Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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John Gray

Beatrix, Thursday, 27.06.2002, 03:35 (vor 8567 Tagen) @ Odin

Als Antwort auf: Gute Zusammenstellung von Odin am 24. Juni 2002 12:39:04:

Hallo Odin!

So läufts im wirklichen Leben auch tausendfach ab und tausendmal ist man schon drauf reingefallen: Frau hat keine Argumente mehr, Frau ist beleidigt, Mann hat ein schlechtes Gewissen und sieht sich genötigt, wider besseres Wissen und alle Vernunft klein beizugeben :-(
Schnutenziehen in Reinkultur

Ich hab vor Jahren mal einen Textauszug aus dem Bestseller von John Gray zitiert, der in in diesem Zusammenhang durchaus erhellend sein könnte. Zwar geht es dort um Paarbeziehungen, aber vieles läßt sich auch auf Internetdiskussionen übertragen.
Ich stell ihn hier mal rein:

"Es sind nicht die Meinungsverschiedenheiten, die verletzend wirken,
sondern die Art und Weise, wie sie ausgetragen werden. Ein
Streitgespräch muß nicht verletzend sein, es kann in Form einer
Unterhaltung geführt werden, in der Meinungsverschiedenheiten deutlich
werden. Es bleibt in einer Beziehung nicht aus, daß beide Partner
gelegentlich unterschiedlicher Meinung sind. In der Praxis fängt ein
Paar oft an, über irgendeinen Gegenstand verschiedener Meinung
zu sein. Es dauert keine fünf Minuten, und schon streiten sie sich über
die Art und Weise, wie der andere argumentiert.
Das positive Lösen einer Meinungsverschiedenheit erfordert eine
Erweiterung oder eine Ausdehnung unseres Standpunktes und die
Integration einer anderen Perspektive als unserer eigenen. Um das zu
schaffen, müssen wir das Gefühl haben, wir werden geschätzt und
respektiert. Ist unser Partner jedoch lieblos und feindselig
eingestellt, dann könnte es unserem Selbstwertgefühl schaden, zum
Zeitpunkt des Streits seine Perspektive anzunehmen.
Je näher wir jemandem stehen und je intimer wir sind, desto schwieriger
ist es, seinen Standpunkt objektiv zu sehen, ohne auf negative Gefühle
zu reagieren. Um uns davor zu schützen, daß wir uns von Feindseligkeiten
und Respektlosigkeiten anstecken lassen, schützen wir uns automatisch,
indem wir den Standpunkt des anderen ablehnen. Selbst wenn wir in der
Sache übereinstimmen, beharren wir vielleicht hartnäckig darauf, uns
weiter zu streiten.
Nicht was wir sagen, wirkt verletzend, sondern wie wir es sagen. Wenn
ein Mann sich herausgefordert fühlt, konzentriert sich gewöhnlich seine
Aufmerksamkeit völlig darauf, Recht zu behalten. Dabei vergißt er
völlig, daß er ja eigentlich freundlich und nett sein wollte.
Automatisch schwindet seine Fähigkeit, auf fürsorgliche, respektvolle
und bestätigende Weise zu kommunizieren. Er weiß dabei nicht einmal, wie
rücksichtslos er klingt, noch sieht er, daß er seine Partnerin
verletzt. In solchen Zeiten kann eine harmlose Auseinandersetzung für
eine Frau wie eine Attacke klingen, und eine Bitte wird zum Befehl.
Natürlich wird sich die Frau einer solchen lieblosen Umgangsform
widersetzen, selbst wenn sie das, was gesagt wird, unter anderen
Umständen durchaus annehmen würde. Erst verletzt der Mann, ohne es zu
merken, seine Partnerin, indem er auf rücksichtslose Weise mit ihr
redet, und dann erklärt er ihr auch noch, warum sie sich nicht ärgern
sollte. Er unterliegt dem Irrtum, daß sie den Inhalt dessen, was er
sagt, ablehnt. In Wirklichkeit ist es seine lieblose Art, die sie
verletzt. Weil er ihre Reaktion nicht versteht, versteift er sich
darauf, seinen Standpunkt zu rechtfertigen, anstatt seinen Ton zu
korrigieren.
Er hat keine Ahnung, daß er den Streit angefangen hat. Er meint, sie
streitet sich mit ihm. Er verteidigt seine Meinung, während sie sich
selbst vor seinem harten Ton verteidigt, der sie beleidigt.

Wenn ein Mann die verletzten Gefühle einer Frau nicht ernst nimmt und
sie herunterspielt, verletzt er sie noch mehr. Es ist schwer für ihn,
ihre Verletztheit zu verstehen, weil er selbst nicht so empfindlich auf
einen lieblosen, kalten Ton reagiert.
Folglich merkt er vielleicht nicht einmal, wie sehr er seine Partnerin
verletzt, und provoziert dadurch ihren Widerwillen. Auch eine Frau weiß
oft nicht, wie verletzend sie auf einen Mann wirken kann. Wenn sie sich
herausgefordert fühlt, wird ihr Ton zunehmend mißtrauisch und abweisend.
Diese Art von Zurückweisung kann einem Mann sehr wehtun, besonders
wenn er emotional beteiligt ist.
Frauen beginnen und eskalieren oft einen Streit, indem sie ihre
negativen Gefühle über das Verhalten ihres Partners äußern, und dann
ungebetene Ratschläge erteilen, was er besser machen könnte. Sie
versäumen es, ihre Botschaft mit Zeichen von Anerkennung und Zustimmung
zu versehen. Daher reagiert er mit negativen Gefühlen, und die Frau ist
völlig verwirrt. Sie merkt nicht, wie verletzend ihr Mißtrauen für ihn
ist."

Zitat Ende
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ciao
Beatrix


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