Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Wahlrecht

Xenia, Monday, 09.05.2005, 01:11 (vor 7524 Tagen) @ Andreas (d.a.)

Als Antwort auf: Re: Wahlrecht von Andreas (d.a.) am 08. Mai 2005 20:16:

In Aspekten: ja. - Das Problem ist auch hier eine komplexere Deutungsmöglichkeit, siehe das Beispiel der Wehrfähigkeit: Wenn Wahlrecht an Wehr- oder Versorgerpflicht gekoppelt wird (und das wurde es auch), ist es ein zweischneidiges "Privileg".

Das kann schon sein, nur ist das Wahlrecht nicht dafür eingeführt worden oder besteht nur aus diesen Teilgebieten. Es ist doch eines klar, in einer demokratischen Gesellschaft, stimmen alle ab, ohne Ansehen der Person, unabhängig von ihrem Status.

Im gesamtgesellschaftlichen Kontext: nein. Denn es gab z.B. sehr wohl soziale Sicherungsmechanismen, von denen ausschließlich Frauen profitierten, ebenso wie es eine unterschiedliche Rechtspraxis gab. Ein Vorteil der von Dir beklagten Entmündigung ist beispielsweise die nachweislich mildere Beurteilung im juristischen Bereich.

Das ist nur vordergründig analysiert, ja freilich gabs solche Bevorzugungen. Die Frage ist doch, wies dazu kam und welches Frauenbild dahintersteckte. Und das war das eines unmündigen, unselbständigen und daher natürlich nur begrenzt schuldfähigen (Frauen handeln ja nur emotional, wissen ja eigentlich nich was sie tun ec pp) Wesens. Ich glaube auch dir ist bekannt, dass Bevorzugungen nicht immer mit einer hohen Meinung einhergehen. Ich bin sicher auch du kennst das Phänomen des Philosemitismus. Man könnte hier von einer Philogynie sprechen. Alles andere als schmeichelhaft. Und da kommen dann solche Bveorzugungen heraus, die aber im gesamtgesellschaftlichen Klima keinen positiven Eindruck hinterlassen, sondern nur das schlechte Bild im Grunde bestärken.

Das Problem mit Deiner Sichtweise ist, dass Du über ein Schwarz-Weiß-Schema nicht hinauszukommen scheinst. Das liegt vermutlich daran, dass auch Du Dich mit Geschichte nicht allzu gut auszukennen scheinst.

ich glaub, ich kriegs noch besser hin als du, wenn ich mir deine Analyse so anschau *freundlich lächel*

Das Abqualifizieren von unliebsamen - "haarsträubenden" - Fakten, welche die eigenen Ansichten relativieren, ohne dies stichhaltig zu begründen, ist ebenfalls nicht unbedingt ein Zeichen von Professionalität.

Und welche haarsträubenden Fakten habe ich achso unprfessionell abqualifiziert (während meine Argumente hier natürlich ganz professionell behandelt wurden)

(Klar, auch Creveld hat seine Schwächen; um den Finger auf die Wunde legen zu können, müsste man ihn aber zumindest gelesen haben. Vielleicht kannst Du bei Deiner Uni ja mal um eine Anschaffung anfragen ;-)

Ich bezweifel, das ich möchte, dass meine Uni für den Geld ausgibt. Und ich hab nie verschwiegen, dass ich ihn nie ganz gelesen habe, auch nicht aus welchen gründen *lächel* also versuche es doch bitte anders, Creveld ist nun wirklich kein Klassiker.

Ja und nein, ich kann das machen, indem ich die Verweigerung des Wahlrechtes als Hinweis werte.
Das könntest Du, wenn Du die Hinweise, die auf eine Bevorzugung von Frauen auf anderen Gebieten hindeuten, nicht übersehen würdest. Sonst würde es doch arg einseitig, nicht?! :-)

Wie wäre es hingegen andersherum, wenn man sich Fragen würde, wies kommt, dass man einerseits Frauen so "bevorzugt", und andererseits so abwertet. Sich diese Frage zu stellen wäre sicherlich interesanter, als eine Aufrechnungsliste herzustellen, in der gesagt wird: ja gut, Frauen durften nich wählen. Aber sie wurden vor Gericht bevorzugt gehandelt. Ergo: Frauen sind ja gar nie nich benachteiligt gewesen. Leg das nem Prof vor, da kriegst du aber höchstens noch Punkte für Schönschrift.

Und dann vom Wahlrecht als einem Hinweis auf eben diese Benachteiligung der Frauen zu werten (wers dann noch nicht kapiert hatte, dem war nicht zu helfen) halte ich für legitim.

