Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Mildes Kopfschütteln

susu, Wednesday, 12.03.2003, 02:51 (vor 7736 Tagen) @ Rüdiger

Als Antwort auf: Mildes Kopfschütteln von Rüdiger am 09. März 2003 18:17:13:

Hallo Rüdiger.

Ja, allerdings. Auch wenn die Geschlechterrollenklischees zweifellos etwas Antiquiertes, Lächerliches und den einzelnen Einengendes haben, so kann ich doch nur den Kopf schütteln über die These, das "Geschlecht" (Sex oder Gender?) sei ein "soziales Konstrukt".

Sex ist etwas, daß auf gender reduziert werden kann, oder besser ohne gender gäbe es nicht die Beschreibung von Sex, die wir jetzt haben.

Dabei bin ich selber gelegentlich Hobby-TV, aber in meinen "weiblichen Phantasien" suche ich - wie die meisten TVs - ja gerade das Gegenbild zur "harten Männlichkeit", nämlich verschmust-anschmiegsame Weiblichkeit, und ein Gegenbild kann es nur dort geben, wo es ein "Urbild" gibt, sozusagen ;-)

Hier mal ein Satz von Butler, der nicht mit Wortungetümen vollgepfropft ist: "TV ist nicht die Kopie eines Originals, sondern die Kopie einer Kopie". Es gibt kein Original, gender ist immer eine Form von drag.

Ich glaub auch nicht, daß man "Sex" und "Gender" so einfach voneinander loslösen kann, und diese Debatten über Begriffe wie "queer" oder "ISCHLBHSL" - oder war's "ERLKHJUKRQQ"? - lösen bei mir nur einen Fluchtreflex und den Wunsch aus, nie mehr in Kreisen verkehren zu müssen, die anscheinend keine anderen Sorgen zu haben scheinen als diese ....

Oh, wir haben genug andere Sorgen. Ganz genau machen das nur Leute, die nicht ein Teil davon sind... Wir sagen einfach irgendwas...

Meinst Du jetzt "Gender" oder "Sex"? Also bei den biologischen Geschlechtern dürfte doch wohl klar sein, daß es sie gibt, auch wenn es gelegentlich Zwitterwesen gibt.

Es gibt Eigenschaften von Menschen, aber die Frage, wozu die Abstraktion "sex" nutzt ist schwer zu beantworten. Je mehr Eigenschaften darunter zusammengefasst werden, um so weniger Menschen werden überhaupt noch erfasst (bei der in der Medizin gebräuchlichen Definition fallen ca. 40% der Menschen durch das Raster), je weniger Eigenschaften es sind, desto Nutzloser wird die Abstraktion.

Nö, der Kampf kommt dadurch zustande, daß mal die Menschen eines Geschlechts (biologisch) benachteiligt werden, mal die des anderen. Bist du mit xy-Chromosomen geboren, mußt du zum Bund, egal wie du deine Männlichkeit definierst.

Es gibt auch Menschen mit XY-Chromosomensatz, bei denen in der Geburtsurkunde ein "weiblich" steht. Die werden auch nicht gezogen. Dafür die mit XX-Chromosomensatz, bei denen ein "männlich" steht. Und das das Wort, daß da ein Arzt einträgt eine soziale Konstruktion ist, versteht sich von selbst. Und "passing" TS treffen suf die Benachteiligungen des Geschlechts, als das sie gelesen werden und das hat nichts mit den Chromosomen zu tun.

Wieso Illusion? Es GIBT doch nun mal xx- und xy-Träger, das ist doch nicht wegzudiskutieren,

Es gibt noch XXY, 0X, XYY, XXYY, XXXY (0Y ist nicht lebensfähig). Und sogenannte Mosaics, bei denen verschiedene Körperteile verschiedene Chromosomensätze besitzen (passiert wenn zweieiige Zwillingsföten im Frühstadium verschmelzen, bei späteren Stadien führt das zu Siamesischen Zwillingen).

und NUR xx-Träger können Kinder gebären - eine Tatsache, die mannigfaltige Konsequenzen nach sich zieht bis hin zu Karrierefragen etc..

Nö, mitlerweile kann (fast) jeder Mensch Kinder gebären, allerdings muß er dafür u.U. in ein Land reisen, in dem Eizellenspenden erlaubt sind.

