, die entgegen ihrer Erziehung eine Geschlechtsumwandlung machen lassen, sind dafür doch das beste Beispiel. Und die wurden mit Sicherheit nicht allesamt so extrem erzogen, daß sie regelrecht zum Gegenteil ihrer Erziehung gezwungen wurden! Aber das hatten wir ja alles schon mal...

"Hier verweise ich auf Studien, die belegen, daß Menschen, die heftige Ablehnung Homosexuellen gegenüber zeigen, ebenso eine sexuelle Anziehung dem eigenen Geschlecht gegenüber empfinden. D.h. da kommt projezierter Selbsthass ins Spiel."

Ja, das sehe ich auch so. Aber diese Ablehnung richtet sich ja nicht nur gegen Homosexuelle, sondern auch gegen andere Menschen, die den gängigen Normen nicht entsprechen.

"Es gibt eine Menge Tierarten, bei denen Individuen oder auch ganze Populationen gleichgeschlechtliche Partner bevorzugen."

Hm, das kann aber allein schon deshalb nicht sein, weil diese Arten dann längst ausgestorben wären. Bist du dir sicher, daß diese Untersuchungen korrekt durchgeführt worden sind? Daß man diese Tiere z.B. auch mindestens ein Jahr lang intensiv beobachtet hat und nicht einfach nur darauf aus war, ein möglichst unerwartetes Ergebnis zu bekommen um dann bei Veröffentlichung desselben möglichst hohe Erfolge zu erzielen?

"Vor 500 Jahren fühlten sich Homosexuelle nicht anders als Menschen, die Ehebruch begangen."

Das mag sein. Aber vor 500 Jahren stand auch auf Ehebruch in der Regel die Todesstrafe. Das war dann schon ein triftiger Grund, um irgendwelche "unnormalen" Neigungen zu unterdrücken, finde ich.

"Nein, die Argumentation geht so: Don´t do harm! Unnötige medizinische Eingriffe an nicht-mündigen Personen sind eine Form von Gewalt, so einfach ist das. Aus meiner Sicht ziehe ich, daß ich ein Kind so erziehen sollte, daß es eigene Entscheidungen treffen kann, darüber wie es sein Leben gestalten will und das schließt Entscheidungen über sämtliche geschlechtsrelevaten Handlungen mit ein. Eine Erziehung zur Unfreiheit wird so gut wie immer in Rebellion enden."

Dem stimme ich durchaus zu. Das Problem dabei ist nur: Was, wenn beispielsweise ein Junge mit einem verkrüppelten Penis später tatsächlich den Wunsch entwickelt, eine Frau zu sein? Die entsprechende Operation ist dann wesentlich aufwändiger und umständlicher. Und dann ist da eben noch das Problem, was dieser Junge vorher in seiner Kindheit durchmachen muß...

Das meine ich jetzt nicht als Argument für die heutige Praxis, aber es ist etwas, das man dabei auch bedenken muß.

Und was die Klofrage angeht: Im Moment sind nur relativ wenige Menschen davon betroffen. Wenn man aber den Geschlechtsbegriff abschaffen würde, gäbe es gar keine Möglichkeit mehr, öffentliche Toiletten, Dusch- oder Umkleideräume zu trennen. Das wäre für viele Menschen ein Problem.

"Aber Opfer sein und Opferhaltung entwickeln sind zwei verschiedene Dinge. Opferhaltung bedeutet ewige Passivität und Fatalismus, Opfer sein ist einfach den Umständen geschuldet."

Ja, genau! Deshalb ist eben nicht jedes Opfer selbst an seinem Unglück schuld. Und auch jemand, der wegen irgendeiner "Unnormalität" ständig gehänselt und abgelehnt wird, muß daran nicht selbst schuld sein und kann durchaus in Situationen geraten, in denen es gar keine Rolle spielt, wie er oder sie reagiert.

Freundliche Grüße
von Garfield


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