Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Thursday, 06.03.2003, 23:11 (vor 7742 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von susu am 06. März 2003 19:22:39:

Hi Susu,

dass Alex die Bücher von Alan und Barbara Pearse nicht findet, kann ich verstehen. Die beiden heißen in Wirklichkeit "Pease". :-)

Füge noch den dritten Pol Existenzialismus ein und du hast das Konzept erfasst.

Heißt das, du meinst, Alice Schwarzer sei existentialistisch? Inwiefern?

Solange sie sich auf de Beauvoir bezieht, geht das oftmals in die richtige Richtung, nur bleibt es selten dabei. An ihrem Buch "Der große Unterschied" gefiel mir der Untertitel und der Ausblick. Dazwischen gab es nicht viel, was zu diesen beiden Teilen passen würde ...

Enthusiastisches Z! Ich hab letztens mal wieder mit einer Frau telefoniert, die früher auch oft hier in Jörgs Forum gepostet hat, und sie war sehr erstaunt, was um Himmels Willen ich denn gegen Schwarzers Buch hätte. Sie (meine Telefonpartnerin) sei zwar leider erst dazu gekommen, die Einleitung und den Ausblick zu lesen, aber das sei doch wirklich wunder-wunderschön. Und wenn die Schwarzer sich schon im Titel gegen eine Trennung von Menschen in Männer und Frauen ausspreche, müssten wir beide doch eigentlich voll auf einer Linie liegen.

Nachdem ich damit fertig war, mir mit dem Hörer vor Verzweiflung die Stirn blutig zu hauen, erklärte ich meiner Gesprächspartnerin, das SEI ja gerade mein Problem mit dem Buch. Untertitel, Einleitung und Ausblick bilden das harmonischste Gesäusel von einer Utopie, in der die beiden Geschlechter quasi ununterscheidbar sind, und in allen Kapiteln mittendrin erscheint der Mann schlechthin als zurückgebliebener, unreifer Sextourist, Pornograph, Kinderschänder und was weiß ich nicht noch alles. Es ist mir völlig schleierhaft, wie Schwarzer diesen reaktionär-feministischen Dummfug in diesen friedliebend-ausgleichenden Rahmen spannen kann, ohne zu merken, dass sich das komplett miteinander beißt. Ich kann mir das nur damit erklären, dass sie ja in gewisser Weise selbst schon eine Doppel-Persönlichkeit angenommen hat, spätestens seit sie die ständigen Anfeindungen damit überwinden wollte, sich z. B. als Ratetante bei Fuchsberger und in diversen Talkshows als massengängig zu präsentieren. Seitdem tritt sie im Fernsehen charmant auf, augenzwinkernd und sagt solche Dinge wie "Die Frauen sind nicht die besseren Menschen, sie hatten nur weniger Gelegenheiten, schlimme Sachen anzurichten." Aber sobald man dann ihre Bücher oder ihre Zeitschrift liest, ist das uralte Freund-Feind-Gut-Böse-Schema zwischen den Geschlechtern wieder da. Die Männer machen Krieg und die Frauen kämpfen für den Frieden.

Wilchins schied aus, als ein Text von ihm/ihr gekürzt wurde

Apropos ihm/ihr: Wie möchtest du eigentlich, dass auf DICH Bezug genommen wird? Auch in dieser Form, also "Susu hat mich seinen/ihren Text lesen lassen"? Oder anders? Oder wurscht?

Da wir uns in allem anderen einig zu sein scheinen, möchte ich jetzt doch noch mal ein bisschen problematisieren. :-) Dazu möchte ich auf deine These von den zwei Abwertungen zurückkommen. Ich bin damit immer noch nicht ganz glücklich, weil ich immer noch glaube, dass da eine dritte Abwertung fehlt. Etwas unbeholfen und in Ermangelung eines besseren Ausdrucks möchte ich sie mal die "feministische Abwertung" nennen, obwohl es das nur so halb trifft. Meiner Einschätzung nach ist diese Abwertung eine, die zumindest einige Männer hier in den Foren so ärgert. Dabei geht es darum, dass klassische "männliche Tugenden" nicht mehr als solche erkannt, sondern umgedeutet werden: Aus Ehrgeiz wird meinetwegen Karrieresucht, aus Kampfesmut Aggression undsoweiter.

