Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Wahlrecht

Andreas (d.a.), Sunday, 08.05.2005, 13:06 (vor 7524 Tagen) @ Xenia

Als Antwort auf: Re: Deutsche Feministinnen von Xenia am 07. Mai 2005 13:48:

Hi.

Xenia, Du kritisierst Garfield für seine den Standards historischer Forschung nicht entsprechender Vorgehensweise (und das, wie ich finde, zu Recht - jeder Professor würde ihm eine solche schwammige Arbeit um die Ohren hauen). Deine Argumentation spricht Deiner Kritik jedoch Hohn, denn eine komplexere Sichtweise scheinst Du für Dich ebenfalls abzulehnen. Fakt ist: Das spätere Wahlrecht für Frauen war ungerecht. Punkt. Was bei der Betrachtung dieser Frage jedoch ebenfalls wichtig wäre, sind die Fragen nach dem gesellschaftlichen Kontext. Dazu gehört die Frage, unter welchen Bedingungen und in welchem Rahmen sich die Idee des Wahlrechts überhaupt entwickelt hat. "Historiker" erwähnte bereits das Argument der Verknüpfung von Wahl und militärischer Verfügbarkeit; andere Verpflichtungen beträfe das ebenso. Es wäre die Geschichte der Entwicklung und des Wandels des theoretischen Konzeptes miteinzubeziehen; welcher Einfluss konnte tatsächlich ausgeübt werden, was wurde sich davon versprochen. Du müsstest auch die tatsächlichen Geschlechterverhältnisse mit einbeziehen, da in einer Situation, in der Geschlechtern gesellschaftlich unterschiedliche Bereiche zugeordnet waren, das Wahlrecht für diese Bereiche unterschiedliches bedeutete. usw. - Was Du nicht tun kannst, ist, dieses Argument Wahlrecht zu einem den Status von Frauen generell beschreibenden Aspekt aufzuwerten. Dieses damals noch in den Kinderschuhen steckende Konzept spiegelt einen Teilaspekt wieder, dessen vielfältige Verflechtungen sich eben nicht auf einen entlang der Geschlechtergrenze verlaufenden generellen Konflikt reduzieren lassen. Zudem ließe er verschiedene Interpretationen zu (die Bildung von Frauenkommités gegen das Frauenwahlrecht ist ein in mehreren Ländern dieser Zeit beobachtbares Phänomen). Vielleicht hättest Du auch mal in Crevelds Buch schauen können. Aber nicht müssen, da es Dir ja, auch wenn Du es nicht gelesen hast, nicht gefallen hat: Das Buch ist mehr ein Kompendium verschiedener historischer Arbeiten zum Thema, die Du selbstverständlich auch alle selbst lesen kannst. Zumindest gelingt es ihm ganz gut, anhand verschiedener auch speziell Frauen begünstigender Sozialstrukturen den Mythos aufzubrechen, Privilegien seien allesamt entlang einer Geschlechtergrenze plaziert. Das in Etappen eingeführte Wahlrecht war ein Unrechtsverhältnis, aber es ist keine Metapher für eine allgemeine Situation von Frauen.

Andreas (d.a.)


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