Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Verstiegen ....

susu, Thursday, 20.03.2003, 20:58 (vor 7728 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von Garfield am 20. März 2003 16:19:03:

Hallo Garfield,

Auch in der Wissenschaft ist es allgemein üblich, komplexe Zusammenhänge in vereinfachten Modellen darzustellen. So gibt es beispielsweise keinen wirklichen Atomkern, genauso wenig wie es eine wirkliche Atomhülle gibt. Trotzdem werden diese Begriffe allgemein verwendet, weil man sich den Sachverhalt dann vereinfacht bildlich vorstellen kann.

Stimmt. Der Ursprüngliche Text, auf dem diese Debatte fußt war so ein Versuch eines vereinfachten Modelles der Art und Weise wie Geschlecht "gemacht" wird. Ein Atommodell ist genauso sozial konstruiert, wie Geschlecht, d.h. es ist eine Abstaktion, die approximativ die Realität beschreiben soll. Die Frage ist, wie Sinnvoll diese Abstatktion in einem Bestimmten Kontext ist.

Wenn man vom männlichen und vom weiblichen Geschlecht spricht, hat das letztendlich auch nur Modellcharakter. DEN typischen Mann und DIE typische Frau wird man real kaum finden. Dennoch kann man die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung trotz mehr oder weniger großer Abweichungen von der jeweiligen Norm einem dieser beiden "Modellgeschlechter" zuordnen.

Stimmt. Aber aus der Tatsache, daß die überwiegende Mehrheit entweder blau oder brauen Augen hat, ergibt sich noch nicht, daß es nur zwei Augenfarben gibt...

Ich bin mir nicht so sicher, worum es dir eigentlich konkret geht. Es gäbe zwei Möglichkeiten, um die von dir immer wieder angesprochene Problematik mit den Geschlechtern zu lösen:
Erstens könnte man die Anzahl der Geschlechter erweitern. Aber wo soll das enden? Zunächst einmal könnte man ein drittes Geschlecht einführen, dem alle Menschen zugeordnet werden, die man den beiden jetzt allgemein anerkannten Geschlechtern nicht einigermaßen eindeutig zuordnen kann. Das wird manchen Menschen aber dann auch bald nicht mehr reichen. Menschen, die z.B. körperlich Männer sind, sich psychisch aber als Frauen fühlen, könnten die Einführung eines eigenen Geschlechtes verlangen, oder auch Menschen, deren Chromosomen irgendwie von der Norm abweichen... Ehe wir uns versehen, haben wir dann auf einmal mindestens 32 (und irgendwann womöglich mal 10 Milliarden) Geschlechter, die sich noch nicht einmal bei der Geburt festlegen lassen. Man müßte einem Menschen bei der Geburt erst einmal ein zeitweiliges Geschlecht verpassen, das dann später nach aufwändigen körperlichen und psychologischen Untersuchungen endgültig festgelegt werden müßte... Das würde einen Riesen-Aufwand mit sich bringen. Und wofür?

Stimmt... Wofür?

Da wäre die zweite Möglichkeit schon wesentlich einfacher: Wir schaffen den Geschlechtsbegriff einfach ab. Administrativ wäre das wahrscheinlich kaum ein Problem. Aber ansonsten fallen mir da ad hoc doch einige Probleme ein:
Konsequenterweise dürfte man dann ja öffentliche Toiletten, Umkleideräume oder Duschen nicht mehr nach Geschlecht trennen. Und damit hätten viele Menschen aber definitiv ein Problem.

Das wäre die Möglichkeit, für die ich plädieren würde, nur, daß das eher ein kultureller Wandel sein müßte. Es gibt schon Lokale, in denen die Klos mit "butch enough?" und "femme enough?" beschriftet sind. Administativ wäre es vor allem wichtig die bestehenden Zwänge zu lösen.

Und vor allem müßte man die Menschen dahingehend beeinflussen, sich nicht mehr als Frauen oder Männer zu sehen. Das wäre dabei wohl das größte Problem, denn das wollen wirklich nur vergleichsweise wenige.

Dieses "sich als Mann/Frau sehen" ist m.E. anerzogen. Menschen lernen andere Menschen zu "lesen" und tun dies auch mit sich selbst. Geschlecht ist ein Verb.

Wie man's auch dreht und wendet - der Anschiß lauert überall und recht kann man's eh nicht allen machen. Die Beibehaltung der zwei "Modell-Geschlechter" scheint mir jedenfalls das kleinste Übel zu sein.

Kommt sehr auf den Standpunkt an. Ohne das Postulat der Zweigeschlechtlichkeit könnten wir uns wahrscheinlich die ganze Gender-Thamatik schenken, da hängt ALLES mit dran, was wir hier diskutiert haben und diskutieren, von der Sorge, über die Wehrpflicht bis hin zur häuslichen Gewalt.

Grüße
susu


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