Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Samenspende: Neuer Fall in Schweden!

Maesi, Thursday, 13.12.2001, 23:19 (vor 8761 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Samenspende: Neuer Fall in Schweden! von Ferdi am 12. Dezember 2001 09:53:36:

Hallo Ferdi

heute morgen fand ich einen dpa-Artikel in der Morgenzeitung. Überschrift:
"Samenspender soll Unterhalt für Kinder von Lesben zahlen".
Hier handelt es sich zwar nicht um Samenraub, sondern um eine Samenspende. Der Fall trug sich in Schweden zu. Ein Mann hatte einer lesbischen Freundin und ihrer damaligen Lebensgefährtin mit seinem Samen zu drei Kindern verholfen. Als die vor dem Standesamt registrierte Beziehung zwischen den homosexuellen Frauen in die Brüche ging, klagte die Mutter auf Unterhalt für ihre drei Kinder. Als möglichen Zahlungspflichtigen fand der Richter in seinen Gesetzbüchern dann nur den biologischen Vater, bei dessen gesetzlicher Definition noch niemand an künstliche Befruchtungen, lesbische Paare und deren Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren gedacht hatte. Also wurde der Gefälligkeitsspender verurteilt, dessen Zorn über das schrecklich ungerechte Urteil nebst Ankündigung der Berufung schwedische Medien mit grösstem Verständnis wiedergaben.

Dass der betreffende Gefaelligkeitsvater sich ungerecht behandelt fuehlt, verstehe ich durchaus. Aber letzten Endes hat er der Samenspende zugestimmt, und nun muss er dafuer zahlen. Es zeigt sich wieder einmal, dass man nicht leichtfertig handeln sollte, solange die Rechtslage unklar ist.
Bestenfalls koennte er geltend machen, dass er ungenuegend ueber die rechtlichen Implikationen seiner Samenspende aufgeklaert wurde.

Weiter heisst es in dem Bericht: "Sören Andersson vom Schwulenverband RFSL fordert die sozialdemokratische Regierung auf, als Konsequenz "schleunigst" das Recht auf künstliche Befruchtung zu verankern und das von den Sozialdemokraten als Partei bereits befürwortete Adoptionsrecht zu verwirklichen".

IMHO zeigt sich, dass die heute um sich greifende rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare mit Ehepaaren manchmal nicht genuegend durchdacht wurde. Es stellt sich die Frage, welche rechtliche Stellung diese vor dem Standesamt registrierte Beziehung eigentlich hat.
Da wurden bei der Gesetzgebung ueber die registrierte Partnerschaft wieder mal keine Naegel mit Koepfen gemacht. Ziel war es wohl, moeglichst schnell ein Gesetz durchzupeitschen ohne vorher die rechtlichen Implikationen serioes abzuklaeren. Ein schlechtes Gesetz scheint in vielen Koepfen immer noch besser zu sein, als gar kein Gesetz. Ich selbst halte wenig von solchen gesetzlichen Schnellschuessen; sie werden meist zu Rohrkrepierern, die man spaeter nachbessern muss.

Ich kann Euch sagen, was passieren wird, wenn bei uns ein solches Recht auf künstliche Befruchtung Gesetz wird: Da dafür auch männlicher Samen notwendig ist, wird es bald neben der Männerwehrpflicht auch eine Verpflichtung für alle Männer geben, Samen zu spenden, selbstverständlich mit der Verpflichtung, Unterhalt für die erzeugten Kinder und für die befruchteten Frauen zu zahlen.

IMHO sollte hier weniger ein "Recht auf kuenstliche Befruchtung" gesetzlich verankert werden (ist ja ohnehin unsinnig) sondern vielmehr der rechtliche Status von Kindern aus kuenstlicher Befruchtung, sowie unter welchen Bedingungen die Samenspende (bzw. auch Eispende) geleistet und entgegengenommen werden kann. Im weiteren Sinne gehoert auch die Leihmutterschaft in diesen Problemkreis.
Das mit der Pflicht der Maenner zu einer Samenspende halte ich jetzt fuer schwarzen Humor Deinerseits. Die Aussage von Soeren Andersson zeigt jedoch, wie oft mit dem sogenannten "Recht auf..." Schindluder getrieben wird. Denn ein durchsetzbares "Recht auf kuenstliche Befruchtung" wuerde in letzter Konsequenz tatsaechlich bedeuten, dass Frauen Eizellen bzw. Maennern Samenzellen zwangsweise entnommen werden koennten, sofern nicht genuegend freiwillige Spender(innen) vorhanden sind. Ansonsten koennte das Recht ja gar nicht gewaehrleistet werden. Dabei hielte ich die Deckung des Bedarfs an Eizellen fuer problematischer als an Samenzellen.
Ein einklagbares "Recht auf kuenstliche Befruchtung" ist deshalb simpler Etikettenschwindel; vielleicht sollten solche Leute einmal genauer ueberlegen, wovon sie eigentlich schwafeln, wenn sie irgendein Recht einfordern. Die Moeglichkeit der Samenspende gibt es im uebrigen jetzt schon, es ist jedoch bisher kein speziell geregelter Rechtsraum. Dann kommen eben die bestehenden Gesetze zum Zug, was der Samenspender im obigen Fall zu seinem Leidwesen erfahren musste.

Gruss

Maesi


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