Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: nunja...

Altschneider, Monday, 11.07.2005, 17:09 (vor 7455 Tagen) @ Andreas (d.a.)

Als Antwort auf: Re: nunja... von Andreas (d.a.) am 09. Juli 2005 00:37:

Hallo, Andreas,

Diese Vergleiche mit Tieren sind immer ein bisschen problematisch: Weißt Du, was ein Tier fühlt, oder welche Form der Reflexion stattfindet, bevor es sich zu einer Handlung entschließt - wenn es sich denn "entschließt"?

Das ist tatsächlich problematisch - habe ich deswegen auch nie behauptet, sondern nur auf den Unterschied zwischen äußerer Beschreibungsebene und innerem Erleben hingewiesen. Auch ich ziehe den Begriff Instinkt bei Tiere vor.

Reflexion - im Bezug auf Menschen - ist sehr stark an Sprache gebunden, bzw. durch deren Struktur geprägt;

Richtig, deswegen können wir auch über unsere Instinkte reflektieren, sie auch sozial modifizieren und uns rational damit auseinandersetzen. Darum geht es ja in den untigen Bespielen. Aber es muss ja in der Menschheitsentwicklung eine vorsprachlich Form von Verhaltenssteuerung gegeben haben - welche Situationen meide ich, welche suche ich auf, wie verhalte ich mich wann, wie entscheide ich in Konflikten. Schau dir mal die offensichtlichen inneren Konflikte (die sich in der Körpersprache äußern) bei Kommentkämpfen an.

Könntest Du Dein Konzept von "Instinkt" in diesem Zusammenhang etwas näher >ausführen? Warum sind hier die Artgenossen eine Bedrohung? Ich denke, im >Bezug auf die Einschätzung dieser konkreten Situation sind kulturelle >Einflüsse wesentlich bedeutsamer, denn Du nimmst nicht automatisch vor >Menschen reißaus.

Die Artgenossen könnten eine Bedrohung sein - ich hatte darauf hingewiesen, dass man dieses Gefühl haben könnte (im Kontext nachts und dunkle Gasse). Da es nur ein Beispiel war, habe ich mich halt für dies Variante entschieden, ich hätte auch als Beispiel bringen können, dass man sich freut, sie zu sehen. Ich finde, warum ein Beispiel so und nicht anders lautet, bringt einfach nichts.

Was hier viel mehr eine Rolle spielen dürfte, ist das Bewusstsein, z.B. >über die Kriminalstatistik, vielleicht eine Einschätzung ihrer Kleidung, >mit der eine bestimmte, für Dich gefährliche Gesinnung zum Ausdruck >gebracht wird, usw.

Ich glaube kaum, dass man sich in dieser Situation die Kriminalstatistik vor auch führt. Aber sei es drum, ich hatte kulturelle Aspekte ja auch nie bestritten, bloß wird das an deinen Gefühlen nur dann etwas änderen, wenn diese durch Erfahrung modifiziert werden. Da Gefühle eben mit Erinnerungen gekoppelt werden können, können die Auslöser natürlich variiren.

Erstens gehst Du implizit vom Prinzip der freien Partnerwahl aus, das bezogen auf die Geschichte eine eher relativ neue Entwicklung darstellt und, im ethnologischen Kontext betrachtet, auch heute nur eine Möglichkeit neben vielen ist.

Nein, gehe ich nicht, weder ex- noch implizit. Was man fühlt und tust, sind 2 paar Dinge, wie ich auch schrieb. Kultur hat eben die Aufgabe (unter anderem natürlich, man fasst unter diesem Begriff ja mehr zusammen), Instinkte zu modifizieren, und natürlich spielen die unterschiedlichen Formen und Möglichkeiten der Parnerwahl hier eine Rolle. Und genau darum gibt es bestimmte Formen von Kulturen, die verhindern sollen, dass resourcenstarke Männer bevorzugt werden (wofür es verschiedene Gründe geben kann). Genau deshalb gibt es Tabus, die ja sinnlos wären, wenn dies ein gefühlsadäquates Verhalten wäre, das ohnehin jeder wählt.

