Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Zumutbarkeitsregeln

Garfield, Thursday, 07.08.2008, 17:26 (vor 6346 Tagen) @ Diana

Hallo Diana!

zunächst eine Frage fast völlig o.t.: bist du derselbe "Garfield", der mal bei "mysnip" war und bei "Tacheles" noch ist...? *dummfrag* ;-)

Nein, da war ich noch nie. Das muß also ein anderer Garfield sein.

Und der Handel jammert fröhlich ein ums andere Mal, dass der Umsatz zurückgeht.

Wobei das Jammern aber von den Massenmedien oft totgeschwiegen wird. Nach der Mehrwertsteuer-Erhöhung war ja ganz klar damit zu rechnen, daß die Umsätze teilweise drastisch einbrechen. Nicht nur wegen den Preiserhöhungen, sondern weil viele Leute größere Anschaffungen ganz bewußt schon im Jahr vorher getätigt haben.

Interessanterweise wurde dazu aber so gut wie nichts veröffentlicht. Es hieß dann so etwa im Sommer/Herbst 2007 sogar mal, daß es zwar Anfang des Jahres einen "geringen Einbruch" der Umsätze gegeben hätte, aber mittlerweile wäre ja alles wieder super...

Wenn man dagegen z.B. mit kleinen Handwerkern sprach, dann hörte man ganz andere Töne. Ein Heizungs- und Sanitär-Meister erzählte mir z.B., daß er im Frühjahr 2007 ernsthaft darüber nachgedacht hat, seine Firma zu schließen. Da kamen überhaupt keine Aufträge mehr rein - sowas hatte er so vorher noch nicht erlebt.

In den Massenmedien hörte man davon merkwürdigerweise gar nichts. Anfang 2008 las ich dann mal einen Artikel in einer Zeitung, in dem dann plötzlich stand, daß es im ganzen Jahr 2007 nur schwache Umsätze gegeben hätte, jetzt wäre aber wieder alles super, und die Einzelhändler wären ja soooo optimistisch... Das fand ich ja nun interessant, daß nun auf einmal eingestanden wurde, daß 2007 die Umsätze eingebrochen sind, während man vorher immer Aufwärts-Parolen verbreitete.

Das erinnert mich alles stark an die DDR. Da ging es auch immer nur vorwärts zum nächsten Parteitag, und in der offiziellen Propaganda war immer alles super und bestens. Dabei sah jeder Bürger täglich, wo es überall mangelte und hakte. Je mehr die Differenz zwischen Propaganda und Realität auseinander klaffte, umso unzufriedener wurden die Menschen.

Indem die Preise steigen, die Sozialleistungen aber kaum erhöht werden, sinkt die Kaufkraft aber sehr wohl.

Klar. Die zunehmende Abzocke saugt zusätzlich auch noch der Mittelschicht ihre Ersparnisse weg und dünnt sie immer mehr aus. Im Prinzip ist das genauso wie während der Hochinflation in den 1920er Jahren - nur damals ging es viel schneller und erzeugte deshalb auch viel schneller Unmut in der Bevölkerung. Heute geht das ganz langsam, und die Menschen wachen deshalb leider zu langsam aus ihren schönen Träumen von einer gerechten Gesellschaft auf.

Konnten sie aber, wie man sieht - und es ist kaum etwas Nennenswertes passiert.

Im Moment läuft das Exportgeschäft ja gut, und in vielen Branchen findet man deshalb noch relativ leicht wieder einen Job. Das hat den Effekt, daß heute oft nur diejenigen in Hartz IV sind, die schon lange erwerbslos sind und sich an die damit verbundenen Nachteile längst gewöhnt haben. Diejenigen, die noch Jobs haben, können sich dagegen in relativer Sicherheit wiegen.

Wenn das Exportgeschäft wieder schwächelt, werden die Erwerbslosenzahlen deutlich ansteigen. Denn der schwächelnde deutsche Binnenmarkt reicht schon lange nicht mehr aus, um die Wirtschaft hier am Laufen zu halten. Dann werden wieder mehr Menschen ohne eigenes Verschulden in Hartz IV reinrutschen. Und dann wird auch der Unmut sehr schnell zunehmen, denke ich.

Aber wenn man genau hinguckt, ist das eigentlich eine Luftnummer: denn wenn all diese Leute ja wirklich "nicht mehr zu gebrauchen" sind, dann sind sie auch keine echte Konkurrenz für die, die arbeiten.

Klar. Es reicht aber, wenn die wirklich Arbeitssuchenden glauben, daß es noch viele andere Erwerbslose gibt, die für eine Stelle, auf die sie sich bewerben, in Frage kämen. Und auch die 1-Euro-Jobber werden ja zunehmend als Konkurrenz für normale Beschäftigte mißbraucht.

Teilweise ist da an manchen Stellen schon ein gewisses Entsetzen zu erkennen - wenn man leichtfertig gute Leute gehen lässt, in dem Glauben, es gäbe ja genug Nachfolger...

Ja. Oft glaubt man in solchen Fällen aber eher, daß man die Leute gar nicht mehr braucht, sondern daß die Restbelegschaft ihre Arbeit noch locker mit erledigen kann. Wenn das dann nicht klappt, holt man manchmal sogar die gefeuerten Mitarbeiter wieder zurück oder wundert sich darüber, daß die mittlerweile schon wieder neue Jobs haben.

Und das wird noch viel krasser, wenn die geburtenschwachen Jahrgänge so richtig durchschlagen, wenn "Generation Doof" so richtig zum Zuge kommen soll - und zu nix zu gebrauchen sein wird - und wenn die alten Deppen der Reihe nach in den Ruhestand gedrängt worden sind, wie vielfach längst geschehen.

Das ist vielen Firmenchefs schon bewußt. Deshalb wollen sie jetzt Azubis aus Polen und der Tschechei importieren. Nur ist es dort wohl mittlerweile schon so, daß man zwar brutto noch weniger verdient als in Deutschland, netto aber teilweise mehr heraus hat. Auf jeden Fall gehört Deutschland unter den Alt-EU-Ländern mittlerweile zu den Ländern mit den miesesten Löhnen. Wieso sollen Polen oder Tschechen also massenweise hierher arbeiten kommen? Die arbeiten hier allenfalls schwarz.

Man wird in Zukunft wieder mehr Wert auf ältere Beschäftigte legen, denke ich.

Wenn nicht gerade einen beschissen bezahlten Vollzeitjob hast, der dir gar keine Zeit lässt, nebenher auch noch schwarzarbeiten zu gehen.

Klar. Aber ein legaler Job kann für Schwarzarbeiter auch noch andere Vorteile haben. Besitzer von Elektriker-Firmen beispielsweise achten mittlerweile argwöhnisch darauf, daß da möglich wenig "Restmaterial" auf mysteriöse Weise verschwindet. Da gibts nämlich einige Spezialisten, die sich gern mal "vermessen" oder "verzählen" und dann das überzählige Material schwarz am Wochenende irgendwo verbauen. Da muß man auch als Kunde aufpassen, daß man das nicht in Rechnung gestellt bekommt.

Sowas nimmt natürlich auch überhand, wenn man die Leute mies bezahlt. Dann haben viele keine Skrupel mehr, sich unter der Hand ihren mickrigen Lohn ein wenig aufzubessern.

Freundliche Grüße
von Garfield


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