Ob die Konsequenzen dieser biologisch bedingten Geschlechterrolle so gewaltig sein müssen wie früher, ob sie überhaupt in der Art sein müssen, wie wir es gewohnt sind, darüber läßt sich streiten, aber sie zu leugnen ist m. E. kein geeigneter Ausgangspunkt für eine Debatte. Denn eine Debatte, die auf falschen Prämissen beruht, kann nichts Gescheites hervorbringen.

Die Frage ist: Woher kennen wir die Prämissen so genau. Und da liegt der Haase im Pfeffer - Wir wissen wenig, doch was wir wissen entspricht nicht den Vorstellungen, auf denen die Geschlechterdebatte bislang geführt worden ist. Also brauchen wir neue Prämissen, denn die alten haben sich mitlerweile als falsch herausgestellt.

"Männlichkeit" eine Illusion? Dann schau mal nach unten, oder laß einen Gentest machen ...

Was, wenn da verschieden Sachen bei herauskommen? Und wenn ich nach unten gucke, dann sehe ich meine Füße. Die haben glaub ich alle *g*. Aber mal im Ernst, was hinder mich daran, das, was ich da sehe z.B. als erregierfähige Vagina zu beschreiben? Oder sonstwie aufzufassen, z.B. ganz neutral als "ein sexuell empfindsammes Organ"? Wenn wir über sex reden, reden wir in der Sprache von gender.

Bist du aber, ob du's willst oder nicht.

Nein. Ich bin das nicht. Ich werde von dir so gelesen, aber daß ist deine Sache.

Wenn Du mit "männlich" oder "weiblich" die Biologie meinst, wäre das auch höchst albern. Dann sind es tatsächlich Axiome, empirisch belegbar.

Nein. Eine empirische Wissenschaft hat keine Axiome, sondern nur Theorien, die beim Auftritt einer Ausnahme ihre gültigkeit verlieren. Die Ausnahmen gibt es (nicht nur bei gender, sondern auch bei sex) und damit ist eine Theorie, die besagt, daß es genau zwei biologische Geschlechter gäbe falsifiziert.

Also daß da irgendeine Plankommission sitzt wie im Ostblock und in der xten Sitzung sagt: "So, heute wollen wir mal das neue Männlichkeitsanforderungsprofil erstellen, dem sich jeder Mann in den nächsten 10 Jahren zu unterwerfen hat", das kann ich nun doch nicht glauben. Solche Konzepte entwickeln sich unausgesprochen weiter, ähnlich wie die menschliche Sprache. Ein Geflecht ineinandergreifender Vorstellungen, an denen ständig umgebaut oder weitergewebt wird, ohne daß eine zentrale Instanz das koordiniert.

Stimmt. Und genau deswegen können queer-politics etwas bewegen. Oder bist du der Meinung, daß z.B. dein Verlag keinen Einfluß darauf hat, wie es um die Akzeptanz und vor allem die Sichtbarkeit von SM in der Gesellschaft bestellt ist?

Als SMer z. B. ist es mir relativ schnuppe, was die Stino-Öffentlichkeit über meine Leidenschaften denkt, SO LANGE das nicht dazu führt, daß mir und meinem Verlag Gesetzes-Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Mein Verlag und meine Art zu leben ist mir dann doch so viel wert, daß ich in einem solchen Falle an Kampagnen teilnähme, die Otto N. und den Politikern klarmachen, daß wir SMer doch gar nicht so schlimm sind ;-). Denn wie gesagt, wir leben nicht allein auf dieser Welt ....

Ist es dir egal, das Sadomasochismus (mit einer Definition, die du wahrscheinlich ebenso lachhaft findest, wie ich die von Geschlechtsidentitätsstörung) als psychische Erkrankung gilt? Es ist dir nicht egal. Jetzt kommt aber jemand und sagt: SM hat nichts mit Sexualität zu tun, weil nicht-reproduktiv und die Reproduktion ist die biologische Grundlage für Sexualität. Also hat SM nichts mit Sex zu tun. Da haust du dir auch vor den Kopf. Das ist aber eine der Prämissen mit der über SM diskutiert wird.

Ganz ohne Regeln funktioniert nun mal keine Gesellschaft....

Sollen wir darüber mal abstimmen wen sie zuerst verbieten (oder einliefern)? Die SMler oder die Trans*? Klar ist es gut, daß es bestimmte Regeln gibt (z.B. finde ich es nicht schlecht, daß Mord verboten ist), aber völlig sinnlose Einschnitte in die Freiheit von Individuen? Das ist blödsinnig.

susu


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