Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Re: Jede Abtreibung heißt : ein geplünderter Vater weniger!

Frank @, Friday, 24.11.2006, 11:53 (vor 6953 Tagen) @ Maesi

Falls ja, warum halten die Abtreibungsgegner dann so verkniffen am

(alten)

§ 218 StGB fest? Der wäre dann ja wohl überflüssig, weil dann Abtreibung

nach § 211 StGB (Mord) oder wenigstens § 212 StGB (Totschlag) geahndet
werden könnte. Ist aber merkwürdigerweise noch nie geschehen.


Weil juristisch das Leben eines Menschen mit der Geburt beginnt (ist
zumindest in der Schweiz so). Vor etlichen Jahren wurde in der Schweiz
eine Volksinitiative lanciert, welche den Beginn des menschlichen Lebens -
biologisch korrekt - auf die Zeugung (genauer auf den Zeitpunkt der
Verschmelzung von Ei- und Samenzelle) juristisch festschreiben wollte.
Natuerlich wollten die Initianten damit faktisch ein Abtreibungsverbot
erreichen, weil dann jede Abtreibung als vorsaetzliche Toetung oder gar
Mord haette behandelt werden muessen. Das Volksbegehren wurde verworfen,
und das juristisch definierte Leben beginnt in der Schweiz weiterhin mit
der Geburt. An der biologischen Tatsache, dass die abgetriebenen
menschlichen Embryonen/Foeten getoetet werden, aendert sich durch diesen
juristischen Kunstgriff natuerlich gar nichts. Man koennte auch juristisch
definieren, dass die Erde eine Scheibe oder meinetwegen ein loechriger
Emmentaler ist, dadurch aenderte sich die physische Gestalt der Erde
jedoch um keinen Deut.

Dass die Juristen vor langer Zeit einmal festgelegt haben, dass der Mensch zum Zeitpunkt der Geburt beginnt Mensch zu sein (und entsprechende Rechte zu haben), haben sie nicht einfach so getan. Die Strafjustiz ist nach den Massgaben dessen geformt was die Mehrheit der Ethiker einer Zeitepoche für Recht erachten und hängt dem aktuellen "Zeitempfinden" immer ein Stück weit hinterher, was an sich auch nicht schlecht ist. Im Falle des ungeborenen menschlichen Lebens waren die Juristen eben der Auffassung dass ihnen eben nicht die gleichen Rechte zukommen wie dem Menschen der bereits auf der Welt ist, unabhängig davon ob diese ihr Leben "selbständig" leben können oder nicht, seien es Kleinkinder, Behinderte, Verletzte oder Hilflose. Es wäre ja absurd wenn diese einen Teil ihrer Menschlichen Rechte verlören weil sie (jedenfalls im Moment) nicht "selbständig lebensfähig" sind.
Solche Abwägungen kommen auch immer dadurch zum Ausdruck wenn der Arzt bei der Geburt bei schlimmen Komplikationen, vor die Wahl gestellt, wohl immer das Leben der Mutter retten wird und nicht das des Ungeborenen. Hätten beide die gleichen Rechte, wäre das ethisch zu beanstanden.

Der Ungeborene ist also Noch-nicht-Mensch - das heisst aber auch nicht dass er völlig rechtlos ist wie ein x-beliebiger Zellhaufen, der er zum Zeitpunkt seiner Zeugung biologisch tatsächlich ist. Er wird gewissermassen durch das Gesetz geschützt weil aus ihm ja einmal ein Mensch werden könnte, aber dem geborenen Menschen nicht gleichgestellt. Eben das kommt im deutschen StG §218, wie auch im Embryonenschutzgesetz zum Ausdruck.

Es ist daher abstrus zu sagen, "im biologichen Sinne beginnt menschliches Leben bei der Zeugung". Mit dieser Frage beschäftigen sich nämlich Biologen nicht; bloß Ethiker - es ist unzulässig diese beiden Sichten zu vermischen. Der Biologe wird bloß Stoffwechselprozesse beobachten die er unter dem Mikroskop erkennen kann. Für ihn ist der menschliche Embryo ein Zellhaufen wie jeder andere (eben deshalb wurde ja das Embryonenschutzgesetz erlassen)

