Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wer ist "Wir"?

Ekki, Friday, 04.04.2008, 23:43 (vor 5884 Tagen) @ Chato

Hallo, Chato und Garfield!

Garfield:
In früheren Zeiten dienten Religionen immer auch dazu, die Menschen dazu zu bringen, sich untereinander sozial und kooperativ zu verhalten. Weil die irdische Justiz damals noch relativ unvollkommen war, mußte man sie eben durch Androhung einer unfehlbaren göttlichen Justiz ergänzen.

Chato:
Was findest du an einer vervollkommneten irdischen Justiz eigentlich so gut und erstrebenswert? Was versprichst du dir von ihr? Heute? In Zukunft? Wo siehst du ihre herrlichen Aussichten, die jede göttliche Gerechtigkeit übertrifft und sie überflüssig macht?

Welche Justiz wäre je nicht irdisch gewesen?

Der Unterschied besteht lediglich darin, ob die Menschen, die als Angehörige einer Justiz handeln, sich auf Gott berufen oder nicht.

Jahrtausendelang hat sich die Justiz auf Gott - oder Götter - berufen.

Ohne jetzt hier in die Frage einsteigen zu wollen, was es bedeutet, wenn zu verschiedenen geschichtlichen Epochen und/oder verschiedenen Weltgegenden verschiedene Rechtssysteme sich auf verschiedene Götter berufen, die von ihren Anhängern jeweils sehr Verschiedenes verlangen:

Sind Deiner Meinung nach wirklich alle Richter, die je und je im Namen des christlichen Gottes Recht sprachen, vor Irrtümern gefeit gewesen?

Chato:
Gewiß, deiner Vermutung nach existiert letztere bekanntlich nicht. Gleichwohl könnte es so sein, daß diese "unfehlbare göttliche Justiz" trotzdem existiert, oder nicht? Deine Argumentation jedenfalls setzt deren Inexistenz bereits als Prämisse voraus und kann dieselbe somit nicht aus ihr ableiten. Ein klassischer Zirkelschluß, der nur durch Empirie aufzulösen wäre. Aber diese Empirie wird eben leider abgelehnt. Eine kluge Entscheidung kann man das m.E. nicht nennen.

Empirie ist nur im Bereich des mit den fünf Sinnen Erfahrbaren möglich - und auch da relativ:

Es gibt z.B. Menschen, die eine Temperatur von +18 Grad Celsius als warm empfinden, und andere, die dieselbe Temperatur als ziemlich kalt empfinden.

Was die Existenz Gottes betrifft:

Niemand kann die Gotteserfahrung eines anderen Menschen in Abrede stellen.

Und niemand muß die Gotteserfahrung eines anderen als nachvollziehbar empfinden. Er kann statt dessen eine andere Gotteserfahrung haben - oder eben keine.

Nichts, aber auch gar nichts ist hier verifizierbar oder falsifizierbar.

Daraus leiten sich aus meiner Sicht zwei "kategorische Imperative" ab:

Erstens das absolute Toleranzgebot gegenüber jeglicher Religion: Eine persönliche Gotteserfahrung schadet niemandem und kann deshalb auch nicht Gegenstand von Kritik oder Verboten sein - ausgenommen diejenigen Fälle, in denen ein Mensch aufgrund seiner Gotteserfahrung glaubt, gegen seine Mitmenschen in aggressiver und destruktiver Weise vorgehen zu müssen.

Zweitens die strikte Beschränkung der Religion auf die Privatsphäre: Das Unterfangen, höchstpersönliche und sich jeder Vermittelbarkeit entziehende Erfahrungen für allgemeingültig zu erklären, ist bestenfalls lächerlich und überflüssig, und je nach der Art des von der jeweiligen Religion Gepredigten eben auch gefährlich.

Das erste Postulat ist in unserer Gesellschaft erfüllt.

Die Erfüllung des zweiten Postulats wäre mehr als dringend geboten.

Chato:
Die "Unfehlbarkeit" der menschlichen Justiz, die man nun statt der abgeschafften göttlichen bekommen hat (unfehlbar natürlich und bekanntlich nicht ihrer Weisheit, sondern ihrer totalitären Willkür- und Machtfülle nach), ist für mich ein ganz klarer Hinweis auf das, was verlorengeht, wenn man glaubt, der Mensch selbst könne tun, was er früher wohlweislich Gott überließ. Freilich, es stimmt schon: wie sollte er auch etwas einem überlassen, an den er nicht mehr glaubt? Kein Mensch kann tun, was er nicht kann. Das kann ich durchaus verstehen.

