Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung

Andreas (d.a.), Monday, 11.07.2005, 00:32 (vor 7456 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Triebe, Gefühle und Entscheidungsfindung von susu am 10. Juli 2005 16:49:50:

Hallo susu.

Das schließt sich nicht aus.

Es ist aber auch nicht dasselbe.

>Das Problem ist nicht das Beteiligtsein von Gefühlen an Entscheidungen, sondern ihre vermeintliche Stringenz. Gemäß dieser Auffassung wäre es niemandem möglich, sich gegen seine Gefühle zu einer Handlung zu entschließen, es sei denn, er entschiede sich statt dessen für die Idee von Gefühlen in weiterer Zukunft.

Ja.[/i]

Hm, ich sehe schon, worauf das in etwa hinausläuft. - Irgendwann gab es mal die Theorie eines Psychologen (Eugen weiß evtl. den Namen), nach der es für Handlungen keine anderen Motive als Eigeninteresse bzw. Selbstsucht gab. Altruismus, als Versuch eines Gegenbeispiels, wurde konzeptuell z.B. dadurch "entkräftet", dass der Nutzen hier für einen selbst eben ideeller Natur sei, und so etwas wie Altruismus demnach in Wirklichkeit nichts als versteckte Selbstsucht sei. Diese Theorie erhob auch bei extremsten Formen der Selbstschädigung noch den Anspruch, mit ihrer Sichtweise eine Erklärung zu liefern. Eine Bedeutung für die Empirie hat diese Theorie nicht, denn auch mit ihr Verhalten nicht vorhersagbar. Ihr eigentlicher "Wert" liegt wohl eher in ihrer Weltdeutung und ihrem Menschenbild, die eine bestimmte Vorstellung von Freiheit auf Grund des angenommenen zwingenden Triebs ausschließen. Nur - es bleibt eine Deutung. Die Theorie, die Du hier umreißt, kommt mir irgendwie wie eine modifizierte Form jener Theorie vor ... (Wo wir schon dabei sind: Was hältst Du von Freuds "Todestrieb"?)

Im Grunde ist Neugier etwas, was sich aus dem Gefühl ableitet, daß bei den Verstehen eines Sachverhalts entsteht. Also auch ein Verhalten, daß von einer Belohnung gesteuert wird. Zielloses Herumexperimentieren ist nicht das Ergebnis einer Entscheidung, sondern das einer fehlenden Entscheidung.

Und kommt es vor, das ziellose Herumexperimentieren?

OK, trotzdem stellt sich die Frage nach der Motivation. In diesem Fall ist sie schwer zu beantworten, aber wenn wir berücksichtigen, daß Menschen gerne mal ihren Tod ignorieren, könnte z.B. das Gefühl der Zusammengehörigkeit, also group-bonding eine Rolle spielen.

Das ist nicht die Frage. Wie gesagt, es geht nicht um das Vorhandensein von Gefühlen. Die Ausgangsthese war, dass das Handeln generell von für einen selbst zu erwartenden positiven Empfindungen bestimmt sei. Innerhalb dieser Deutung kannst Du so etwas wie Selbstmordattentate nur dadurch erklären, dass jene Attentäter allesamt geblendete, sich in den Folgen ihres Handelns irrende Menschen seien. Den sich der Folgen bewussten Attentäter schließt sie aus. - Natürlich können Gefühle beteiligt sein. Aber einen Trieb, der auf die Umstürzung eines antidemokratischen, autoritären politischen Systems zielt, evolutionär zu begründen, dürfte schwer sein. Politische Systeme sind kulturelle Schöpfungen, deren Erschaffung ebenso wie deren Verständnis auf einem anderen Level abläuft als jene Prozesse, die sich bei Tieren finden (darum werden Bienen- oder Ameisenstaaten nicht mal eben demokratisch). Ein Konzept wie z.B. die Forderung der Durchsetzung der Menschenrechte in China zu fordern, mit einem Trieb zu begründen, fiele mir ebenfalls schwer. Welchen persönlichen Nutzen hätte es, die Durchsetzung eines Konzepts auch in Teilen der Welt zu fordern, mit denen ich nie in Kontakt kommen werde (und gerade das ist ja der explizite Geltungsanspruch der Menschenrechte)?