Nein, ist es nicht, oder besser: Nur begrenzt. Erstens, weil dieser Aspekt nur einen Teilausschnitt aus einem umfangreicheren gesammtgesellschaftlichen Portrait darstellt;

ich wiederhole es gerne noch einmal: schaust du dir die Gründe an, weswegen das Wahlrecht vorenthalten wurde, kommst du ganz fix aufs gesamtgesellschaftliche.

zweitens, weil es die sozialhistorischen Begleitumstände zu berücksichtigen gilt; drittens, weil Deine These heutige Werturteile als absolut nimmt. Um die Entwicklung adäquat beurteilen zu können, ist es beispielsweise notwendig, die Selbstwahrnehmung der Leute zur damaligen Situation hinzuzunehmen. Die Artikulation des Empfindens von Benachteiligung ist notwendig. Dass dieses "Privileg" damals recht unterschiedlich wahrgenommen wurde, sollte der Verweis auf die Geschichte der zu einem großen Teil von Frauen getragenen "anti-emanzipatorischen" Bewegungen in allen möglichen europäischen Ländern (Deutschland, GB, Schweiz, ...) nahelegen. Ohne das jetzt sofort in der einen oder anderen Richtung deuten zu wollen, sagt das Vorhandensein dieser Organisationen doch zumindest eines: Hinsichtlich der Beurteilung dieser gesellschaftlichen Veränderungen gab es unterschiedliche und auch im Grundsatz höchst verschiedene Ansichten. Kannst Du mir da zustimmen?

Freilich - doch dann wünsche ich mir auch eine solche Beurteilung der gesellschaftlichen Situation der Männer. Da kommst du schnell zum Ergebnis, dass irgendwie, ja so irgendwie... also irgendwie hat sich kein Mann je beschwert. Hm komisch, was sagt uns das jetzt?
Aber davon mal ab: ja freilich beurteile ich die historische Situation aus meiner jetzigen gegenwärtigen Situation heraus, mir gings auch nicht um ein Sittengemälde des 19. Jh., sondern um Beurteilung. Ich weiß natürlich, dass es hier darum geht, alles in den Boden zu relativieren, was auch nur ansatzweise darauf hindeuten könnte, dass Frauen benachteiligt gewesen sein könnten (waren ja immer die Männer gewesen, isch weiß). Nur wenn du Geschichte beurteilen willst, dann musst irgendwo die Maßstäbe hernehmen. Nimmst du diese aus der jeweiligen Zeit, mit der du es zu tun hast, dann kommst du immer zu dem Schluß, dass im Großen und Ganzen eigentlich doch alles richtig so war wie es war. Und das kanns irgendwie nich sein.

Probiers an der Situation der unteren sozialen Schichten, du wirst anders urteilen. Es sei denn dir liegt an hierarchischen Gesellschaften.

Dass dieser Umstand heute auf eine bestimmte Weise gesehen wird, ist Resultat der Durchsetzung einer dieser Ansichten. Vor Deinen Augen finden prozesshafte Entwicklungen jedoch keine Gnade, Wechsel müssen sich sprunghaft und absolut vollziehen. - Äh, wo hattest Du nochmal Deine Geschichtskenntnisse her?

Ah, jetzt kommen wir zu den Unterstellungen. Hab ich irgendwo dergleichen behauptet? Das wäre mir neu, wo ich gar nichts über die Gesamthistorie dieser Menschheit gesagt hab *grübel*

Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Niemand versucht hier Frauen das Wahlrecht abzusprechen, ebenso wie in der Beurteilung des Sachverhalts eingeschränkten oder verweigerten Wahlrechts - gleich für wen - Einigkeit besteht.

na fast.

Dieser Punkt ist nicht Kern der Diskussion. Problematisch ist, wenn versucht wird, einen Aspekt, in dem ein konkretes Unrechtsverhältnis besteht, als exemplarisch für alle Bereiche der Gesellschaft auszudehnen.

Ich wiederhols nochml, und jetzt langsam: Du guggst dir an ein land, du siehst, da ist ne bestimmte Gruppe von Leuten, die darf nich wählen. Du fragts dich: hm wieso nicht? Du guggst dir an, welche Begründungen werden dafür geliefert, du guggst dir an, welchen Status insgesamt diese Gruppe in der Gesellschaft inne hat. Du kommst zu dem Schluß: die Verweigerung von Wahlrecht ist sozusagen die letzte Konsequenz in der spezifischen Behandlung und Definition dieser Gruppe durch die Gesellschaft.
Eins ist doch wohl klar, Unrechtsverhältnisse fallen in einer Gesellschaft nicht vom Himmel, sie entwickeln sich über lange Zeiträume. ich gaube, du würdest niemals widersprechen wenn ich behauptete, die Verweigerung des Wahlrechtes an niedere soziale Schichten ist nur konsequent im Hinblich auf die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Aber wie immer, sobalds um Frauen geht.........

Denn Unrechtsverhältnisse bzw. deren Diskurse organisieren sich nicht entlang der Geschlechtergrenze, sondern durchkreuzen in unterschiedlichen Linien die gesammte Gesellschaft.

Ja und nein, versuch da mal ein Unrechtsverhältnis reinzubringen, dass auf dem Unterschied der Geschlechter basiert :-) Du wirst sehen, was es bringt.

Nach Deiner Methode ließe sich eine universelle Benachteiligung für jede Gruppe konstruieren.

Eben nicht, und das is ja das schöne an meinem Konzept.

Xenia


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