Garfield:[/b]
Man kann aber auch ganz ohne Religion und Glauben an Gott an positive Werte glauben und nach diesen Werten leben. Und das ist doch letztendlich das, was zählt.

Hierzu - wie überhaupt zu diesem Thema, verweise ich auf folgende zwei Postings von mir bei den Gelben:

http://www.wgvdl.com/forum/index.php?id=36568

http://www.wgvdl.com/forum/index.php?id=36621

Chato:
Eben. Das ist das, was letztlich zählt. Aber es ist halt leider nicht das, was letztlich dabei herauskommt. Wir reden hier doch die ganze Zeit über von nichts anderem, als daß dies in der Wirklichkeit eben nicht geschieht - und zwar systematisch und nicht deswegen, weil etwa Einzelne gewisse persönliche Schwierigkeiten damit hätten, an irgendwelche positiven Werte zu glauben und dann nach ihnen zu leben. Das Problem besteht doch genau darin, daß jeder, der nicht an Gott glaubt, das, was er selber meint, findet und tut, für einen "positiven Wert" hält. Was ist das gegenwärtige moralische Desaster denn anderes als die direkte Folge genau dieser Freiheit zur Gottlosigkeit - die übrigens wirklich eine ist: ich stelle sie ausdrücklich nicht in Frage.

Der Haken an der obigen Argumentation:

Du vollziehst eine Gleichsetzung zwischen dem Mangel an einem Gottesglauben und dem Verzicht auf ethische Normsetzung.

Das ist eben nicht zwingend, sehr wohl aber liegt hier ein Versäumnis der Agnostiker und Atheisten vor:

Es wäre wirklich an der Zeit, ein ethisches Normgerüst zu errichten, das aus der christlichen Ethik das Übernehmenswerte übernimmt und anderes verwirft.

Einen Denkanstoß dazu habe ich in diesem Posting gegeben:

http://www.wgvdl.com/forum/index.php?id=10839

Freilich:

Die Geschichte des "real existierenden Sozialismus", wo ausdrücklich der Versuch unternommen wurde, eine atheistisch fundierte Ethik zu schaffen, diskreditiert sämtliche zukünftigen Versuche in dieser Richtung auf das Nachhaltigste.

Beim näherem Hinsehen jedoch erweist sich, daß die Behauptung, aufgrund des grauenhaften Ergebnisses dieses Experimentes müßten alle anderen Versuche, eine nicht religiös fundierte Ethik zu schaffen, notwendigerweise ebenso enden, genauso "geistvoll" ist wie die entgegengesetzte Behauptung, weil nicht wenige Christen im Namen ihres Gottes Greuel begangen haben, sei jeder Christ automatisch ein Massenmörder.

Chato:
Ausnahmslos jeder Mensch, der sich für die höchste Instanz in der Frage von Gut und Böse hält, tut stets "das Gute" und lebt nach "seinen positiven Werten", denn sonst würde er es schließlich nicht machen. Auch die SS hat nach ihren positiven Werten gehandelt und die Feministen und Genderideologen tun es heute nicht weniger.

Noch einmal:

Keine Gesellschaft kann ohne ethische Normen und Gesetze existieren. Jeder Mensch, der "sich für die höchste Instanz in der Frage von Gut und Böse hält", wird notwendigerweise in jeder Gesellschaft scheitern.

Gleichwohl besteht Dein Einwand zu Recht, dass auch die SS nach ihren positiven Werten gehandelt hätte.

Insofern läuft die Diskussion letzten Endes auf die Frage zu, ob Gottlosigkeit unausweichlich in Menschenhaß münden müsse.

Die Bibel sagt hierzu:

"Wenn ein Mensch sagt, er liebe Gott, haßt aber seinen Nächsten, so ist er ein Lügner. Wenn er den Menschen nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?"

Sehr wahr!

Und sehr bezeichnend, dass die Bibel sich zu der Frage ausschweigt, ob das Umgekehrte möglich ist, nämlich keinen Gottesglauben zu haben und dennoch seinen Mitmenschen in freundlicher Zuwendung zu begegnen.

Garfield:
In Bezug auf die Männerbewegung ist das ganz genauso. Es spielt da einfach keine Rolle, ob jemand an Gott glaubt oder nicht.

Chato:
Das tut es auch nicht (ich meine das wirklich genau so, wie ich es sage: es spielt keine Rolle). Aber genau das ist halt leider das Problem. Der Inhalt des Rechtes auf Gottlosigkeit besteht, wie der jedes anderen Freiheitsrechtes, in der Verantwortung für die Konsequenzen seines Gebrauches. Die Männerbewegung ist die Antwort auf den Feminismus. Dieser ist die letzte Vervollkommnung des "Rechts auf Egoismus". Daß diejenigen, die es wahrnehmen, dieses Recht nicht mit anderen teilen möchten, liegt in der Natur ihres "Rechts". Wenn die Männerbewegung nun dasselbe "Recht auf Egoismus" für sich beansprucht, dann spielt das zwar keine Rolle, denn mit diesem Anspruch wird sie scheitern. Aber das spielt dann eben keine Rolle. Man versteht, was ich damit sagen möchte?

