Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Naja, aber ...

nn, Tuesday, 01.10.2002, 17:54 (vor 8472 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Gedanken von Garfield am 01. Oktober 2002 10:56:58:

Hey Garfield,

zu deinen historischen Ausführungen ließe sich auch noch eine Menge sagen, wozu mir aber gerade die Zeit und die Muße fehlen. Ich würde das gerne relativieren, und von einer "Unterdrückung der Sexualität durch Kirche" zu reden ist nur für eine sexualneurotische Epoche richtig, wobei man aber bedenken muß, daß das mit nomologischer Intention Geschriebene selten mit dem tatsächlich Praktizierten übereinstimmt. Aber sei's drum ...

Im Grund ist Deine Argumentation kein Widerspruch zu meinem Kommentar: ich zweifele das Vorkommen dieser Dinge ja nicht an. Wenn ich da mal sinngemäß John Maynard Smith zitieren darf: Nur, daß etwas in der Natur vorkommt, heißt nicht, daß es auch richtig ist. Menschsein bedeutet auch, die Entscheidung zu haben, Entscheidung über was man tut und wie man es tut. Der evolutionspsychologische Ansatz im öffentlichen Diskurs nervt; er suggeriert einen Menschen, der nach den ihm von seinem Körper vorgegebenen Trieben zu handeln habe (die selbstverständlich noch auf ein Überleben im Urwald ausgerichtet sind). Die Möglichkeit (oder, im Bezug auf das charakteristisch Menschliche: die Notwendigkeit), mit diesen Trieben kreativ umzugehen, wird dabei komplett unterschlagen. Und es ist nicht so, daß man sich damit trösten könnte, es sei "nur" das Fernsehen: die Leute richten sich in beängstigendem Maße danach aus. Es sind nicht nur Jugendliche, die naiv mit der Sache (in diesem Fall die Verhütung) umgehen; wenn es um das Wesen von Liebe und deren Koppelung mit Sexualität geht, sind die meisten Erwachsenen nicht minder naiv.

Es klingt vielleicht dämlich, aber vielleicht geht es anderen auch so: irgendwie lerne ich eine Menge Frauen kennen, die problemlos mit mir v**... würden, aber keine, die sich z.B. für meine Ansichten und Vorstellungen interessieren würde. Statt "Was denkst Du?" lautet die Frage dann "Wie findest Du mich?". Ohne daraus ein Cliché machen zu wollen (weil Männer da wohl nicht zwingend anders sind), aber ich habe auch noch keine Frau getroffen, die z.B. begriffen hätte, warum es mir wichtiger ist, wenn sie Fragen über meine Gedanken stellt als danach, was sie anziehen sollte, um mich "aufzugeilen"; niemanden, der auch nur in Betracht zöge, daß gerade dieses Verstehen und Kennen die Sache erotisch (im Sinne von: Liebe) macht. Statt dessen beurteilen sich die Leute nach dem, was ihnen als wichtig vorgebetet wird. Das beschränkt sich auf Äußerlichkeiten, und genauso lieben sie auch (und haben Sex). Ich denke, daß durch das vermittelte Bild auch die Menschen geprägt werden. Die Betonung von Körperlichkeit und Ekstase ohne Verbindung mit Intimität und Geist ist zeittypisch. Pornofilme sind dann eigentlich nur praktizierte Theorie, oder ketzerisch: Manchmal denke ich, das Leben um mich herum ist ein einziger Porno!

Das Verletzende ist das Nicht-Verstehen: ich kann nicht mit jemandem Sex haben, dem meine Ansichten und meine Persönlichkeit egal sind bzw. sogar hinderlich. Daß das von den "Freundinnen" nicht verstanden wird, ist verständlich. Aber auch Freunde verstehen das nicht, und das verletzt.

Vielleicht sollte ich meine Aussage zu Arnes Buch noch einmal präziser formulieren: Ich denke nicht, daß Pornofilme die Ursache allen Übels sind. Ich denke, sie sind sichtbare Zeichen eines Übels, und insofern würde das Verbieten derselben wenig am geist ändern. - Aber es denkt ja auch kaum jemand ernstlich daran, denn heute wird auch das Entfernen eines Tumors als Beschneidung der individuellen Freiheit gewertet.

Was mich dabei irritiert, ist das Übereinstimmen der Positionen: Ich lese z.B. Statements von Frauen, die gegen Männer vorgehen wollen, weil diese ihr "Recht" auf Pornographie verteidigen. Im selben Atemzug allerdings proklamieren diese Frauen ein von allen (patriarchalischen, was sonst) Unterdrückungstechniken befreites Auslebung der Sexualität, die nicht mehr an Beziehungen oder Intimität gebunden sein soll. Das hat für mich etwas vom selben Geist wie dem, der Sachen wie die Pornographie hervorbringt. Aber trotzdem krakelen alle und hängen an ihrer Meinung. - Irgendwie ist das total verrückt, denn ich höre Leute streiten undd ihre Standpunkte verteidigen, obwohl sie (nur ein kleines bißchen unter der Oberfläche) genau die selben Prinzipien vertreten (und keines davon ist meins). - Ist das verständlich?!?

MfG


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