Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung
Als Antwort auf: Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung von Andreas (d.a.) am 10. Juli 2005 00:07:
Hallo Andreas
vielleicht reden wir aneinander vorbei, weil wir unterschiedliche Vorstellungen von "Trieb" haben, bzw. nicht zu der Einigung finden, dass Trieb beim Tier und Gefühl beim Menschen das gleiche meint: "Trieb" bedeutet in meinem Verständnis eine gattungsspezifische Notwendigkeit, "Gefühl" impliziert eine individuellen Aspekt.
Das schließt sich nicht aus.
Das Problem ist nicht das Beteiligtsein von Gefühlen an Entscheidungen, sondern ihre vermeintliche Stringenz. Gemäß dieser Auffassung wäre es niemandem möglich, sich gegen seine Gefühle zu einer Handlung zu entschließen, es sei denn, er entschiede sich statt dessen für die Idee von Gefühlen in weiterer Zukunft.<(I>
Ja.
Das bewusste Den-Gefühlen-entgegen-Handeln (z.B., wenn die Entscheidung eben jede weiteren Gefühle ausschlösse) fiele hier ebenso als Möglichkeit heraus wie das ziellose Herumexperimentieren. - Okay, zum letzteren Punkt meintest Du, Neugier sei ein Gefühl ... hm. In diesem Punkt würde ich sogar von einem Trieb sprechen (auch wenn es offensichtlich einige Leute gibt, bei denen dieser zum Erliegen gekommen zu sein scheint), aber das beruht auf meiner Unterscheidung, da das zu erwartende Gefühl hierbei eben nicht feststeht. (Aus diesem Grund täte ich mich schwer, Neugier ein "Gefühl" zu nennen - und finde es nach Deiner Theorie ebenfalls schwer, da Gefühl ja Erwartung von Bekanntem zu meinen scheint.)
Im Grunde ist Neugier etwas, was sich aus dem Gefühl ableitet, daß bei den Verstehen eines Sachverhalts entsteht. Also auch ein Verhalten, daß von einer Belohnung gesteuert wird. Zielloses Herumexperimentieren ist nicht das Ergebnis einer Entscheidung, sondern das einer fehlenden Entscheidung.
Ich wusste, dass dieser Gedanke kommen würde; deswegen bin ich gezielt von einem areligiösen Attentäter ausgegangen. Die Anschläge auf Hitler waren sicher nicht alle christlich oder muslimisch motiviert, nicht?!
OK, trotzdem stellt sich die Frage nach der Motivation. In diesem Fall ist sie schwer zu beantworten, aber wenn wir berücksichtigen, daß Menschen gerne mal ihren Tod ignorieren, könnte z.B. das Gefühl der Zusammengehörigkeit, also group-bonding eine Rolle spielen.
Auf dieser Schiene unterstellst Du, dass das Attentat in unserem Beispiel aufgrund einer (vermutlich) falschen Annahme über die Folgen für den Attentäter selbst ausgeführt würde. Ich ging jedoch von dem Fall aus, dass der Betreffende sich seines Opfers bewusst ist. Dass dabei Gefühle im Spiel sein können, ist nicht der Punkt. Das entscheidende ist, dass das Gefühl dem Mann sagt: "Lauf! Vergiss den Plan. Such Dir eine Insel weit weg und sorg für Dich selbst. Du kannst hier nichts gewinnen."
Die Frage lautet: Ist das das einzige Gefühl. Und ich bin mir sicher, daß es das nicht ist.
Aus diesem Grund finde ich das Beispiel mit den Ratten auch nicht sehr passend. Selbstmordattentate sind in der Regel kein durch rituelle Wiederholung erlerntes Verhalten - die Betreffenden haben selten mehr als einen Versuch.
Es ist ein Beispiel für Verhalten, daß auf der Kombination Fehleinschätzung/Emotion beruht.
