Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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@Susu, @Alex

Garfield, Friday, 21.03.2003, 10:35 (vor 7727 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von Alex am 20. März 2003 18:07:18:

Hallo Susu + Alex!

Ihr sprecht euch also beide für die Abschaffung des Geschlechtsbegriffes aus. Das halte ich allerdings nicht für realisierbar. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Menschen sich nur durch ihre Erziehung einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen, ist es doch trotzdem so, daß die überwiegende Mehrheit der Menschen einfach nichts daran ändern möchte. Und so eine Masse kriegt man nicht einfach von Null auf Jetzt bewegt.

Außerdem glaube ich nicht, daß ein Mensch sich nur durch Erziehung einem Geschlecht zugehörig fühlt. Mit Susu hab ich das im damals noch existierenden Forum der "Feministischen Partei" vor einiger Zeit schon mal ausführlich diskutiert, was dann - soweit ich mich erinnere - leider durch eine Löschorgie der werten "Mitfrauen" unterbrochen wurde. Gerade die Menschen, die im falschen Körper geboren wurden, sind doch der beste Beweis dafür, daß sich das "Geschlechtsbewußtsein" keineswegs nur durch Erziehung herausbildet. Die werden ja üblicherweise auch immer noch ihrem körperlichen Geschlecht entsprechend erzogen, und trotzdem fühlen sie sich irgendwann dem anderen Geschlecht zugehörig. Auch diesen Menschen scheint die Festlegung ihres Geschlechts durchaus wichtig zu sein, denn sonst würden sie ja nicht soviel dafür tun, um es auch äußerlich zu ändern.

Gut - man kann nun natürlich darüber diskutieren, ob sie das vielleicht nur auf Druck der Umwelt wollen. Aber auch dann bleibt die Tatsache, daß diese Menschen ihr "Geschlechtsbewußtsein" nicht durch, sondern definitiv gegen ihre Erziehung entwickelt haben. Denn bevor man darüber nachdenkt, sein Geschlecht körperlich zu ändern, muß man ja erst einmal den Wunsch dazu haben.

Aber wie dem auch sei: Eigentlich geht es gar nicht darum, ob es nun nur ein Geschlecht gibt oder 2, 3 oder auch 4000. Vielmehr geht es doch eher darum, daß eben auch Menschen, die nicht eindeutig in eines der beiden "Modellgeschlechter" passen oder sich dort nicht einordnen lassen wollen, von der Gesellschaft akzeptiert werden, was ja leider häufig immer noch nicht der Fall ist.

Und das zu ändern, ist ebenfalls eine ziemlich große Aufgabe. Denn leider ist es so, daß Menschen sich instinktiv ihre Normen nach dem bilden, was sie in ihrer Umwelt sehen und dann eben als "normal" empfinden. Und mittlerweile spielen da die Medien eine immer größere Rolle. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht, denn man kann diese Beeinflussungs-Möglichkeiten durch die modernen Medien durchaus auch positiv einsetzen.

Eigentlich gibt es ja nur eine Möglichkeit, da etwas zu bewegen: Die Problematik von Menschen, die sich einem der beiden anerkannten Geschlechter nicht zugehörig fühlen, muß häufiger öffentlich diskutiert werden. Denn je häufiger die Menschen damit konfrontiert werden, umso eher sind sie bereit, ihre Normen zu ändern.

So haben es ja beispielsweise Homosexuelle geschafft, mittlerweile zumindest weitaus mehr anerkannt zu werden als in früheren Zeiten. Aber selbst Homosexuelle stoßen auch heute immer noch auf Vorurteile oder sogar Anfeindungen. Obwohl ihre "Befreiung" doch schon vor gut 30 Jahren begonnen wurde. Da kann man sich vorstellen, wie lange es noch dauern wird, bis auch Transsexuelle oder andere Menschen, die nicht in das übliche Geschlechtermodell passen, von der Mehrheit der Bevölkerung voll akzeptiert werden...

Und dann ist da noch das Problem mit den Geschlechts-OP's z.B. an Neugeborenen. Auch das Thema hab ich schon mal mit Susu diskutiert.

Wenn mein Kind z.B. mit einem verkrüppelten Penis geboren werden würde und die Ärzte würden dazu raten, aus diesem Kind deshalb operativ ein Mädchen zu machen, dann wäre ich reichlich ratlos.

Einerseits hätte ich persönlich gar kein Problem damit, daß das Kind so bleibt wie es ist. Jede OP ist mit einem Risiko verbunden, und vor allem müßte ich damit rechnen, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.

Andererseits hätte ich sofort Horrorszenarien über seinen späteren Lebenslauf im Kopf. Gerade Kinder können körperlich und psychisch extrem grausam werden, wenn ein anderes Kind nicht dem entspricht, was sie als "normal" empfinden. Das kriegen auch schon übergewichtige Kinder zu spüren, und da kann man sich vorstellen, wie es beispielsweise einem Jungen mit einem verkrüppelten Penis ergeht, wenn er irgendwann mal zusammen mit anderen Jungen duschen muß. Oder wenn er sich zum ersten Mal vor einem Mädchen auszieht. Auch wenn ich also einer OP nicht zustimme, wäre es möglich, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.

Was man auch tut - es kann immer verkehrt sein. Da hilft dann eigentlich nur Münzenwerfen...

Freundliche Grüße
von Garfield


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