Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Wednesday, 05.03.2003, 14:29 (vor 7743 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von susu am 04. März 2003 21:13:35:

Hi Susu,

Ich warte erst einmal die Ergebnisse der Diskussion ab und überarbeite den Text dann. Ich kann mir vorstellen ihn dem Männerrat zuzuschicken, vieleicht stelle ich den Text auch noch auf eine eigenen Seite, wenn Interesse besteht kann er dann von anderen verlinkt werden (eventuell mit näheren Betrachtungen zu weiteren Themen als seperate Texte).

Ja, das wäre doch eine gute Idee. Auf diese Art könnte er den unterschiedlichsten Gruppierungen zur Verfügung stehen: Transgendern, Feministinnen, Männerrechtlern usw.

Die essentialistische Prägung hat u.a. die Ablehnung von Transgender und Sm zu Folge, über die wir im "Genderqueere Sprachkritik"-Thread geredet haben. Auch Biologismen, wie sie bei Solanas vorkommen, sind aus diesem Ansatz erwachsen. Und nicht unerwähnt bleiben darf natürlich die Wissenschaftskritik Iragarays, die im Ernst erklärte, die Mathematik müsse abgeschafft werden, weil Frauen wegen der Menstruation die 0 nicht verstehen könnten, außerdem sei Gravitation ein Synonym für Vergewaltigung, weil die Schwerkraft Vergewaltigungsopfer daran hindere zu entkommen. Es ist erstaunlich, daß das noch als Feminismus deklariert bekommt.

Das wundert mich auch. Entsprechende andere Beispiele habe ich ja in "Sind Frauen bessere Menschen?" zusammengestellt: zum Beispiel wenn das Ersetzen des ptolemäischen Weltbildes (die Sonne dreht sich um die Erde) durch das kopernikanische (die Erde dreht sich um die Sonne) von manchen Feministinnen als Bezwingung des femininen durch das maskuline Denken kritisiert wird. So als ob es frauenfreundlicher wäre, die Sonne sich weiterhin um die Erde drehen zu lassen. Sehr seltsam. --- Kennst du von Iragaray mehr als ihre Wissenschaftskritik? Wenn ja: Wie bewertest du sie denn insgesamt? Ich habe sie selber im Original nicht gelesen und weiß nur, dass sie sich an Lacan orientiert hat (er war wohl auch ihr Mentor) und zu den Dekonstruktionisten zählt. Und dass sie als Essentialistin kritisiert wurde, die eine zu enge Beziehung zwischen dem Körper und dem "wahren Selbst" geknüpft habe. Möglicherweise bist du auch deshalb nicht gerade ein Fan von ihr?

Der Vorwurf kommt eher aus der einen Ecke, zumindest fanden sämtliche Butlerianerinnen in meinem Umfeld dein Buch ziemlich gut.

Das ist interessant. Mir ist ja auch schon aufgefallen, dass manchen Feministinnen (und nicht-feministischen emanzipierten Frauen) mein Buch sehr gefallen hat, während andere noch ein Jahr nach der Lektüre toben und vor allem mit persönlichen Angriffen reagieren. Bisher hatte ich da für mich den Unterschied zwischen akademischen und nicht-akademischen Feministinnen gezogen. Frauen, die sich akademisch tiefgehend mit der Geschlechterdebatte beschäftigt hatten, fanden mein Buch eher gut, während Frauen (und Männer), die in dieser Hinsicht keine Vorgeschichte hatten, mein Buch eher als "unwissenschaftlich" ablehnten. Bezeichnenderweise hatte ja auch die "Emma", die von akademischen Feministinnen als "zu trivial" kritisiert wird, "Sind Frauen bessere Menschen?" verrissen und in einem Artikel versucht, ausgerechnet mich als Vertreter der anti-emanzipatorischen Männer hinzustellen. Wobei die Redakteurin nicht mal den Titel meines Buches richtig zitieren konnte, also vielleicht die 600 Seiten erst recht nur kursorisch gelesen hat. (Ich mach´s meinen Lesern ja auch nicht gerade leicht, zugegeben ... :-) Deine Unterscheidung "EssentialistInnen" vs. "ButlerianerInnen" könnte aber mehr Sinn machen. Muss ich mal drüber nachdenken.