Es sind singuläre Ereignisse, die auch nicht durch Wiederholung eingeübt werden. Der gravierendste Unterschied - und das versuchte ich zuvor schon zu sagen - ist die Bedeutung von Sprache und abstrakten Konzepten im Bezug auf menschliches Denken und Handeln.
Richtig, aber weiterhin würde ich hier von quantitativen, nicht qualitativen Unterschieden sprechen.
Wenn wir schon bei den Ratten sind: Die Handlung ist auf das Gegenständliche gerichtet. - Nie wird eine Ratte aber auf den Gedanken kommen, den Futterautomaten durch extreme Überbeanspruchung soweit zu schrotten, dass der Wärter aus Verzweiflung vielleicht dazu gebracht wird, sie in Freiheit auszusetzen oder in einen anderen Käfig (nebst attraktiven Rattenfreundinnen). Oder schlicht den bzgl. des Ziels offenen Gedanken haben: "Hui, mal sehen, was passiert, wenn ich das Ding kaputt spiele ..." - Das wichtigste Gegenargument liegt aber in dem von Dir beschriebenen beobachtbaren Resultat des Versuchs selbst: Mit diesem Experiment reklamiertest Du einen Allgemeinheitsanspruch für die "Funktionsweise" von Ratten. Wenn dieses Resultat einen Ausdruck der Funktionsweise des Triebs darstellen soll, dann funktioniert er bei Menschen ganz offensichtlich nicht.
Menschen handeln fast immer nach diesem Prinzip. Von Astrologie und ähnlichen bis hin zur Wissenschaft (induktive Methode).
Die empirische Vielfalt menschlichen Handelns scheint doch ganz offensichtlich auf keine zwingende Notwendigkeit hinzudeuten, genauso wie die höchst unterschiedlichen Geschmäcker für Kunst.
Die Ratten verhalten sich alle unterschiedlich, nur ein sehr basales Muster ist unversell.
- Dass jeder Mensch eine andere persönliche Geschichte mit anderen persönlichen Erfahrungen hat, kann man hier nicht gelten lassen - es sei denn, Du sprächst das den Ratten explizit ab (Sheldrake aloha!). Doch auch das würde nur wieder den Unterschied zwischen Menschen und Tieren betonen.
Aber die Ratten zeigen Individuelles Verhalten, je nachdem was sie gerade taten als das erste Pellet kam. Die eine Ratte bewegt das linke Vorderbein hin und her, die andere Ratte läuft zwei Schritte vor und zwei zurück...
Um mal irgendwie den Bogen zum Forum zurück zu bekommen - Dein Thema hier seit Jahren: die soziale Konstruktion von Geschlecht und deren (Zwangs-?)Aufrechterhaltung; das "doing-gender" als performative Handlung, dessen "Sinn" doch theoretisch eine Beschneidung der Möglichkeiten des Individuums (und in Deinen Augen wohl eine kontinuierliche Verirrung) darstellt - wie passt das in dieses Schema?
Ich mache das mal einem sehr grob vereinfachten Modell fest:
Die klassischen Geschlechtsvorstellungen gehen von einer intellektuellen Unterlegenheit der Frauen und der emotionalen Unterlgenheit der Männer aus. Das bedeutet, daß jeder Mensch sofort den Vorteil hat, sich für einen Teil der eigenen Persönlichkeit nicht verantwortlich zu fühlen. Langfristig würden sich alle besser fühlen, wenn die Leute versuchen würden an ihren Defiten zu arbeiten, aber kurzfristig läßt sich diese Mühe vermeiden, indem auf Geschlecht gepocht wird.