Partnerwahl also auf einen rein "biologischen" Standpunkt begrenzen zu wollen, wirft die Frage auf, wie mit den jeweiligen kulturspezifischen Einflüssen umzugehen ist. Denn diese gibt es nun mal, und ich fürchte, um die "evolutionäre Formel" hier passend machen zu können, bedürfte es einer moralischen Bewertung.

Überhaupt, da ist es schon wieder, wie oben - du unterstellst mir etwas und argumentierst dann aufgrund der Unterstellung. Ich habe nie behauptet, dass wir unseren Instinkten freien Lauf lassen können.

Zweitens wäre zu untersuchen, ob in Gesellschaften, in denen eine freie Partnerwahl möglich ist, Frauen sich wirklich immer so entscheiden (z.B. sich einen erfolgreichen und ressourcenstarken Partner suchen). - Ein Gegenbeispiel, das mir auf Anhieb einfällt, sind die Mosuo (z. Naxi) im Südwesten Chinas. Bei den Mosuo werden keine Ehen geschlossen, die Frauen haben die Wahl des Partners und die Vaterschaft ist weder an Rechte oder Pflichten gebunden. Um die Kinder speziell kümmert sich statt dessen der Bruder der Mutter. Die Mosuo werden immer als Beleg für Überbleibsel eines ehemaligen Matriarchats angeführt (die marxistische Geschichtsschreibung brauchte einfach ein Matriarchat), aber sie sind eigentlich kein Matriarchat; es handelt sich einfach um eine andere Form von Verwandtschaftsstruktur. Im Fall dieser Ethnie kommen daher aber die oben genannten Faktoren, die im Rahmen unserer Gesellschaft bei der Partnerwahl eine Relevanz haben, nicht zum Tragen. Auch hier stellte sich die Frage, wie man im Rahmen einer "evolutionären" Theorie mit den Fakten umginge ...

Ja, den Fall kenne ich. Ist ja ein sehr bekanntes Beispiel aus der Soziobiologie für eine klassische promiske Gesellschaft mit vielen Partnerwechseln. Daher wohl auch die matriliniare Vererbung bzw. Erziehung. Wenn der Wahrscheinlichkeit für den Geschlechtspartner extrem sinkt, der genetische Vater des Kindes zu sein, wird er sich auf die konzentrieren, die mit Sicherheit mit ihm verwandt sind - die Kinder der Schwester eben. Ich fand es immer erstaunlich, das Bachofen dem Matriachat alle Merkmale eine promiken Gesellschaft zuordnete - oder ist das zwangsläufig so?

Zuletzt müsste auch die Frage gestellt werden, ob weitverbreitete Ähnlichkeiten im Verhalten nicht auch den vielerorts ähnlichen Lebensumständen und den Möglichkeiten, die diese nahelegen, geschuldet seien könnten.

Klar müsste es das, ebenso wie die Frage gestellt werden muss, ob Lebensumstände, die immer wieder ähnlich entstehen, auch unter verschiedenen Voraussetzungen, den gleichen Instinkten geschuldet sind. Ich stelle diese Fragen?

Diese Ähnlichkeiten wäre in einem soziokulturellen Erklärungsmodell >vermutlich leichter zu erklären als die Ausnahmen in einem evolutionären >Modell "wegzuerklären".

Wegerklären will niemand etwas und es ist die Frage, warum soziologische Modelle etwas erklären, biologische etwas wegerklären sollten. Ich denke, alle Wissenschaften beschreiben mit unterschiedlichen Methoden und ansetzen die gleiche Realität( sieht man mal von den feministischen Wissenschaftsansätzen ab).

Daher halte ich solche Dikussionsansätze wie oben für nicht besonders fruchtbar - und bitte daher um Verständnis, dass ich jetzt weder weiter darauf eingehe (auch nicht aus Susus Verwechlung von Instinkt und Trieb). Dogmen habe ich im Feminismus genug.

Wir können uns, wenn Interesse besteht, gerne privat noch weiterdiskutieren. Sonst kommen wir ziemlich vom Forumsthema weg.

Grüße
Altschneider


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