Die Frage lautet: Ist das das einzige Gefühl. Und ich bin mir sicher, daß es das nicht ist.

Nein, denke ich auch nicht. An dieser Entscheidung werden vielfältige Gefühle beteiligt sein. - Ausgangspunkt war aber die These, der Trieb zwinge uns zu für uns selbst zu erwartenden, positive Gefühle bedeutenden Handlungen. Das Beispiel des illusionslosen, atheistischen Selbstmordattentäters sollte zeigen, dass eine Tat auch durch eine abstrakte Idee motiviert sein könne, auch wenn deren Ausführung die Selbstvernichtung impliziert. - Ich kenne kein Beispiel, in dem ein Tier für eine Ideologie gestorben wäre.

Es ist ein Beispiel für Verhalten, daß auf der Kombination Fehleinschätzung/Emotion beruht.

Moment - Du hast hier nicht gerade die "Freiheit der Entscheidung" gekippt und statt dessen die Unterscheidung "richtig<->falsch" auf ihren Platz gesetzt? - Das wäre dann Theologie ...

Richtig, aber weiterhin würde ich hier von quantitativen, nicht qualitativen Unterschieden sprechen.

Ich nicht, aus im Dikussionsverlauf dargelegten Gründen.

Aber die Ratten zeigen Individuelles Verhalten, je nachdem was sie gerade taten als das erste Pellet kam. Die eine Ratte bewegt das linke Vorderbein hin und her, die andere Ratte läuft zwei Schritte vor und zwei zurück...

Sicher. Und wird ein anderes Verhalten belohnt, während das erste keine Reaktion mehr hervorruft, werden sie sicher über kurz oder lang zu diesem übergehen. - Nur - eine Ratte wird z.B. kaum den Gedanken haben, sich in einem Versuchsaufbau zu befinden, dessen Versuchsleiter es evtl. ein Vergnügen sein könnte, sie gemäß seiner Voraussage reagieren zu sehen, und, um ihm die Freude zu vermasseln, seinen Erwartungen statt dessen nicht zu entsprechen, auch wenn dies für sie Verzicht auf die leckeren Cornflakes bedeutete. Dieses Verhalten wäre für eine Ratte ja auch nicht unbedingt sehr sinnvoll, nicht?

Ich mache das mal einem sehr grob vereinfachten Modell fest: Die klassischen Geschlechtsvorstellungen gehen von einer intellektuellen Unterlegenheit der Frauen und der emotionalen Unterlgenheit der Männer aus. Das bedeutet, daß jeder Mensch sofort den Vorteil hat, sich für einen Teil der eigenen Persönlichkeit nicht verantwortlich zu fühlen. Langfristig würden sich alle besser fühlen, wenn die Leute versuchen würden an ihren Defiten zu arbeiten, aber kurzfristig läßt sich diese Mühe vermeiden, indem auf Geschlecht gepocht wird.
Die Frage muß also immer lauten: Welche kurzfristigen Gewinne ziehen Menschen aus einer Sache und welche langfristigen Gewinne werden dadurch unmöglich. Genau hier liegt die Entscheidungsfreiheit.

Gut, es ging mir ein klein bisschen was anderes, aber das hebt die Frage einfach mit einer leicht veränderten Ausrichtung auf ein neues Level, nämlich: Warum scheint es manchen Menschen erstrebenswert, Verantwortung zu negieren, während andere gerade in deren Übernahme ihre Bestimmung sehen? Trieb?

Ich geh jetzt meine Ratten füttern. - Vielleicht haben sie deshalb so viel Individualität und Charakter, weil ich keinen Fütterungsautomaten im Käfig habe? Aber ich glaube, es gefällt mir besser so. Und ihnen ja vielleicht auch (hoffentlich).

Grüße,

Andreas :-)


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