Was daran liegen dürfte, daß diese theoretische Richtung schon mit "den Frauen" nichts mehr anfangen kann und eben auch keinen Sinn darin sieht, über "die Männer" zu reden.

Ja, klar, das erwähne ich ja auch in meinem Buch: Ob es nicht sinnvoller wäre statt von "dem Mann" von "Mann (1)", "Mann (2)" usw. zu sprechen (und analog natürlich bei Frauen). Damit könnte man ein wenig dieser sprachlichen Hypnose entgegenwirken, die dazu führt, dass manche nur ein Kollektiv Mann bzw. ein Kollektiv Frau wahrnehmen. Allerdings ist so eine Sprachregelung in der Praxis wohl noch schwerer umzusetzen als "das Autori". ;-)

Das sehe ich ähnlich. Es gibt ja jetzt schon einige Ansätze, die hoffentlich Früchte tragen werden. Ich würde mich Freuen, wenn es bald ein deutsches G-PAC geben würde, also eine Organisation, die die relevanten Gruppen an einen Tisch bringt (die National Conference on Gender wird von NOW, diversen Männerrechtsorganisationen, den Lesbian Avengers, einigen allgemeinen Queer-Gruppen, Transsexual Menace und den Hermaphrodites with attitude mitgetragen, alle stellen Redner im Rahmen des Gesammtprograms).

Meine Unterstützung hätte so ein deutsches G-PAC jedenfalls. Weißt du, wie reibungsfrei der Meinungsaustausch in dieser Organisation funktioniert? Nach allem, was ich bisher so über die NOW gehört habe, erscheint sie mir eher fundamentalistisch ausgerichtet (wobei da jede regionale Gruppe ihren eigenen Stil haben mag).

Opfer sind eben Opfer und es geht nicht darum in eine "Opferrolle" zu verfallen, denn der Opferstatus ist ja nicht frei gewählt. Besonders perfide ist da die Position von 4: "Zur Hölle mit den Jammermaskus - Ich bin ein richtiger Mann!" Frei nach dem Motto: Männer die Opfer werden, haben sich nur nicht richtig gewehrt.

Definitiv Z!

Es gibt ja einige biologische Geschlechtsdefinitionen. Und bei keiner gibt es nur zwei Möglichkeiten, wobei die Zahl derer, die aus dem Schema Mann/Frau herrausfallen variiert. D.h. viele Erkenntnisse haben geringen Aussagewert. Ich erinnere mich noch an die Geschichte mit den geistigen Behinderungen bei Männern, die auf das einzelne X-Chromosom zurückgeführt wurden. Nur gibt es eben auch XXY-Männer und X0-Frauen, bei denen jeweils die Erklärung für das andere Geschlecht greift. Insofern sind auch Biologen oft oberflächlich, wenn es um Geschlecht geht und die populäre Berichterstattung dann um so mehr.

Nicht nur für mich, sondern vielleicht auch für andere Leser: Gibt es eigentlich ein deutsches Einstiegs-Buch, das du zum Thema Transgender empfehlen kannst? Also jetzt vielleicht nicht ganz so trivial wie "Mann oder Frau - Wenn die Grenzen fließend werden", aber auch nicht auf der Ebene abstraktester genderphilosophischer Diskussionen? Einen einigermaßen tiefgehenden, informativen Einführungsband eben?

Wobei unter (c) auch einige sind, die das sachliche Gespräch unterbinden wollen, weil sie kein Interesse daran haben, daß der Kleinkrieg zwischen Positionen, die sich sehr ähneln aufhören könnte und plötzlich eine Zusammenarbeit zwischen FrauenrechtlerInnen und MännerrechtlerInnen entsteht, die sich gegen bestehende Verhältnisse richtet.

Du meinst, dass es Leute gibt, die diesen Kleinkrieg bewusst schüren, damit die bestehenden Verhältnisse bestehen bleiben? Okay, ich habe ja auch schon über eher konservative Strömungen geschrieben, die den Konflikt zwischen Männern und Frauen anheizen, damit die sozusagen miteinander beschäftigt sind, statt sich zu verbünden, die Gesellschaft zu verändern und diesen Konservativen so einen Teil ihrer Macht zu nehmen. Sprichst du davon, oder meinst du etwas anderes? Ich überlege gerade, ob es von anderen politischen Strömungen ähnliche Versuche des Aufspaltens gibt.

Herzlicher Gruß

Arne


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