Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Nachtrag

Chato, Tuesday, 23.01.2007, 08:53 (vor 6894 Tagen) @ Chato

Die Enzyklika "Mit brennender Sorge" wurde am 21. März 1937 in allen Katholischen Kirchen verlesen und als Druck unter Geheimhaltung vielerorts unter den Katholiken verbreitet. Nach dem Krieg wurde sie vom Bischöflichen Ordinariat Berlin nochmals veröffentlicht und mit einem Vorwort versehen, das einen plastischen Einblick in die damaligen Verhältnisse gibt. Deshalb stelle ich dieses Vorwort hier rein:

"In diesem Vorwort wollen wir den Leser zunächst an einige kirchen-geschichtliche Ereignisse kurz erinnern, die der Herausgabe der weltberühmten Enzyklika Papst Paus' XI. ?Mit brennender Sorge" an den katholischen Erdkreis vorausgingen.

Anschließend soll ein Überblick über die Maßnahmen folgen, die der Bischof von Berlin traf, um die Veröffentlichung der päpstlichen Botschaft im Bezirk des Bistums Berlin trotz der Gestapo zu erreichen. Schließlich sollen einige der Folgen, die sich aus der Verlesung der Enzyklika ergaben, angeführt werden, soweit der Bischof von Berlin davon berührt oder damit befaßt wurde. Die nationalsozialistische Reichsregierung ergriff bereits im April 1933 die Initiative, um mit der Kurie über den Abschluß des Reichs-Konkordates zu verhandeln. Diese Verhandlungen gingen so schnell vor sich, daß der Text des Konkordates bereits am 8. Juli 1933 paraphiert wurde. Am 20. Juli 1933 wurde er von den Vertragspartnern im Vatikan unterzeichnet. Die Veröffentlichung erfolgte am 10. September 1933 in den Acta Apostolicae Sedis, dem offiziellen Organ des Heiligen Stuhles, und im Reichsgesetzblatt am 12. September 1933. Rückblickend kann man feststellen, daß der Abschluß des Reichskonkordates von Adolf Hitler als nichts anderes als ein bewußtes Täuschungsmanöver gegen die Kirche, gegen das Inland und das Ausland geplant und durchgeführt worden war. Demzufolge zeigten die nach Abschluß des Konkordates von den Vertretern des deutschen Episkopats geführten Verhandlungen über die Ausführungsbestimmungen, daß die Reichsregierung nicht gewillt war, loyal die einzelnen Artikel des Konkordates durchzuführen. Zu der gleichen Ansicht mußte der Heilige Stuhl kommen, dem das Auswärtige Amt auf alle Proteste und Beschwerden wegen Verletzung des Konkordates ausweichend und unsachlich antwortete. Papst Paus XL entschloß sich daraufhin, in einer eigenen Enzyklika sowohl die unaufhörlichen Vertragsverletzungen der nationalsozialistischen Reichsregierung als auch den wahren Stand des religiösen Lebens in Deutschland gegenüber der verlogenen Propaganda darzulegen. Über dies hinaus sollte die Enzyklika jene Wahrheiten des katholischen Glaubens darstellen, die Gegenstand besonderer Angriffe der nationalsozialistischen Weltanschauung waren. Zugleich wollte der Papst den bedrängten deutschen Katholiken ein Wort des Trostes senden.

Ein Zeichen für die bedrängte Lage, aber auch für den Abwehrwillen der katholischen Kirche in Deutschland war, daß der deutsche Episkopat sich in dem schweren Kampfjahr 1937 zweimal zu einer Plenar-Konferenz in Fulda zusammenfand, während sonst die Konferenz nur einmal im Jahre in der zweiten Augusthälfte stattfand. In gemeinsamer Beratung wurden, dort die Maßnahmen festgelegt, die die Freiheit des religiösen Lebens schützen sollten.

