Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: @Alex

Garfield, Friday, 28.03.2003, 12:11 (vor 7720 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Alex von Alex am 27. März 2003 18:45:51:

Hallo Alex!

"...was meinst Du, warum? Ich find den echt schnuckelig... vom Aussehen her... viel mehr kenn ich ja nicht."

Ja, so vom Gesicht her finde ich ihn ja auch durchaus attraktiv. Wenn er auch sonst überall so weiblich aussehen würde, dann wäre er/sie mit Sicherheit mein Typ. Aber da er sonst eben eher männlich aussieht und somit meine instinktiven Wünsche nicht erfüllt, wäre er eben für mich kein potenzieller Partner.

"Schlüsselreize sind nach wie vor vorhanden."

Ja, und das ist z.B. etwas, das von Geburt an festgelegt ist und nicht anerzogen. Wenn das anders wäre, würden die meisten Männer heute ja z.B. auch auf dürre Supermodels á la Kate Moss stehen. Denn die werden ja heute überall in den Medien als Schönheitsideal prädentiert. Das tun sie aber mehrheitlich offensichtlich nicht.

"Ganz zu schweigen von chemischen Schlüsselreizen, die garnicht bewußt wahrgenommen werden."

Und die können wohl schwer durch Erziehung geprägt werden.

"Nein. Nicht-Anziehung oder schwächere Anziehung ≠ Ablehnug"

Gut, da habe ich mich nicht ganz korrekt ausgedrückt, es ist allerdings auch eine Definitionsfrage. Nicht-Anziehung kann aber durchaus die Basis für Ablehnung und/oder Aggression bilden. Oftmals ist es nämlich so, daß sowohl Menschen als auch Tiere einfach nur ein Ventil suchen, um ihren Frust abzulassen. Bevorzugt wählt man sich dafür dann natürlich ein Opfer, das man eben nicht sonderlich sympathisch findet.

"Was sagt das aus? Wohl auch, dass Bisexualität seltener bekannt wird, als real vorhanden."

Das ist richtig. Ich glaube sowieso, daß die meisten Menschen (genau wie Tiere auch) von Natur aus bisexuell sind. Ich vermute, daß echte Heterosexualität genauso selten vorkommt wie echte Homosexualität. Auf den ersten Blick scheint das zwar dem natürlichen Zweck der Sexualität zu widersprechen. Aber ich denke, daß das durchaus sinnvoll ist. Es hat einen gewissen "Übungs-" bzw. "Trainings-Effekt" wenn man's eben erstmal mit gleichgeschlechtlichen Partnern macht, sofern keine biologisch sinnvollen Alternativen erreichbar sind. Dann kommt mit Sicherheit noch dazu, daß es ja eben kaum einen 100%igen Mann und auch kaum eine 100%ige Frau gibt. So kann es durchaus vorkommen, daß jemand z.B. chemische Signale des eigentlich anderen Geschlechts aussendet und somit für das eigene Geschlecht sexuell attraktiv ist.

Letzteres habe ich selbst auch mal erlebt. Ich habe mich eigentlich sexuell nie zu Männern hingezogen gefühlt. Trotzdem hatte ich mal einen Jungen in meiner Schulklasse, von dem ich mich tatsächlich auch sexuell angezogen fühlte. Irgendwie war er für mich eine Frau. Noch merkwürdiger war, daß das auf Gegenseitigkeit beruhte. Und ich bin mir sicher, daß er auch zumindest nicht homosexuell war. (Er hatte dann später auch eine Freundin.) Zwischen uns ist nie wirklich etwas passiert, aber es ist dann bald auch den Lehrern und unseren Mitschülern aufgefallen, daß da schon eine gewisse Zuneigung zwischen uns war. Eine Lehrerin sagte mal: "Bei euch beiden kommt noch mal ein Wunder heraus. Die Hauptsache ist nur, daß es nicht schreit." Normalerweise hätten alle in der Klasse nach dieser Aussage vor Lachen brüllend am Boden gelegen. Aber da hat keiner gelacht. Weil die Lehrerin nämlich genau das andeutete, was die alle auch schon vermutet haben... :-) Aber wie schon geschrieben, ist eigentlich gar nichts passiert... Und das war wohl auch gut so.

