Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Noch einmal: zum Begriff der Lebensfähigkeit

carlos, Wednesday, 22.11.2006, 01:54 (vor 6955 Tagen) @ Beelzebub

Servus, Beelzebub!

Habe ich mich so undeutlich ausgedrückt? Also noch mal: Was lebt, sei es auch nur mit fremder Hilfe bzw. medizinischen Apparaturen, ist lebensfähig (Beispiel: Komapatient), was nicht am Leben gehalten werden kann, ist lebensunfähig (Beispiel: Abort im 4. Monat).

Nun ja... dieser recht eigenwilligen Definition liegt ja nun eine gute Portion Zynismus zugrunde. Ein ungeborenes Kind unterhalb der 24. Schwangerschaftswoche wird über seine Abtreibung ja schließlich erst gewaltsam in die ausweglose Situation gebracht, nicht ?lebensfähig? zu sein...
Nur so viel: Zu einem Zeitpunkt, von dem die Schwangere von ihrer Schwangerschaft noch nichts ahnt, also so in etwa ab der siebten Woche, lassen sich bereits Elektro-Kardiogramm, sowie Elektro-Enzephalogramm des Ungeborenen erstellen; Du kannst ihm sozusagen beim Denken zuschauen. Außerdem ist es ab diesem Zeitpunkt als Mensch bereits erkennbar: Noch recht klein zwar, aber ohne jegliche mikroskopische Hilfsmittel.

Ist offensichtlich wieder mal an der Zeit, an den kleinen Tim zu erinnern, der dummerweise seine eigene Abtreibung überlebt hat, wo er doch eigentlich daran hätte krepieren sollen...

Geht's auch ohne emotionelle Aufwallung und Druck auf die Tränendrüse? Ich kenne den Fall nicht, es muss sich aber um eine Spätabtreibung gehandelt haben. Solche sind in Deutschland nur unter zwei Voraussetzungen erlaubt:...

Dieses Thema eignet sich eher weniger zur Trivialisierung oder Banalisierung. Aber gut, wenn Dir die ?Tränendrüse? am meisten zusagt, okay, dann steck? ich mir die halt ans Revers. Gleichwohl würde ich viel lieber von Gewissen, von Mitgefühl, von Mitleid oder von Verantwortungsbewußtsein den Schwächsten der Schwachen gegenüber sprechen; von all jenen Eigenschaften nämlich, die mich vom Vieh unterscheiden.

Es muss entweder Gefahr für Leib oder Leben der Schwangeren bestehen oder aber das Kind wurde durch eine Vergewaltigung gezeugt.

Nein, es gibt noch eine weitere Indikation: Tim hatte das Pech, von Trisomie 21 (vulgo: Mongolismus) betroffen zu sein; ein schwerbehindertes Kind also, und schlichtweg der ?Grund?, ihm das Leben zu nehmen...

Das sind beides absolute Rechtfertigungen, selbst wenn man die Fristenlösung ablehnt. Mir ist zwar bekannt, dass die größte, älteste und mit sehr großem Abstand übelste und widerwärtigste Verbrecherorganisation der Welt - die katholische Kirche - lange Zeit mit der ihr eigenen brutalen Brachialgewalt einen für Ärzte verbindlichen "Moral"kodex aufrechterhalten hat, nach dem zur Rettung des Nasciturus notfalls ein Mord an der Schwangeren geboten war, aber die Zeiten dieser abscheulichen Barbarei sind zu unser aller Glück vorbei.

Wo habe ich denn die katholische Kirche ins Spiel gebracht? Um über Abtreibung zu debattieren, ist es überhaupt nicht vonnöten, zur Kirche zu laufen. Ich spreche hier nur in eigener Sache. Mit Fug und Recht echauffierst Du Dich, wenn hier jemand andauernd Religionsstunde abhält. Nun gebrauchst Du Deine Vorwürfe mit umgekehrten Vorzeichen zum eigenen Hausgebrauch. Weder sehr fair, noch sehr nett, noch sehr logisch, meine Lieber...

Und wer eine Frau zwingt, eine durch Vergewaltigung entstandene Schwangerschaft auszutragen, der gehört i.m.h.o. mindestens doppelt so hart bestraft wie der Vergewaltiger.

Erneut verschiebst Du die Debatte in die Dramatik. In etwa 95% aller Abtreibungen fallen nach wie in vor in jenen Bereich der früheren ?sozialen Notlagenindikation?. Da haben zwei gevögelt, die Natur hat das ihrige getan, und jetzt ist das Ungeborene halt im Wege...
Richtig... Vergewaltigung ist für die betroffene Frau eine ganz schlimme Erfahrung; ich gehöre keinesfalls zu denjenigen, die sofort den Stab der eigenen Selbstgerechtigkeit über ihr brechen würden, sollte sie sich zu einer Abtreibung entscheiden, nur, damit ich vordergründig den guten Pharisäer spielen kann, wohl um zuvörderst mein eigenes Gewissen zu beruhigen. Ich weiß... diese meine Haltung muß im Grunde inkonsistent wirken, wenn man meine weiteren Einlassungen zum Thema ?Abtreibung? betrachtet, denn auch ein Kind, das im Rahmen einer Vergewaltigung gezeugt wurde, verliert ja deswegen nicht seine Eigenschaft, ein Artgenosse zu sein. Ich gehöre halt lieber zu denjenigen, die in diesem speziellen Punkt im wieder aufs Neue wägen und sich selbst prüfen und dabei nicht in Selbstgerechtigkeit verfallen mögen, was ja prinzipiell ein Leichtes wäre... Nein, im Gegenteil: Ein unglaublich schwieriges Unterfangen, glaub mir.

Ich prognostiziere Dir, daß es eines nicht mehr allzu fernen Tages möglich sein wird, einen Embryo/Fötus von Beginn an im Brutschrank wird aufziehen können; zugegeben, eine Vision, die mir rein als solche Unbehagen bereitet. Das alles glaubst Du nicht?

Aber sicher doch. Wenn's so weit ist, können wir ja über die Konsequenzen weiterdiskutieren.

Eine interessante Wendung: Ursprünglich ging es doch darum, was denn nun ein Mensch sei, wenn ich mich recht entsinne...

Tja, das tut mir ja nun leid für Dich, aber wo steht in Stein gemeißelt, dass jeder Männerrechtler zugleich Abtreibungsgegner sein muss?

Na, da kann ich Dich beruhigen, Sportsfreund: Der alte carlos untersteht sich, von Dir zu verlangen, nunmehr in die Branche der Steinmetze zu wechseln... Es sei denn, Du wärst schon einer; dann dürftest Du meinethalben natürlich auch einer bleiben...

Make it well oder noch viel weller... ;-)

carlos


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