Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Gedanken

Jolanda, Tuesday, 01.10.2002, 17:19 (vor 8472 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Gedanken von Garfield am 01. Oktober 2002 10:56:58:

Hallo Garfield

Das ist kein Phänomen der Neuzeit. Ganz im Gegenteil: Bis vor ca. 150 Jahren wurden Hinrichtungen im allgemeinen noch öffentlich durchgeführt. So eine Hinrichtung war dann für viele Menschen immer eine höchst interessante Sache. Noch im 18./19. Jahrhundert sind ganze Familien zu Hinrichtungen gepilgert. Übrigens wird in alten Chroniken häufig erwähnt, das unter den Zuschauern bei Hinrichtungen besonders viele Frauen waren.

---Natürlich, Voyeurismus ist nichts neutzeitliches, nur finde ich, dass dieses Verhalten früher "scheisse" war und es auch heute noch ist. Nur weil die Menschen früher schon "sensationsgeil" waren, heisst das ja nicht, dass es das heute entschuldigt oder?!

Auch der Handel mit angeblichen Wundermitteln aus Körperteilen von Hingerichteten brachte Henkern und Apothekern gutes Geld ein. Beliebt waren z.B. Fingerknochen und ganz besonders das Blut der Hingerichteten. Man reichte dem Henker einen Taler und ein Taschentuch, das er dann mit dem Blut tränkte. Es kam nicht selten vor, daß die Zuschauer nach einer Enthauptung zum Richtblock stürmten, um das Blut des Toten zu trinken. Sie hielten es eben für ein wunderwirkendes Allheilmittel. Dieser Aberglaube wurde oft von den Henkern genährt, die sich so eine prima Gelegenheit für einen guten Zuverdienst schufen.

---Richtig, es diente dazu, dass sich einige damit bereichert haben.

So gesehen geht es heute schon wesentlich zivilisierter zu. Und diese Sendungen über Mordfälle erfüllen doch zumindest den guten Zweck, daß bei ungeklärten Fällen vielleicht noch Hinweise aus der Bevölkerung kommen.

---Die erfüllen selten einen guten Zweck, das heisst, sie werden nicht gezeigt, damit ungelöste Fälle geklärt werden, oh nein, die werden vor allem gezeigt, weil das hohe Einschaltquoten verspricht, weil die Menschen es lieben "Gewalt, Mord und Totschlag" im TV zu sehen und wenn es wahr ist, dann ist das doch noch viel "geiler".

Sendungen wo die Leute Würmer essen oder was auch immer sind ja der Renner in den USA. Ich finde so etwas einfach "krank"...tut mir leid.

Man kann natürlich darüber diskutieren, wieso viele Menschen so ein starkes Interesse am Destruktiven haben. Damit ändert man aber nichts daran, daß dieses Interesse nun einmal vorhanden ist. Und zwar nicht erst seit der Neuzeit.

---Ja, aber du denkst weiter, du denkst dann also, wenn das Interesse der Leute besteht, dann rechtfertigt das auch, dass man so etwas noch fördert und unterstützt und im TV sendet?!

Daß Sex ebenfalls mittlerweile ein gängiges Thema in Talk Shows usw. ist, ist wieder eine ganz andere Sache. Es ist nun einmal so, daß sexuelle Themen auf viele Menschen ebenfalls sehr interessant wirken, und das nutzen die Medien aus.

---Die Medien sind total "geil" darauf, egal ob sie damit einen Menschen ruinieren, ihn seelisch belasten, seine Karriere kaputt machen oder was auch immer, hauptsache man kriegt sie in diese Sendungen und es ist so schön "voyeuristisch". Glaube mir, ich weiss wovon ich rede. Es gibt mittlerweise schon Psychologen, die sich darauf spezialisiert haben, Menschen, die in solchen Sendungen die Hosen runter gelassen haben und damit dann nicht klar kommen, zu betreuen.

Für gefährlich halte ich das in keiner Weise. Vielleicht ist es schade, daß über manche Dinge heute so offen geredet wird, weil es ja oftmals gerade das Geheimnisvolle ist, was auf viele Menschen so interessant wirkt.

---Du hälst das nicht für gefährlich? Ich halte das schon für gefährlich, weil es abstumpft, weil es Alltag wird, Sex, Gewalt, Mord und Totschlag, unsere Medien sind eh schon voll mit schlechten Nachrichten, muss man da noch ganze Sendungen machen, wo es nur darum geht, zu sehen, wie andere zur "Schnecke" gemacht werden, Menschen gequält oder umgebracht werden?

Zudem kommen viele Menschen im Nachhinein nicht klar damit, wenn sie in solchen Sendungen zu viel über ihre Probleme erzählt haben. Man ist sich zuwenig bewusst auf was man sich da einlässt.

Aber auch das ist keine Erfindung der Neuzeit. In der Antike beispielsweise ging man mit Sexualität offener um als heute in unserer Gesellschaft. Manche Teile der Ruinen von Pompeji sind für die Öffentlichkeit gesperrt, weil es in ihnen Wandmalereien gibt, die nach der heutigen Rechtslage definitiv pornographisch sind. Damals störte sowas niemanden. Auch Homosexualität war beispielsweise im antiken Griechenland kein Tabu-Thema. Einige bekannte griechische Philosophen bekannten sich offen dazu, und das war ganz normal.

---Klar, es gab auch Lustknaben, das war auch völlig normal zu dieser Zeit, nur denkst du, diese Lustknaben hatten immer ihre Freude daran, an dem, was diese Männer mit ihnen angestellt haben, also ich habe da so meine Zweifel?!

In früheren Zeiten galten ohnehin die Frauen als das sexgierigere Geschlecht. Laut den damals gängigen Klischees waren die Männer diejenigen, die mehr das Alltagsleben als die Sexualität im Kopf hatten, während der Frau das Bild der allzeit zum Sex bereiten Verführerin zugeschrieben wurde.

---Klar, die Kirche sah die Frau als "Sündenpfuhl", verdorben und sexbesessen und schmutzig. Darüber gibt es massenhaft Literatur.

Einige sehen das aber wirklich so! Und das auch nicht erst seit der Neuzeit...

---Ich möchte dazu einfach sagen, dass für mich nichts besser ist, nur weil der Mensch es schon seit Urzeiten so macht!

Interessant ist in dem Zusammenhang auch, daß bei aller Offenheit der heutigen Medien die Jugendlichen immer noch erschreckend unaufgeklärt sind. Vor ein paar Jahren erzählte mir eine 15jährige tatsächlich, daß eine Frau nur schwanger werden könne, wenn sie beim Sex einen Orgasmus hätte... Weit verbreitet soll heute unter Jugendlichen auch der Glaube daran sein, daß Jungen erst mit 14 ein Kind zeugen können. Und viele Mädchen wußten kürzlich bei einer Umfrage nicht, daß sie nach ihrer Periode schwanger werden können.

---Ja darüber habe ich mich auch gewundert, das hätte ich echt nicht erwartet!

So gesehen scheinen manche Themen wohl doch noch nicht offen genug angesprochen zu werden. Und das ist mit Sicherheit auch ein Grund für viele Abtreibungen.

---Ich denke, das kann durchaus einer der Gründe dafür sein.

Es grüsst dich
Jolanda


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