Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Logorrhoe 1. Teil

Scipio Africanus, St.Gallen, Wednesday, 20.09.2006, 15:14 (vor 7018 Tagen) @ DschinDschin

Nun ist die NPD von ihrem Auftritt her sicher ein wenig schrill, aber das
waren die Spontis der 68er-Bewegung auch. Was mich darüber hinaus wundert
ist, dass sich Herr Schirrmacher nicht an dem Abschneiden der SED(PDS),
einer totalitären Kaderpartei, stört. Schlussfolgerung: Herr Schirrmacher
muss zum Augenarzt, denn er ist auf dem linken Auge blind.

Ich selbst plädiere zwar auch dafür, dass das Wirken der 68-er mal grundsätzlich kritisch durchleuchtet wird, aber die Gleichsetzung der PDS mit der NPD halte ich für falsch. Ebenso unangemessen ist es, die SED, trotz allem Unrecht, dass sie zu verantworten hat, mit der NSDAP gleichzusetzen.

Die Wahlergebnisse der NPD am Geschlecht festzumachen, wie das Herr
Schirrmacher tut ist zudem fragwürdig. Entscheidender ist die soziale
Entkoppelung, d.h. die Menschen sind nicht mehr eingebunden in das Leben
der Gemeinschaft, des Volkes. Sie Leben quasi in einem Ghetto.

Wer nichts mehr zu verlieren hat, wer am Rand der Gesellschaft ohne Perspektive dahinvegetiert, der ist viel eher geneigt, eine radikale Partei zu wählen, welche die bestehende Ordnung aushebeln will. Das ist leicht nachvollziehbar, und es bestätigt sich immer wieder. Wer von der bestehenden Ordnung profitiert, der hat kein Interesse an einer revolutionären Umgestaltung, und wer nicht partizipieren kann, der ist viel eher geneigt, die bestehende Ordnung zu zerstören.

Der (relative) Wahlerfolg der NPD ist ein Indikator für die Krise, in welcher sich die demokratische Gesellschaft befindet. Wenn vor allem Männer die NPD wählen, dann zeigt dies, dass es vor allem Männer sind, welche aus der Gesellschaft ausgegrenzt, ohne Perspektive dahinvegetieren. Es ist tatsächlich ein Ghetto.

Und da muss ich sagen, wenn es die NPD nicht gäbe, müßte man sie erfinden. Die NPD ist eine Partei, die sich zwar am rechten Rand aber immer noch im Rahmen der Verfassung bewegt. Wenn sie in der Lage ist, den Menschen politische Heimat zu geben, dann wirkt sie der Entkoppelung entgegen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die NPD eine in irgendeiner Weise positiv wirkende politische Kraft wird. Sie wirkt doch viel eher desintegrativ, indem sie selbst ausgrenzt und die Gesellschaft scharf zu fraktionieren versucht.


So wie man Fischer die Wandlung vom staatsfeindlichen Sponti zum staatskonformen Politiker zugestanden hat, so muss man die Wandlung der NPD-Wähler hin zu rechtskonservativen Demokraten abnehmen. Nichts wäre so schrecklich, als wenn diese Jugendlichen das Gefühl der vollkommenen Hoffnungslosigkeit,des Ausgeliefertseins, des sich nicht artikulieren Könnens erleben würden.

Die NPD - Wähler fühlen sich von den etablierten Parteien nicht vertreten, soviel ist klar. Und diesen Umstand sollten sich die etablierten vor Augen führen. Wenn die 1-Euro-Verarschung und die ALG II - Ausgrenzung noch lange anhält, dann ist das Potential der NPD noch lange nicht ausgeschöpft, und eine Radikalisierung der politischen Landschaft nicht ausgeschlossen.

Ich zweifle aber, dass sich die NPD auf dem Weg zu einer rechtskonservativ - demokratischen Partei befindet.

Gruss Scipio


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