Ich glaube, Deine Argumentationslinie gut genug zu kennen, um die obige Aussage folgendemaßen zu interpretieren:

Wenn die Mitglieder der Männerbewegung keinen Gottesglauben haben, sind sie unausweichlich zum Scheitern verurteilt.

Garfield:
Und zu deiner Behauptung, daß die Männerbewegung ohne Glaube an Gott nur Zerstörung bewirken würde: Ist dir nicht bewußt, daß auch Menschen, die an einen Gott glauben, Tod und Zerstörung bringen können? Denke nur mal an die Kreuzfahrer, die Hexenfanatiker oder an die "Heiligen" Krieger des Dschihad! Viele von denen haben tatsächlich an einen Gott geglaubt bzw. glauben daran, und sie dachten und denken ernsthaft, daß dieser Gott ihre Taten billigt und sogar will. Man kann alles positiv oder negativ verwenden, auch den Glauben an einen Gott!

Chato:
Das ist zutreffend. Der Unterschied besteht darin, daß der, der gegen Gott, an den er glaubt, sündigt, gegen den sündigt, an den er glaubt. Darin liegt eine immanente Grenze, die die Tiefe seines Falles prinzipiell limitiert und für ihn selbst den Ausweg zur Heilung durch Einsicht und Umkehr bedeutet. Er müßte ja erst eigens gottlos werden, damit ihm der versperrt wäre. Wer hingegen sich selbst "negativ verwendet" und über sich nichts akzeptiert, das dies objektiv und unfehlbar beurteilt... richtet... wieder aufrichtet... hat keinen Ausweg mehr, sieht nichts ein und kann nicht mehr umkehren. Wohin denn auch? Er kann folglich nicht mehr heil werden, da er, so er es denn wollte, von denen, die alle so denken wie er, daran gehindert würde, weil sie dies nicht zulassen. Das allgemeine Recht auf ungetrübten Egoismus verhindert das schlicht und einfach - und dessen vervollkommnete Ausformung heißt: Feminismus. Das meinte ich eben damit, als ich sagte, daß der gottlose Mensch sich an sich selber ausliefert.

Also mit anderen Worten:

Nur der Glaube an eine höhere Macht bringt mich dazu, in meinem Mitmenschen eben den Mitmenschen zu sehen und ihn entsprechend zu achten. (So verstehe ich Deine Ausführungen).

Meine Antwort darauf:

Der Grundsatz "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg' auch keinem andern zu" besagt dasselbe und erweist sich auch dann als tragfähig, wenn man jeden Gottesglauben verloren hat.

Freilich gibt es pathololgische Fälle von Sadismus und Grausamkeit. Dafür hat man Strafgesetzbuch und Psychiatrie.

Chato:
Das verkehrte Prinzip der seelischen Abhängigkeit der "Männerbewegung" zeigt sich für mich nicht zuletzt auch in der Haltung vieler Männerrechtler zum christlichen Glauben. Man scheint hier übrigens weitgehend der Auffassung zu sein, mir persönlich läge irgend etwas daran, daß andere, so wie ich, an Gott glauben. Das ist mitnichten der Fall, wie ich immer wieder darlege. Man muß das bloß mal endlich zur Kenntnis nehmen. Ich hätte im Gegenteil große Einwände dagegen, wenn einer an Gott glaubte und ihn sich zuvor selber ausdächte. Es ist da viel besser für ihn, er glaubt nicht an ihn und ist Atheist.

Ob man Gottesglauben nun als "persönliche Erfahrung" oder als "Erfindung" bezeichnet - es gibt keinen Gottesbeweis mit den fünf Sinnen oder der Ratio - und das sind die einzigen Dinge, auf deren Grundlage man sich verständigen kann.

"Gemeinsame Gotteserfahrung" mag es ja vielleicht als ekstatisches Erlebnis geben.

Aber die gesamtgesellschaftliche Durchsetzung einer Religion ist immer ein Akt weltlicher Gewalt.

Chato:
Freundlicher Gruß vom
Nick

Ebenfalls freundlicher Gruß von

Ekki

--
Ich will ficken, ohne zu zeugen oder zu zahlen.
Lustschreie sind mir wichtiger als Babygeplärr.


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