Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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...des Gedankens Blässe angekränkelt

Freddy, Monday, 03.09.2007, 17:49 (vor 6682 Tagen) @ Chato

Ist nicht gerade das "generell positive Menschenbild" von
totalitären Ideologien der Grund dafür, daß sie derart Scheiße
sind? Bei Orwell (1984) sind zum Beispiel Krieg, Sklaverei und
Unwissenheit "generell positiv", obwohl jeder Mensch auf der Welt weiß,
daß sie das eben nicht sind. Wird ein Verbrecher (bekanntlich gibt
es die - oder etwa nicht?) dadurch zum guten Menschen, daß er ein
"positives Bild" desselben hat?

Gegenfrage: Wird ein Verbrecher denn dadurch zum schlechten Menschen, daß er ein schlechtes Bild vom Menschen hat? Mein eigenes Menschenbild ist schon nicht durchgehend positiv; z.B. nehme ich an, daß Gut und Böse jeweils in etwa zur Hälfte im Menschen vorhanden sind. Was nun? Es geht schließlich auch darum, wir dieses Wissens verwerten. Die Analyse sagt uns nur, welche Möglichkeiten es gibt - aber sie nimmt uns nicht die persönlich Entscheidung ab. Wir haben die Qual der Wahl.

Freddys abgehobene Spekulationen entstammen, wie jegliche moderne,
utopistische Ideologie, dem dialektischen Setzkasten der Hegel'schen
Philosophie.

Nicht, daß ich wüßte. Ich fand Hegel schon immer ziemlich daneben. Außerdem geht hier nicht um Philosophie, sondern um Entwicklungspsychologie. Daß der Mensch ein sich psychisch entwickelndes Wesen ist, haben schon unsere Vorfahren bemerkt - siehe "Initiation". (Offenbar wird Robert Blys "Eisenhans", trotz seiner Wichtigkeit, immer noch zu wenig gelesen, geschweige denn verstanden.)

Mit dieser Methode läßt sich jedes Beliebige
vorstellbar machen. Natürlich kann man (und wird) sich zusätzlich
vorstellen, daß diese Vorstellungsbilder "gut" sind. Auf genau diesem Weg
kam übrigens der Marxismus zur Welt. "Gute Ideen" sind aber nicht gut.
Warum? Weil sie nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die erste
Voraussetzung überhaupt, damit etwas irgendwelche Eigenschaften haben
kann, ist, daß es REAL ist. Ideologien indes sind nichts Reales, sondern
bloß etwas Erdachtes.

Dein Geist und Deine Psyche sind insofern aber auch nicht "real". Bist Du ein Materialist? Dein Körper besteht nur aus Materie und Materie kann nicht nachdenken über solche Themen. Sie kann überhaupt nicht nachdenken! Du hingegen kannst nachdenken, weil Du eben nicht nur aus Materie bestehst.

Nebenbei kommt auch physikalischen Theorien eine nichtmaterielle Realität zu - und trotzdem bewähren sie sich. Menschenbilder sind nichts anderes als Theorien über den Menschen, die, ebenso wie z.B. die Relativitätstheorie an der Wirklichkeit überprüft werden können.

Überhaupt: Wenn Ideologien nichts Reales sind, warum können sie dann so starke Wirkungen hervorrufen?

Etwas Beliebiges vorstellen kann ich mir auch ohne Hegel.

Gedankengebäude ohne Realität sind unwirklich und deshalb aus Prinzip
immer voller Leid, wenn sie denn tatsächlich einmal real werden
sollten - eben weil sie unwirklich sind. Das christliche Menschenbild
hingegen ist nicht pessimistisch oder negativ - ganz im Gegenteil -
sondern es ist einfach bloß realistisch und deshalb wirklichkeitsgemäß.

Du beziehst Dich dabei aber auf bestimmte Ideologien, die das Leid für immer aus dem Leben der Menschen verbannen möchten. Ich hingegen glaube, genau wie die Kirche, daß Leid sinnvoll ist. Übrigens bin ich selbst katholisch.

Du unterstellst mir, daß ich viel mehr erklären will, als ich eigentlich tue. Jede Theorie hat ihre Grenzen, auch diese.

Gruß,
Freddy


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