Eigentlich geht es doch um die Frage der "menschlichen Seele". Dass man einen selbständig nicht lebensfähigen Zellhaufen abtöten darf, der kein Bewusstsein und Schmerzempfinden hat, stünde doch außer Frage. Auch das Tierschutzgesetz schützt ja nur Wirbeltiere, die ja bereits etwas "höher" organisiert sind. Jeder darf dagegen eine Fliege totschlagen wie es ihm beliebt, weil die Mehrheit der Ansicht ist dass die Fliege zwar ein biologischer Organismus und selbständig lebensfähig ist, das aber keinen großen Wert "an sich" darstellt. Wer einen Hund auf gleiche Weise totschlägt zieht sich dagegen gerechtfertigterweise die schärfste Missbilligung seiner Umwelt zu, die der Ansicht ist dass der Hund zweifellos mehr "Seele" hat als die Fliege, wenn auch weniger als der Mensch. Man kann dem Hund nun mehr "Seele" zu schreiben aus bloßer Sentimentalität oder Egozentrismus, weil er irgendwie menschenähnlicher ist als die Fliege. Man kann ihn aber auch höher bewerten aufgrund der biologischen Stufenleiter, auf der simple Lebensprozesse wie sie selbst Einzeller zeigen unten, die höheren aber wie Schlußfolgerungsvermögen, Selbstbewußtsein, Selbstkritik, Vernunft und Mitleid oben strukturiert sind. Die höchste Stufe, Vernunft, ist bloß dem Menschen eigen, und deswegen gilt der Mensch im Tierreich als Krone der Schöpfung. Schlußfolgerungsvermögen und Mitleid kann man dagegen auch bei Tieren beobachten.
Nun macht aber jeder Mensch ab dem Zeitpunkt seiner Geburt die gesamte Entwicklung vom einfachst strukturierten Lebewesen durch. Zuerst reagiert er rein reflektorisch. Das ändert sich dann sehr schnell. Aber das ist der Hauptgrund warum sich der Mensch, verglichen mit anderen biologischen Organismen, unglaublich langsam entwickelt. Wenn es nun darum ginge zu fragen, was ist wertvoller, der eben geborene Säugling oder ein Hund, wird wohl jeder der klar bei Verstand ist den Säugling wählen. Aber warum eigentlich? Ein durchschnittlicher Hund ist einem durchschnittlichen Säugling auch geistig voll überlegen, selbst ein 2 jähriges Kleinkind wird er noch locker austricksen. Er ist sogar moralisch überlegen, denn er wird das Kind als Bestandteil seines Rudels beschützen, selbst wenn es ihm dafür am Schwanz zieht.
Wir weisen also dem Säugling etwas zu, was ihn wertvoller macht als den Hund. Ich würde das Seele nennen weil ich keinen besseren Begriff dafür kenne. Aber ist sie auch objektiv "in ihm" vorhanden? Hier tangiert man die Frage, ob man Dinge für real hält weil es Menschen gibt die von etwas überzeugt sind; hier dem höheren Wert menschlichen Lebens. Das ist nicht unumstritten. Einige mögen auch fragen: wie kann ich die Existenz der Seele beweisen, messen? Ich kann es nicht. Ich kann nur versuchen sie versuchsweise wegzulassen und mir versuchen vorzustellen wie die Welt ohne sie aussähe- und komme zum Ergebnis dass etwas wichtiges fehlte, dass ich mir nicht durch einfachere Erklärungen erklären kann.
In Fragen der Bewertung der Seele gibt es vermutlich nur subjektive Masstäbe, und es ist überhaupt nur erlaubt von Fall zu Fall zu entscheiden, wie dem oben genannten Beipsiel vom Arzt, oder der Hebamme, die entweder nur Frau oder Säugling retten können. Ich neige daher der Ansicht zu die menschliche Seele nicht unveränderbar ist, im Laufe des Lebens an Wert gewinnt. Das Töten eines Säuglings kann meist nicht als Mord bewertet werden weil es üblicherweise die Verzweiflungstat einer völlig überforderten, allein gelassenen Frau ist. Es ist aber einer Kindsmörderin möglich ein anderes Kind in die Welt zu setzen, und das relativiert ihre Schuld gegenüber jemand der einen Erwachsenen tötet. Bei einem Embryo, der im Schoße seiner Mutter heranwächst, neige ich der Ansicht zu dass die Gesellschaft hierüber kein Recht oder Befinden zusteht. Allenfalls noch - zu einem geringeren Anteil - dem Erzeuger. Das Abtöten der Leibesfrucht zerstört keine menschliche Seele sondern "bloß" die eines "werdenen" Menschen. Dieser Werdungsprozeß stellt sie aber den geborenen Menschen, nach meiner Überzeugung, nicht gleich. Es ist daher abstrus und wertend, in rein politischer Absicht vom "Mord an Ungeborenen" zu reden.

Im Prinzip bin ich mit der jetzigen juristischen Regelung, die das Abtöten des Embryo bis zu einem gewissen Zeitpunkt seiner Entwicklung gestattet, verbunden mit der "Beratungspflicht" über die ethischen Bedenken. Es gibt sie zweifelsohne immer. Deswegen nenne ich es auch "Abtöten des Embryo" und Schwangerschaftsabbruch, und nicht wie einige vorziehen zu formulieren "-unterbrechung". Ich glaube die allermeisten Frauen in dieser Situation wissen das sehr gut und benötigen keine Nachhilfe von uns Männern.

Wenn wir dagegen etwas tun möchten, finde ich, sollten wir uns für das Leben geborener Menschen und unser eigenen Kinder mit dem gleichen Engagement einsetzen, wie sich manche für das ungeborene Leben engagieren. Dann wäre vieles besser. Das das Kinderkriegen Frauensache ist und bleibt, werden wir mittels ethischer und juristischer Tricks nämlich nicht ändern können, auch wenn das einige vielleicht gern ändern würden...

-Frank-

Maesi


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