Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung

susu, Monday, 17.03.2003, 21:28 (vor 7731 Tagen) @ Daddeldu

Als Antwort auf: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung von Daddeldu am 15. März 2003 23:22:39:

Hallo Daddeldu

Ersteres ist richtig, aber die Ausnahmen sind eben extrem selten. Letzteres glaube ich nicht und bitte Dich daher um nähere Ausführung, oder, wenn möglich, Angabe einer Quelle.

Die primären Geschlechtsmerkmale, die die Medizin betrachtet sind Gonaden, die primären äußeren Reproduktionsorgane, die Geschlechts-Chromosomen und der Hormonspiegel. Beim Hormonspiegel liegt die Mehrheit der Außnahmen.

Auch dies glaube ich nicht. Ich habe dazu auch gleich ein Arzt-Wesen (das ich und es selbst Ärztin nennen würden) befragt, welches mit dieser Behauptung nichts anfangen konnte. Es riet mir, mich mal bei Dir nach näheren Ausführungen und am besten einer Quelle für diese Behauptung zu erkundigen, was ich hiermit mache: Könntest Du bitte diese medizinische Definition, nach der 40 % der Menschen durch das Raster fallen, posten, und am besten noch eine Quelle angeben?

S.o. Ich habe dazu eine Quelle, allerdings nicht hier, sondern in meiner anderen Wohnung. Ich werde sie nächsten Montag posten.

Das nennt man dann Fehldiagnose und ärztlichen Kunstfehler. Der XX-Chrom ist weiblich, egal was da steht, der XY-Chrom ist männlich. Nach der maßgebenden medizinisch-biologischen Einteilung.

Das nennt mensch u.a. Transidentität, oder auch Androgenresistenz, oder, oder oder. Die Biologie kennt da diverse Einteilungen, ebenso das Recht (s.u.)

Ich denke, dass man hier weder von Axiomen noch von Theorien sprechen kann, sondern von Beschreibung, Einteilung und Benennung. Wer das Leben auf diesem Planeten erforscht, wird beobachten, dass fast alle Tierarten sich innerhalb der Art noch einmal in zwei unterschiedliche Untergruppen einteilen lassen und dass diese Einteilung etwas mit der Fortpflanzung zu tun hat: Trennt man die beiden Untergruppen, findet Fortpflanzung nicht mehr statt, es ist dafür je ein Tier der beiden Untergruppen nötig. Die Biologie hat für die Einteilung die Benennung „Geschlecht“ und für die Gruppen „weiblich“ und „männlich“ eingeführt. Das Phänomen ist da, ob man es beobachtet oder nicht, ob man die Einteilung vornimmt oder nicht, ob man Benennungen einführt oder nicht, ob man es „männlich und weiblich“ oder „Hurz und Blopp“ nennt. Eine solche Einteilung macht auch dann Sinn, wenn es einige Ausnahmen bzw. Grenzfälle gibt. Die Basis für die Biologie ist die Beschreibung der vorgefundenen Fakten.

Diese Beschreibung macht in Teilbereichen der Biologie Sinn, aber so wie du diese Definition vornimmst, gibt es eine ganze Menge Ausnahmen... Unfruchtbare Tiere, kannst du in beide Gruppen stellen, ohne das eine Fortpflanzung möglich ist, sie sind bei dieser Definition sowohl männlich als auch weiblich. Das gleiche gilt für Tiere, die obwohl dazu organisch fähig sich nicht an reproduktiven Prozessen beteiligen (z.B. homosexuell lebende, oder non-reprodktive Heterosexualitäten lebende). Dazu kommen Arten, die mehr als zwei Geschlechter haben (Eine Fischart hat 5), Arten, die im Laufe ihres Lebens je nach Alter Eizellen oder Samen produzieren und Arten, bei denen jedes Individuum mit jedem anderen Fortpflanzungsfähig ist (z.B. Schnecken). (Quelle u.a. "Natural Exhuberance" - Bruce Baghemil [Autor aus dem Gedächtnis benannt...])

>2. Die Biologie bestimmt bei diesen nach verschiedenen Methoden das Geschlecht und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen<<

Das bezweifle ich. Ich denke, sie kommt mit verschiedenen Methoden der Diagnose zu fast immer den gleichen – oder besser: übereinstimmenden – Ergebnissen.[/i]

Nein. Ein Beispiel sind die zwei Geschlechtsdefinitionen der Genetik. Eine bezeichnet die Individuen als männlich, die das Geschlechtsbestimmende Chromosom tragen, andere die als weiblich, die die mitochondriale DNA vererben. Z.B. bei Vögeln sind diese Definitionen wiedersprüchlich, weil bei allen Arten, sowohl das Geschlechtsbestimmende Chromosom als auch die Mitochondriale DNA von einem Individuum stammt.

