Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Deutsche Feministinnen

Odin, Monday, 09.05.2005, 00:16 (vor 7524 Tagen) @ Rüdiger

Als Antwort auf: Re: Deutsche Feministinnen von Rüdiger am 08. Mai 2005 00:06:50:

Verschwiegen wird wie immer, daß auch die meisten Männer bis zu diesem Zeitpunkt nicht wählen durften, weil dieses der politischen Elite vorbehalten war.

Das ist inhaltlich falsch. In Deutschland herrschte bei Reichstagswahlen seit der Reichsgründung 1871 das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht (für Männer). Anders in den einzelnen Ländern: Preußen z. B. behielt bis zum Ende des Kaiserreiches das Dreiklassenwahlrecht.

Was bedeutet "Dreiklassenwahlrecht"?

Das bedeutet, daß zu den Wahlen zum Preußischen Landtag die Wählerschaft in Kommunen in drei Klassen eingeteilt wurde: reich, mittel und arm. Die Stimme eines Reichen hatte mehr Gewicht als die vieler Armer. Friedrich Krupps Stimme zählte so viel wie die einiger Tausend seiner Arbeiter, soweit ich weiß. ("Timokratie" nennt man so was, und das gab's vom alten Athen - zu gewissen vordemokratischen Zeiten - und alten Rom an immer wieder; Zensuswahlrecht halt, das Recht zu wählen und das Gewicht einer Stimme hängt vom Reichtum/Steueraufkommen eines Mannes ab). Die Einteilung war dabei eine relative; mit einem bestimmten Einkommen konnte man in einem armen Ort zur ersten Klasse gehören, in einem reichen Ort nur zur dritten Klasse.
Die einzelnen deutschen Staaten (man sagte damals "Staaten", nicht "Länder") hatten ganz verschiedene Wahlrechte für ihre Landtage. Einige gaben den Männern über 40 eine zusätzliche Stimme (aber NICHT die Schwaben, obwohl die doch mit 40 gescheit werden), andere hatten ein gleiches Wahlrecht, und Mecklenburg kam bis 1918 noch ganz ohne allgemeines Wahlrecht aus, die hatten wohl noch eine landständische Verfassung mit Adel, Geistlichkeit und Bürgertum, vermute ich mal ... Selbst Bismarck spottete, wenn der Weltuntergang nahe, solle man sich nach Mecklenburg begeben, dort merke man alles erst hundert Jahre später ...
In Großbritannien gab's übrigens meines Wissens noch bis 1948 für Universitätsabsolventen eine Zweitstimme, weil die doch die Weisheit mit Löffeln gefressen haben ;-)
Gruß, Rüdiger

Also praktisch das, was nun mit dem Familienwahlrecht wieder eingeführt werden soll.


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