Die Frage muß also immer lauten: Welche kurzfristigen Gewinne ziehen Menschen aus einer Sache und welche langfristigen Gewinne werden dadurch unmöglich. Genau hier liegt die Entscheidungsfreiheit.
susu
gesamter Thread:
- Blitzmerker - GenderWissenschaft entdeckt altbekanntes neu -
Altschneider,
08.07.2005, 12:14
- das kann doch wohl nicht war sein !wieder mit der Maus über das ganze Spielfeld - Antwortenschreiber, 08.07.2005, 14:45
- Re: Blitzmerker - GenderWissenschaft entdeckt altbekanntes neu -
Jeremin,
08.07.2005, 17:36
- Re: nunja... -
Andreas (d.a.),
08.07.2005, 18:00
- Re: nunja... -
Garfield,
08.07.2005, 21:47
- Re: nunja... -
susu,
09.07.2005, 00:16
- Re: So hätt man 's auch schreiben können (n.T.) - Andreas (d.a.), 09.07.2005, 01:06
- Re: nunja... -
Scipio Africanus,
11.07.2005, 14:53
- Re: nunja... - Wodan, 11.07.2005, 15:01
- Re: nunja... - Garfield, 11.07.2005, 19:37
- Re: nunja... -
Andreas (d.a.),
09.07.2005, 01:03
- Scheingefecht -
Wodan,
09.07.2005, 12:54
- Re: Scheingefecht -
susu,
09.07.2005, 16:47
- Re: Scheingefecht - Eugen Prinz, 09.07.2005, 17:39
- Re: Scheingefecht -
Andreas (d.a.),
09.07.2005, 17:50
- Re: Scheingefecht -
susu,
09.07.2005, 20:12
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
Andreas (d.a.),
09.07.2005, 21:15
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
susu,
10.07.2005, 01:06
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
Andreas (d.a.),
10.07.2005, 03:07
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
susu,
10.07.2005, 19:49
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung - Andreas (d.a.), 11.07.2005, 00:32
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
susu,
10.07.2005, 19:49
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
Andreas (d.a.),
10.07.2005, 03:07
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
susu,
10.07.2005, 01:06
- Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung -
Andreas (d.a.),
09.07.2005, 21:15
- Re: Scheingefecht -
susu,
09.07.2005, 20:12
- Re: Scheingefecht - Wodan, 11.07.2005, 21:47
- Re: Scheingefecht - Andreas (d.a.), 11.07.2005, 00:34
- Re: Scheingefecht -
susu,
09.07.2005, 16:47
- Re: nunja... - Garfield, 11.07.2005, 13:38
- Scheingefecht -
Wodan,
09.07.2005, 12:54
- Re: nunja... -
Gast,
09.07.2005, 15:38
- Re: nunja... -
Garfield,
11.07.2005, 12:55
- Re: nunja... -
Wodan,
11.07.2005, 14:55
- Re: nunja... -
Garfield,
12.07.2005, 13:27
- Der Glaube an "Kontrolle" ... - Sven, 12.07.2005, 15:32
- Re: nunja... -
Garfield,
12.07.2005, 13:27
- Re: nunja... -
Flint (vorher Gast),
11.07.2005, 19:32
- Ich auch nicht! -
Wodan,
11.07.2005, 21:36
- Re: Ich auch nicht! - Wodan, 12.07.2005, 00:34
- Ich auch nicht! -
Wodan,
11.07.2005, 21:36
- Re: nunja... -
Wodan,
11.07.2005, 14:55
- Re: nunja... -
Garfield,
11.07.2005, 12:55
- Re: nunja... -
susu,
09.07.2005, 00:16
- Re: nunja... - Wodan, 08.07.2005, 22:43
- Re: nunja... -
Altschneider,
09.07.2005, 00:02
- Re: nunja... -
Andreas (d.a.),
09.07.2005, 03:37
- Re: nunja... - Altschneider, 11.07.2005, 17:09
- Re: nunja... - susu, 09.07.2005, 03:41
- Re: nunja... -
Andreas (d.a.),
09.07.2005, 03:37
- Re: nunja... -
Garfield,
08.07.2005, 21:47
- Re: Blitzmerker - GenderWissenschaft entdeckt altbekanntes neu -
Odin,
09.07.2005, 17:10
- Re: Blitzmerker - GenderWissenschaft entdeckt altbekanntes neu - Jeremin, 09.07.2005, 19:16
- Re: nunja... -
Andreas (d.a.),
08.07.2005, 18:00