>(Mann in einer Arbeit eines Genetikers ist anders definiert als in der eines Evolutionsbiologen, eines Anatomen oder eines Endokrinologen, daher sprechen Mediziner von verschiedenen Geschlechtern, etwa dem hormonellen, dem gonodalen oder dem genetischen,<<

Das tun die tatsächlich, das ist aber nur eine schlampige Ausdrucksweise für „auf unterschiedlichem Wege diagnostiziertes Geschlecht“[/i]

Nein. Denn dazu müsten diese Ergebnisse tatsächlich kongruent sein, aber zumindest beim hormonellen Geschlecht fallen sehr viele Menschen aus dem Raster.

Mit gutem Grund, denn die unterschiedlichen Diagnosemethoden dürften fast immer zur gleichen Diagnose führen.

Wenn "fast immer" gleich "in 60% der Fälle" ist, dann stimmt das.

Der Jurist spricht davon, dass sich Tatsachen (oder ein Sachverhalt) unter bestimmte Tatbestandsmerkmale subsumieren lässt, und wenn der Tatbestand erfüllt ist, hat dies die rechtlich normierte Rechtsfolge. Die Tatbestände, die an das Geschlecht anknüpfen, sind sinnvoll (allerdings nicht zwingend gerecht, siehe Wehrpflicht), denn in der Lebenswirklichkeit findet man hauptsächlich Menschen, bei welchen sich ein Geschlecht eindeutig diagnostizieren lässt. Medizinisch diagnostiziert, nicht sozial konstruiert.

Fast richtig, aber ob ich ein uneindeutiges hormonelles Geschlecht, oder eine endokrinologische Abberation sehe, hängt vom Betrachter ab und diese Sichtweise ist es, was sozial konstruiert wird.

Damit ist dann aber nur das WORT Penis sozial konstruiert, nicht der Penis selbst. Das heißt die Dinge verändern sich eben NICHT, je nach dem, wie Du sie liest. Oder, um von jener offenkundig das Denken verwirrenden Soziologensprache weg und zur klareren wissenschaftlichen Sprache hin zu kommen: die Dinge verändern sich eben NICHT, je nach dem, wie Du sie beschreibst.

Was sich ändert ist die Bedeutung (!) die die Dinge Tragen. Das Wort Penis enthält mehr, als pure Deskription, nämlich Information über den legitimen Einsatz diese Körperteils, bestimmte mit dem Begriff verknüpfte Idealvorstellungen usw. Gleichzeitig enthält er auch weniger als wirkliche Deskription, denn das Wort "Penis" gibt mir wenig Information über die Beschaffenheit meines Unterleibs. Dafür ist die von diesem Begriff umfasste Menge an Dingen zu groß. Nach mehreren Krebsbedingten OPs an seinem Glied nannte Herr L. aus dem Altenehim in dem ich arbeite, seinen nur noch "den Rest, den mir der Doktor noch gelassen hat". Trotzdem würde der Mediziner nicht zögern, diesen Rest noch als Penis zu bezeichnen. Um mal was zu "klarer Wissenschaftlicher Sprache" zu sagen: Es gibt verschiedene Abstraktionslevels, auf denen ich einen Sachverhalt betrachten kann, es geht darum, den im Kontext angemessenen zu finden, um eine Frage zu beantworten (Auf Quantenphysikalischer Ebene sind Mann und Frau weder voneinander, noch von einem Tisch oder Stuhl zu unterscheiden, es gelten exakt dieselben Regeln. Das hat aber keine Relevanz hier). Das ist hier keineswegs verworrenes Soziologensprech, sondern die Grundlage moderner Wissenschaft. Es geht darum, daß die für Populationen z.T. sinnvolle Abstraktion "binäres Geschlecht" für Individuen unsinnig ist. Mit klassischer Mechanik kann ich große Konglomerationen von Teilchen beschreiben, nicht aber einzelne Teilchen. Eine chemische Betrachtung einer Reaktion zweier Stoffe trifft keine Aussage über jedes einzelne Molekül, nur über statistische Verteilungen etc. In jedem Kontext gibte es andere sinnige Abstraktionen und ich habe keinen blassen Schimmer, in welchen Kontext es relevant ist, wie ich meine Hüftregion zu bennenen wünsche (mit Ausnahme von Sexualität, aber da haben eigentlich nur die Menschen mitzureden, mit denen ich Sex habe).

susu


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