Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: rechtliches

Maesi, Thursday, 13.12.2001, 23:09 (vor 8761 Tagen) @ Peter

Als Antwort auf: Re: rechtliches von Peter am 12. Dezember 2001 00:48:31:

Hallo Peter

Der (ebenfalls fiktive) Richterspruch lautete: Der (ungewollte) Vater sei gegenueber dem Kind unterhaltspflichtig. Dieses Urteil finde ich ebenfalls skandaloes. Der (biologische) Vater hatte weder Beischlaf mit der Kindesmutter praktiziert noch sein Einverstaendnis zu einer kuenstlichen Befruchtung gegeben. Diesen Mann jetzt zu Unterhaltszahlungen zu verdonnern, halte ich fuer glatte Noetigung.

Ein Richterspruch muss die aktuelle Gesetzeslage berücksichtigen, und die sagt, dass das Kind einen Anspruch auf die Hilfe vom biologischen Vater hat. Oder sehe ich das falsch?

Das ist richtig. Die Gesetzgeber gehen jedoch auch davon aus, dass der Vater den Zeugungsakt entweder bewusst mitvollzogen hat oder aber das Einverstaendnis zu einer kuenstlichen Befruchtung gegeben hat. Selbst ein Mann der verhueteten Geschlechtsverkehr mit einer Frau hatte, muss deshalb fuer ein nicht gewolltes Kind aufkommen. Denn ein Restrisiko verbleibt auch bei noch so guter Verhuetung immer.
Hier jedoch fand nie ein Zeugungsakt statt. Es ist IMHO unsittlich, wenn jetzt der Vater zur Erfuellung eines "Vertrags" gezwungen wird (eben der Unterhaltspflicht gegenueber dem Kind), den er nie eingegangen ist oder den er zumindest nie in Kauf genommen hat. IMHO muesste hier die Mutter entweder allein fuer das Kind aufkommen oder aber, falls sie dazu nicht in der Lage ist, der Staat mit Sozialhilfe einspringen.
Ich haette schon ein wenig Zivilcourage des Richters erwartet; die Gerechtigkeit bleibt bei sturem Rechtsformalismus manchmal auf der Strecke. Auch auf die Gefahr hin, jetzt etwas abstrakt zu werden: Ich erwarte von einem Richter nicht nur, dass er nach dem Buchstaben des Gesetzes richtet sondern auch, dass er den Geist des Gesetzes interpretiert; dazu gehoert aber auch, dass er sich mit den ethischen Implikationen der Rechtsauslegung im Einzelfall auseinandersetzt. Ansonsten braeuchten wir ja gar keine Gerichte.
Durch den rasanten Fortschritt der Gentechnik in der kuenstlichen Befruchtung von Eizellen, sollte sich die Rechtsprechung ohnehin mit diesem Problem auseinandersetzen. Wenn in der Zukunft naemlich eine Einzelle nicht nur mit maennlichen Samenzellen sondern auch mit normalen Zellen befruchtet werden kann, stellt sich hier ebenfalls das Problem von Missbraeuchen; denn solche Zellen waeren wesentlich einfacher zu beschaffen als Samenzellen. Waere schade, wenn die Gesetzgebung hier wieder einmal hinterherhinkt, auch wenn die bestehenden gentechnischen Verfahren zurzeit noch wenig ausgereift und mit hohem Risiko behaftet sind.

Während die Unterhaltsforderungen nach dem Familienrecht berechnet werden, und der Betrug nach dem Strafrecht verurteilt wurde, sollte die HAFTUNG der Kindsmutter für den angerichteten Schaden nach dem Zivilrecht festgestellt werden, nämlich Haftung aufgrund eines Vergehens. Danach sollte der Mann darauf klagen können, den von ihm geforderten Unterhalt vollständig von der Kindsmutter zurückzuerhalten, sofern sie dazu wirtschaftlich in der Lage ist. Vielleicht wäre es dem Zivilrichter möglich, die beiden Geldbeträge direkt miteinander zu verrechnen, vielleicht müsste die Kindsmutter außerdem auch die Steuer zahlen, die der Kindsvater nicht absetzen kann für den Unterhalt: er stünde plus minus Null, sie im Minus. Nur wenn sie nicht pfändbar wäre, müsste der Vater aufkommen. Ein ganzes Leben in einer Bruchbude, um den Vater zu schröpfen, ein schönes Leben ...

Eben deshalb halte ich den Weg der nachtraeglichen zivilrechtlichen Klage des Vaters gegen die Mutter fuer falsch. IMHO muesste die Kindesunterhaltsforderung an den Vater wegen grober Unbilligkeit abgelehnt werden.
Die Gesetze muessen letzten Endes ja auch einem Minimum an Gerechtigkeit genuegen. Und dem Kind waere es ohnehin egal, ob der Kindesunterhalt vom leiblichen Vater kommt oder vom Staat. Hier kann sich IMHO der Staat nicht einfach zulasten eines Unterhaltsverpflichteten aus der Verantwortung stehlen.

Die Frage der Adoption oder Nichtadoption ist von diesen Ueberlegungen unberührt, dafür gelten andere Kriterien. Auch eine Verbrecherin kann eine gute Mutter sein.

Teilweise richtig. Der unterhaltsrechtliche Aspekt ist fuer die Frage der Adoption oder Nichtadoption irrelevant. Anders verhaelt es sich jedoch mit dem Verhalten der Mutter in diesem speziellen Fall. Es ist halt ebenfalls eine Form von Kindesmisshandlung, dem Kind den Vater vorzuenthalten; insbesondere auf diese perfide Weise, in der die Vater-Kind-Bindung gar nie Bestandteil des Lebensentwurfs der Mutter (auch fuer das Kind) war. Leider wird dies in Deutschland (und auch in der Schweiz) so gut wie nie beruecksichtigt, obwohl beide Laender die UNO-Kinderrechtskonvention ratifiziert haben.
Aber eine genauere Abklaerung muesste vorher auf jeden Fall durchgefuehrt werden; vielleicht kaeme ein psychologisches Gutachten auch zu einem anderen Ergebnis, als der Mutter das Kind wegzunehmen. Wie schon erwaehnt, waere auch die Verbringung des Kindes zu einer Pflegefamilie moeglich, da eine zwangsweise Freigabe zur Adoption ein sehr schwerer Eingriff in das Leben des Kindes und der Eltern ist.

Gruss

Maesi


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