Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Sinn und Unsinn der Einteilung in zwei Geschlechter

Alex, Wednesday, 19.03.2003, 22:52 (vor 7728 Tagen) @ Daddeldu

Als Antwort auf: Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung von Daddeldu am 19. März 2003 18:09:36:

Hallo Ihr!

Ich möchte hier mal ein bisschen weg, von der kleinkarierten Merkmalklauberei.

Die Frage die sich mir eher stellt:

Ist der Unsinn einer Einteilung in zwei! Geschlechter nicht weit größer als der Sinn derselben?

Der damit erzeugte Druck und das Leid erscheint mir den Nutzen um ein Vielfaches zu übersteigen. Vor allem wenn man sämtliche Rollen-Stereotypen und Klischees (die ja Auswüchse dieser Einteilung sind) mit einbezieht.

Es dürfte meiner Meinung nach kein lebendes Wesen geben, dass "dem Mann" oder "der Frau" gerecht wird. Jede Abweichung scheint aber einen (meines Erachtens) unnötigen Druck auszuüben.

Was Susu Dir zu zeigen versucht, ist, dass schon die wissenschaftliche Definition durchaus selten "wasserdicht" ist... aber das artet nun irgendwie aus und bringt in meinen Augen nicht sehr viel.

Es ist so, dass ca. 4% der Bevölkerung intersexuelle Anlagen tragen (und die Dunkelziffer weit höher vermutet wird). D.h. alleine in Deutschland sind das ca. 3,5 Millionen Menschen! (s. z.B. hier
Das übertrifft die Anzahl der Menschen um die sich sonst intensiv Gedanken gemacht wird bei weitem. 3,5 Mio. Menschen in D sind keine Minderheit mehr, die man einfach ignorieren könnte.
Die augenblickliche Reaktion auf Intersexualität ist aber, wenn überhaupt reflektorisch vorhanden, es als Störung oder Krankheit zu bezeichnen, anstatt sich zu fragen ob die Einteilung in zwei Geschlechter vielleicht gnadenlose Simplifizierung ist. Dabei eintstehen dann Auswüchse, wie die "Zuweisung" eines Geschlechts, wenn dieses med. nicht erkennbar ist (s. z.B. hier).
Ganz zu schweigen von den Auswüchsen, die die Suizidrate bei Menschen die sich keinem Geschlecht, oder einem anderen Geschlecht als dem rechtlich festgelegten zugehörig fühlen, in utopische Höhen treiben.

Spätestens bei diesen Überlegungen mach ich mir Gedanken welchen Sinn eine Einteilung in zwei Geschlechter überhaupt hat. Und.... ich finde keinen... doch, den einzigen, dass es zur Fortpflanzung auf natürlichem Wege ein Spermium und eine Eizelle braucht und diese verschmelzen können müssen....
Alles was darüber hinaus geht verstehe ich als sinnloses Konstrukt ähnlich der ptolemäischen Denkweise "die Erde ist eine flache Scheibe".

3,5% der Bevölkerung bei denen die Intersexualität sicher ist und eine geschätzte Dunkelziffer, die diese Zahl verdoppeln würde, sind doch keine Sache die man so einfach noch ignorieren kann. Die Anzahl der Menschen mit homosexuellen Erfahrungen beispielsweise liegt bei ca. 6% (die Anzahl derer, die ausschließlich homosexuell leben bei nur ca. 1%). Trotzdem wird Homosexualität heute wissenschaftlich nirgenwo mehr als Störung bezeichnet, sonder als Variation die in der Vielfalt des Lebens zwingend natürlich ist.
Bei Intersexualität wird aber (trotz des höheren Prozentsatzes) nicht in Erwägung gezogen die als zu eng erkannten rechtlichen und wissenschaftlichen Definitionen anzugleichen, sondern die Menschen in Schubladen zu pressen. Warum?
Dazu kommt in meinen Augen, dass, wenn der Druck in eine Schublade passen zu müssen ein Ende hätte vermutlich weit mehr als die 3,5% plus die Dunkelziffer in einzelnen Lebensbereichen Entscheidungen treffen würden, die heute so nicht möglich sind, ohne gesellschaftlichem Druck standhalten zu müssen. D.h. wenn dieser Druck entfernt würde, würde Freiheit für alle Menschen einfacher zu erreichen. Im Gegenzug hätte dies für mich keine sichtbaren Nachteile.
Stattdessen gibt es aber selbst aus junger Zeit Gerichtsurteile, die die geschlechtliche Einteilung weiter zementieren (s. z.B. hier). Wie viele Jahrhunderte brauchen wir denn noch, bis wir Menschen nicht Definitionen anpassen, sondern Definitionen so erweitern, dass sie die reale Welt beschreiben?

Liebe Grüße

Alex


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