Ich finde, <a href= http://www.novo-magazin.de/45/novo4512.htm >dieser NOVO-Artikel[/link] gibt zumindest einiges von dem wieder, was für mich mit dieser dritten Abwertung verbunden ist:

--- Frauen gelten in vielen Zusammenhängen als die "besseren" Menschen, da ihnen die Fähigkeit zuerkannt wird, einfühlsamer, menschbezogener, friedlicher, moralischer und naturnäher zu denken und zu handeln. Das gilt für die Politik und den Journalismus wie für zahlreiche andere Berufe. (...) Der Vorwurf, Chauvi, Macho oder einfach "typisch männlich" zu sein, hat in dieser Situation an Gewicht gewonnen, und er kann für den Beschuldigten durchaus unangenehme Konsequenzen haben - z.B. in der Berufswelt. Wer hingegen die als feminin definierten Werte wie Einfühlsamkeit und Emotionalität verinnerlicht und gleichzeitig die brutale, engstirnige und gefühllose Männerwelt ablehnt, hat gute Chancen, beliebt zu sein, hohe Einschaltquoten zu erreichen oder auch gute Wahlergebnisse zu erzielen. (...) Mit den realen Lebenszusammenhängen von Männern und Frauen haben die hierbei verwendeten Attribute männlich und weiblich nichts mehr gemein. Das Geschlecht wird vielmehr einer wertenden und moralischen Typisierung unterworfen: Harte, zielstrebige, karrierebewusste, kühl kalkulierende Frauen gelten als ähnlich unbeliebt wie Männer, denen diese Eigenschaften zugesprochen werden. Solche Frauen werden mitunter als "falsche, von der Männerwelt manipulierte Wesen" bezeichnet. Hingegen werden sanfte, emotionale und sinnliche, sprich weibliche Männer, die freiwillig auf ihre Karriere verzichten und sich der Kindererziehung widmen, als die "neuen" und modernen Typen gefeiert. Der britische Soziologe Frank Füredi beschrieb auf einer Tagung in England die "politisch korrekte Hierarchie" wie folgt: "Feminine Frauen stehen an der Spitze. Die femininen Männer stehen noch vor den maskulinen Frauen auf dem zweiten Platz. Maskuline ‘Macho-Männer" bilden das Schlusslicht." Traditionell männliche Werte sind heute nicht mehr gefragt, denn sie gelten als Synonym für eine alte, untergehende, von Draufgängertum, Leistungswillen und Rationalität sowie gewaltsamer Unterdrückung und Raubbau an Mensch und Natur geprägte Gesellschaft. Das Gegenteil davon - Zurückhaltung, Skepsis gegenüber Rationalität und Wachstum, Besinnung auf die eigenen Grenzen, auf Emotionalität, Spiritualität und Nachhaltigkeit, auf eigene Schwächen und auf Bescheidenheit, sprich: die Werte der "modernen Welt" -; werden unter dem Schlagwort weiblich subsumiert. Die Schlussfolgerung ist klar und eindeutig: Männlich sein ist "out", weiblich sein dagegen "in". ---

Es ist zwar schön zu wissen, dass wir femininen Männer immerhin auf dem zweiten Platz stehen ;-) aber wenn ich ein Mann wäre, der die Werte traditioneller Männlichkeit verkörpert, würde ich mich heutzutage in vielem auch unfair behandelt - abgewertet - fühlen. John Wayne verkörpert heutzutage sicher nicht mehr die erwünschte hegemoniale Männlichkeit, vielleicht gilt er sogar mehr als das Sinnbild für eine reaktionäre Haltung, aber dabei wird doch übersehen, dass auch mit dieser "klassischen" Ausbildung von Männlichkeit viele positive Werte verbunden waren: Offenheit, Mut, Einstehen für seine Freunde, Tatkraft usw. Genauso wie deiner ersten Abwertung zufolge allzu "weibliche" Männer von gewissen Sanktionen betroffen sind, gilt doch heute dasselbe für allzu "männliche" Männer. Verstehst du, was ich meine?

Herzlicher Gruß

Arne


gesamter Thread:

 

powered by my little forum