"Ob jetzt die geringere Attraktivität gleichgeschlechtlicher Partner, oder gesellschaftliche Zwänge dafür verantwortlich sind, dass diese gelebt wird, das läßt sich so schwer sagen."

Wahrscheinlich ist es beides.

"das beweist nur, dass die Körpergröße offensichtlich Geschlechtsmerkmal genug für Kaninchen ist...."

Nein, gleichgroße Kaninchen-Böcke bespringen sich auch gegenseitig. Nur können die sich dann gut dagegen wehren und es ist dann nicht so, daß ständig nur auf einem herumgerammelt wird. Das tun sie aber eben nur, wenn keine Weibchen greifbar sind. Gesellschaftliche Zwänge kann man da als Faktor wohl ausschließen. Also ist es doch offensichtlich so, daß gleichgeschlechtliche Partner im allgemeinen als weniger attraktiv erachtet, aber in "Notfällen" trotzdem durchaus in Betracht gezogen werden. Und wieso sollte das bei Menschen anders sein?

"IMO ist Deine instinktive Ablehnung ein Märchen."

Stimmt, die Ablehnung selbst ist nicht instinktiv. Aber wenn Ablehnung darauf aufbaut, daß man jemanden eben irgendwie unattraktiv findet, dann basiert sie letztendlich auf Instinkten.

"Ich fühle mich auch von keinem Menschen abgelehnt, nur weil er nicht mit mir in die Kiste will."

Wirklich nicht? Also, das hab ich aber manchmal schon anders erlebt. Zwar nicht selbst, aber immerhin. Ich hab mal einen Film gesehen, wo ein besonders drastisches Beispiel dafür vorkam: Der Film spielte im Zweiten Weltkrieg. Die deutsche Abwehr hatte einen Spion in eine Partisanengruppe eingeschleust. Der Mann hat das nicht freiwillig gemacht, sondern war dazu gezwungen worden. Er hatte auch immer ein schlechtes Gewissen deshalb. Nun hat sich eine Partisanin in ihn verliebt, und er hat auch viel für sie empfunden. Aber gerade deshalb wollte er nichts mit ihr anfangen. Er hätte dann das Gefühl gehabt, sie noch mehr zu betrügen als er es als deutscher Spion ohnehin schon tat. Eines Tages kam er in sein Zimmer und diese Partisanin stand dort nackt neben seinem Bett. Er hat sich ja schon sehr von ihr angezogen gefühlt und hätte sehr gern mit ihr geschlafen, aber er hätte dabei einfach das Gefühl gehabt, sie auszunutzen und zu betrügen. Dafür war er zu anständig. Also tat er so, als würde sie ihn nicht interessieren und wies sie ab. Das hat sie nun wiederum schwer getroffen. Sie fühlte sich verletzt und zurückgestoßen, und ihre Gefühle für ihn wandelten sich schnell ins Gegenteil. Sie begann ihn zu hassen und beschuldigte ihn auf einmal, ein Spion zu sein, ohne dabei wirklich zu wissen, wie richtig sie damit lag.

Okay, das war nur ein Film, aber sowas passiert wirklich auch im realen Leben.

"Das hängt mit unserer verbohrten ach so römisch-christlichen Kultur zusammen... Hexenjagt gibt es wohl immer noch."

Jain. Die römisch-christliche Kultur hat dafür gesorgt, daß Homo- oder Transsexualität verteufelt wurde. Sie hat aber nie darauf hingearbeitet, daß weniger attraktive Menschen nicht akzeptiert werden! Das hat mit dem Einfluß der Kirchen gar nichts zu tun.

Danke für die Infos über Hermaphroditen usw.! Das finde ich alles sehr interessant. Ich hab's mir kopiert und werd mich mal näher damit befassen, wenn ich Zeit dafür finde.

"*grrrmpf* Charaktereigenschaften hat jedes Neugebohrene... sicher. Aber was hat das damit zu tun, dass man Menschen in Schubladen presst?
Wie soll ich es denn noch anders formulieren? Das eigene Wesen ist da, nur die Schublade ist generell zu eng... die Sozialisation tritt so lange nach, bis es meistens reinpasst... klappt aber nicht immer."

