Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: nunja...

susu, Saturday, 09.07.2005, 03:41 (vor 7458 Tagen) @ Altschneider

Als Antwort auf: Re: nunja... von Altschneider am 08. Juli 2005 21:02:

Wenn es mich auch ankäst, dass uralte Erkenntnisse als neu verbraten werden, muss ich doch die Leutchen gegen deine Kritik in Schutz nehmen. Was du verwechselst, ist Reflex - eine quasi automatische, immer gleiche Reaktion auf einen Reiz und Instinkt, der mit Maschinen so gar nichts zu tun hat. Das wird vielleicht klar, wenn du daran denkst, dass das, was bei Tieren, weil von außen betrachtet, Instinkt heißt, beim Menschen, in der Innenwahrnehmung, Gefühl ist.

Nope. Was subjektiv Gefühl ist, ist bei Tieren ein "Trieb". Mehr und mehr stellt sich heraus das es Instinkt vermutlich nicht so gibt, wie er klassisch definiert wurde, denn viele Verhaltensweisen bei Tieren, die bislang als instinktiv galten, stellen sich als erlernt heraus (z.B. die Gesänge vieler Vogelarten). Aus heutiger Sicht ist es Zweifelhaft, ob neben Reflexen, Trieben und erlerntem Verhalten überhaupt noch die Notwendigkeit einer weiteren Kategorie existiert.

Wenn du nachts durch eine dunkle Gasse gehst und siehst vor dir eine Gruppe Leute rumlungern, wirst du dich vielleicht beklommen fühlen (der Gefahreninstinkt) besonders aufmerksam sein oder die Straßenseite wechseln - oder mitten durch laufen. Bei manchen Menschen fühlst du dich wohler als bei anderen, Umgang pflegst du mit beiden, aber mit den sympatischen mehr. Das zeigt, das Instinkt zwar dein Verhalten beeinflussen kann, aber nicht bestimmen, je nach Erfahrung und sozialer Prägung sind Alternativen möglich. Du kannst sogar völlig gegen deine Gefühle handeln. Im Allgemeinen jedoch werden Gefühle und damit Instinkte dein Handeln beeinflussen. Und bei Dingen wie Zuneigung, Liebe, Partnerschaft spielen sie eine noch größere Rolle. Demzufolge finden Frauen wie Männer bestimmte Partner attraktiv oder nicht - und wenn es weltweit die gleichen Verhaltensmuster gibt (wie dass, das Frauen erfolgreich und damit resourchenstarke Männer bevorzugen oder eben während der fruchtbaren Zeiten eher zum Seitensprung neigen, wenn sie denn schon einen festen Partner gefunden haben), kann man schon davon ausgehen, dass dort eher instinktives Verhalten eine Rolle spielt.

Hier wären wir bei den Trieben. Und die sind normalerweise nicht auf so komplexe Situationen adaptiert, wie hier geschildert. Dein Beipiel zeigt das: Beklommenheit oder Angst zeigen sich in vielen unterschiedlichen Situationen. Für den Komplex Beziehungen spielen im wesentlichen 3 Triebe eine Rolle:
a) Freundschaft. (OK, schluderig übersetzt "Kinship"), also das Gefühl einer Gruppe zuzugehören
b) pair-bonding, also die Bildung einer Zweierbeziehung
c) Orgasmen. Selbsterklärend. Diese Triebe sind nicht so stark Situationsgebunden, wie hier geschildert wird, insbesondere, da es sich funktional um Belonungseffekte handelt (d.h. das Gefühl entsteht durch die Handlungen, wärend z.B. Angst durch Handlungen reduziert werden kann). D.h. wir können unser Verhalten belohnt sehen, wenn wir so handeln, daß wir diese Gefühle haben. Wie diese Gefühle zu erlangen sind lernen wir.

Und es ist schon legitim, in die Vergangenheit zurückzugehen oder Vergleiche mit anderen Arten anzustellen.

Nicht unbedingt. Insbesondere deshalb weil der Mensch bestimmte Eigenschaften hat, die anderen Arten abgehen (klassisches Beipiel ist der Gedanke ein Mann sei nicht treu, weil er viele Kinder zeugen könne. Geht man dem Biostatistisch nach findet man, daß ein solches Verhalten im Schnitt zu weniger Nachkommen führt, die sich reproduzieren können). Um eine Analogie zu ziehen müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
1) Alle für die Analogie relevaten Eigenschaften müssen übereinstimmen.
2) Es gibt keine Art, bei der die gleichen Eigenschaften vorkommen, die aber die Analogie nicht erfüllt.

Selbst wenn diese Kriterien erfüllt sind, ist die Analogie noch ein recht schwaches Argument.

Szenarien zu bilden, eine in sich schlüssige Geschichte zu erfinden, die zu den Fakten passt, ist schon gefährlich, da gebe ich dir recht. Aber der Vergleich mit heute lebenden Arten ist durchaus hilfreich. Säugetiere mit langen Tragzeiten und einer langen Aufzuchtzeit der Jungen haben die gleichen Probleme wie wir und sie haben sie auch gelöst. Also kann man schauen, wie dort die Lösung aussieht, welche Rolle Männchen spielen, sind sie Versorger, sind sie es nicht, wie interagiert die Gruppe, wie erfolgreich ist das Verhalten, gemessen an der Sterblichkeit der Jungen usw. Das hat erstmal nicht damit zu tun, dass Menschen eine besondere Form von Intelligenz besitzen, sondern nur damit, dass die möglichen Lösungen für ein Problem endlich sind und somit unabhängig voneinander entwickelt werden und sich eben auch gleichen.

Richtig. Nur bei den betrachteten Eigenschaften gibt es eine ganze Reihe verschiedener Lösungen. D.h. wir bekommen Probleme mit Voraussetzung 2.

Und natürlich spielt Verwandtschaft auch eine Rolle, wir sind ja nicht etwas in die Welt geworfenes, sondern etwas gewordenes und damit haben wir auch eine Geschichte, die sich heute noch in unserem Wesen wiederspiegelt, aber das erläutert ja meisterhaft Garfield.
Dies ist jetzt zwar etwas neben dem Thema, aber mal ganz interessant.
Ich jedenfalls freue mich jedesmal, wenn ich an meine Vorfahren zurückdenke, die es geschafft haben, seit mehr als 1 Milliarde Jahren zu überleben.

3,5 um genau zu sein. Ich finde in der Debatte wird oft zu sorglos mit der Evolutionstheorie umgegangen, zumal sie ser breiten Masse nicht im Detail bekannt ist. Und gerade was das Verhalten unter Evolutionsbiologischen Aspekten angeht wimmelt es von just-so-stories, die oftmals der Prüfng nicht standhalten. (und trotzdem liegt bei mir die Rohfassung eines Papers zur Menschlichen Sexualität rum. Wenn ich mal Zeit habe und meine Arbeit zur Biodisparität endlich vom Tisch ist, werde ich mich mal wieder drum kümmern)

susu


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