Ja, das bestreite ich ja auch gar nicht! Mir geht es nur darum, daß Menschen schon von Geburt an durchaus nicht gleich sind. Und daß eben nicht alle Unterschiede nur aus Erziehung resultieren. Und daß die Menschen, die man in die männliche Schublade steckt, allein schon durch ihre spezielle hormonelle Veranlagung eben auch tatsächlich häufig überwiegend "männliche" Eigenschaften haben. Und daß die Menschen, die in der weiblichen Schublade landen, tatsächlich mehrheitlich auch überwiegend "weiblich" veranlagt sind. Klar wird es immer wieder Abweichungen geben. Und man sollte schon Möglichkeiten finden, Menschen, die eben nicht in eine der beiden Schubladen passen, auch nicht mit Gewalt dort hineinzupressen. Das ändert aber nichts daran, daß die Mehrheit der Menschen mit dem offiziellen Geschlecht, das ihnen bei der Geburt verpaßt wurde, doch ganz gut zurecht kommt. Weil dieses offizielle Geschlecht eben oft weitgehend mit dem tatsächlichen Geschlecht übereinstimmt. 100%ige Übereinstimmung wird man wohl kaum finden, aber oft paßt es eben doch weitgehend.

Von Susu kam in Bezug darauf schon mal das Argument, daß man sich dann aber nicht über diverse Klischees in Bezug auf Männer und Frauen beklagen dürfe. Das sehe ich nun allerdings auch nicht so. Beispielsweise glaube ich nicht, daß es in puncto Aggressivität zwischen Männern und Frauen wesentliche Unterschiede gibt. Zwar gilt immer noch Testosteron als Ursache für aggressives Verhalten, aber mal abgesehen davon, daß es da mittlerweile Forschungsergebnisse gibt, die das wieder relativieren und auch abgesehen davon, daß es durchaus auch Frauen mit hohem Testosteron-Spiegel gibt, so wurde mittlerweile auch nachgewiesen, daß auch der weibliche Körper spezielle Hormone in großer Menge produziert, die ebenfalls aggressives Verhalten fördern können. Auch entwicklungsgeschichtlich gibt es keinen Grund, davon auszugehen, daß Frauen von Natur aus friedfertiger wären. Im Tierreich sind auch weibliche Tiere durchaus nicht friedfertig, und bei manchen Arten (z.B. bei Tüpfelhyänen) sind die Weibchen sogar deutlich aggressiver als die Männchen. Und auch wenn man sich mal in die Welt unserer Vorfahren hineinversetzt, findet man keinen Grund, wieso Frauen friedlicher sein sollten. Wenn beispielsweise plötzlich ein Säbelzahntiger vor der Höhle stand, dann konnte es sich auch eine Frau nicht leisten, erstmal mit ihm darüber zu diskutieren, ob irgendwelche Akte aggressiver Gewalt jetzt wirklich angebracht wären. Nein, wenn sie keine Möglichkeit zur Flucht hatte und auch kein Mann da war, der sich heldenmütig zwischen sie und den Tiger werfen konnte, dann mußte sie zwangsläufig selbst zur Keule greifen und sie dem Tiger überziehen, in der Hoffnung, daß das irgendwas bewirkt. Wenn sie das nicht tat, war sie auf jeden Fall schnell tot. Und im Laufe der Geschichte haben Frauen auch genau das immer wieder getan. Genau wie die Männer auch. Und nicht nur zur Verteidigung.

Analog ist das mit so manchen anderen Klischees. Zwar trifft manches durchaus auch zu, aber das sind dann eigentlich eher unbedeutende Unterschiede. (Z.B. daß Frauen schlechter Karten lesen können oder so etwas.)

"...und zwar weit mehr als zwei. Und dadurch bezeichnet das Wort Geschlecht an sich fast nichts mehr."

Na ja, aber da die Mehrheit der Menschen sich doch offenbar mit ihrem offiziellem Geschlecht wohl fühlt, hat das Wort Geschlecht schon noch eine Bedeutung! Klar - wenn man davon ausgeht, daß jeder Mensch 100%ig in allen Merkmalen seinem offiziellen Geschlecht entsprechen muß, dann wird es natürlich schwierig, da noch jemanden eindeutig zuzuordnen. Dann wird das Geschlecht wirklich zur Farce. Wenn man aber realistisch ist und immer einen bestimmten Spielraum einkalkuliert, dann ergibt sich schon eine deutliche Polarisation. Man könnte natürlich offiziell noch weitere Geschlechter einführen, aber wie schon mal geschrieben, wäre das wohl ein Faß ohne Boden, weil dann immer wieder neue Gruppierungen noch ein weiteres Geschlecht fordern würden...

"Beim jetzigen Stand der durch die gnadenlose kulturelle Prägung ging vielleicht. Versuch das mal bei indigenen Völkern... da tipp ich eher auf unter 50% also keine absolute Mehrheit *g* Mist... geht ja nicht mehr die sind ja auch schon ziemlich "denaturiert"."

Da hast du recht. Bei uns wurde ja lange Zeit alles unterdrückt, was nicht in die beiden offiziellen Modell-Geschlechter paßte. Das hatte natürlich einen gewissen Auslese-Effekt zur Folge, so daß solche Abweichungen von den offiziellen Normen heute bei uns vielleicht seltener auftreten.

"Mein Fazit: Nicht Vermischungen der Geschlechter sind pathologisch, sondern der (Un)Sinngehalt des Wortes Geschlecht."

Das hängt davon ab, wie man das Wort "Geschlecht" definiert. Wenn man eben davon ausgeht, daß jeder Mensch 100%ig alle Eigenschaften seines offiziellen Geschlechtes haben muß, ist das natürlich Unsinn. Wenn man aber einen bestimmten Spielraum läßt, dann wird das schon weniger unsinnig.

"Nein, dafür sorgten die Mächtigen dieser Welt, mit Feuer und Schwert."

Auch, aber ich habe doch das Gefühl, daß Menschen sehr bereitwillig alles als Norm übernehmen, was ihnen eben als "normal" präsentiert wird. Kinder beispielsweise orientieren sich in den ersten Lebensjahren instinktiv an ihren Eltern und ahmen sie nach. Das tun sie auch dann, wenn ihre Eltern das nicht von ihnen fordern oder sie gar dazu zwingen.

Im Tierreich sieht man das auch. Wenn man Jungtiere von einem Tier einer anderen Art aufziehen läßt, ahmen sie ebenfalls das Verhalten dieses Tieres nach.

"Wie oben schon gesagt, hängt das IMO eher davon ab, wie weit man seine "primitiven Neigungen" ZULÄSST. Oder intelligent genug ist, die kulturelle Prägung eigenständig zu überdenken."

Ja, das sehe ich genauso. Das ändert aber nichts daran, daß die primitiven Neigungen immer da sind.

"Meine Erfahrungen sind, dass man, sobald man eine Opferhaltung verinnerlicht hat, man auch als Opfer "benutzt" wird. DAS ist der wichtigste Punkt. Gewisse Äußerlichkeiten mögen mehr reizen und den Versuch ob Du ein Opfer bist eher provozieren, als der vor Unscheinbarkeit fast unsichtbare. Aber den letzten Ausschlag gibt die Opferhaltung. Ist diese einmal installiert, wird es schwierig sie abzustreifen."

Ja, das ist sicher auch ein Punkt. Und gerade bei diesem Jungen traf das auch wirklich zu. Er hat z.B. irgendwann auf einmal damit angefangen, Briefe mit Gedichten an Mädchen aus der Klasse zu verschicken. Die haben sich darüber amüsiert, einige haben die Briefe mit zur Schule gebracht und sie in den Pausen laut vor der ganzen Klasse vorgelesen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er das nicht einkalkuliert hat. Ich glaube wirklich, daß er genau so eine Reaktion erwartet hat. Vielleicht hat er insgeheim doch gehofft, daß eines der Mädels vielleicht doch positiv reagiert. Aber ich glaube, er hat das auch deshalb gemacht, um sich selbst und anderen zu demonstrieren, daß er ja sowieso immer der Gearschte ist. Eben um seine Opferhaltung zu pflegen.

Aber ich habe auch Fälle erlebt, wo die Betroffenen gar nicht so erpicht auf die Opferhaltung waren. Wo es einfach nur so war, daß sie sich schlecht zur Wehr setzen konnten und gerade deshalb immer auf ihnen herumgetrampelt wurde. Manche Leute brauchen eben ab und zu einen Fußabtreter, um irgendwelchen Frust abzureagieren oder um ihr Ego zu stärken. Und dazu wählen sie sich bevorzugt Opfer, die ihnen eher unsympathisch sind und die sich schlecht wehren können. Ob diese Opfer auch Opfer sein möchten, interessiert dabei nicht.

Freundliche Grüße
von Garfield


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