Infolge der kirchenfeindlichen Maßnahmen von Staat und Partei im Jahre 1936, aber auch im Hinblick auf die sich abzeichnende Entwicklung, war es Anfang 1937 erkennbar, daß der Nationalsozialismus weitere, härtere Schläge als bisher gegen die katholische Kirche plante. Am 12. und 13. Januar 1937 fand in Fulda die außergewöhnliche Bischofskonferenz statt. Unmittelbar nach der Konferenz begaben sich die drei deutschen Kardinäle: Erzbischof Dr. Adolf Bertram von Breslau, Erzbischof Dr. Michael von Faulhaber, München, Erzbischof Dr. Joseph Schulte, Köln, und die beiden Bischöfe Dr. Konrad Graf von Preysing, Berlin, und Clemens August Graf von Galen, Münster, auf Einladung des Papstes nach Rom. Die geplante Reise wurde so geheimgehalten, daß selbst die anderen Mitglieder der Bischofs-Konferenz nichts davon wußten. Der 80jährige Papst Paus XL, den Krankheit zum erstenmal in seinem Leben zwang, das Bett zu hüten, empfing gemeinsam mit dem Kardinalstaatssekretär Pacelli die Vertreter des deutschen Episkopats am 17. Januar 1937, 10 Uhr vormittags, in seinem Schlafzimmer. Bischof von Preysing hat über diese Konferenz in Stichworten eine Niederschrift abgefaßt, in der es heißt: ?Ergreifend vor allem die übernatürliche Auffassung seines Leidens; er sei bisher im Leiden unerfahren gewesen, Analphabet, Gottes Güte habe ihm Gesundheit gegeben, und die Arbeit war ihm Freude - nunmehr soll er in die Leidensschule gehen, um Christi Leiden besser zu verstehen - ut misericors fieret (damit er barmherzig würde); in einer so steinigen, so trüben, so bedrohlichen Lage opfere er diese Leiden auf für alle die leidenden Glieder des Leibes, hauptsächlich pro Germania, für Deutschland.

Ergreifend war sein Gottvertrauen: ,Er hat nicht gesagt: ?Ich werde bei euch sein", sondern: ?Ich bin bei euch!" Er ist noch im besonderen bei uns in der heiligen Eucharistie.' Er hoffe auf Gottes Beistand, so schwer die Sorgen seien. Tief empfundene Anerkennung für Kardinal Pacelli; mit Tränen in den Augen dankte er ihm für die ungeheuer große Arbeit. Es gehe keine Zeile heraus, von der er nicht Kenntnis habe. Zum Schluß dankte er für alle Gebete - man möge aber nicht eigentlich für seine Wiederherstellung beten, sondern dafür, daß er arbeitsfähig bleibe.

Er wolle mit dem hl. Martinus von Tours sagen: Non recuso laborem (ich scheue nicht vor der Arbeit zurück) und das Wort ergänzend erweitern: Peto laborem, non recuso dolorem (ich verlange nach der Arbeit und scheue nicht vor dem Schmerz zurück)! Besonderen Segen für die Berliner Diözese; als Capitale habe sie ein Anrecht auf etwas Besonderes. Er sei nicht Pessimist von Natur; er sei es auch nicht, weil er meine, Gott habe mit der Zeit etwas Besonderes vor - non praevalebunt (sie werden sie nicht überwinden)."

Welchem Ziel diente die mündliche Berichterstattung, die der Papst trotz seiner Krankheit von den deutschen Bischöfen entgegennahm? Er wollte sich unmittelbar durch die berufenen Hüter und Verteidiger der religiösen Freiheit in Deutschland über die Lage informieren lassen, ehe er sich entschloß, den nationalsozialistischen Staat und die nationalsozialistische Partei vor aller Welt der Christenverfolgung anzuklagen.

Es war natürlich vorauszusehen, daß der nationalsozialistische Staat die Veröffentlichung der Enzyklika mit allen Mitteln zu verhindern suchen würde, wenn er vorher von dem Inhalt Kenntnis erhielte. Daher mußten die Vervielfältigung und der Versand der einzelnen Exemplare an die Pfarrämter möglichst geheim vor sich gehen. Am Sonntag, dem 14. März 1937, überreichte der Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo dem Bischof von Berlin zwei Exemplare der päpstlichen Enzyklika, die durch Sonderkurier von Rom nach Berlin gebracht worden war. Am Montag, dem 15. März, beriet sich der Bischof mit seinen kirchenpolitischen Sachbearbeitern über die Frage, in welcher Form die Enzyklika vervielfältigt werden sollte. Das Naheliegende, den Text in der ?Germania" drucken zu lassen, konnte wegen der Gefahr des Verrates an die Gestapo nicht in Betracht gezogen werden. Aus dem gleichen Grunde wurde auch der Plan, sie in der Salvatordruckerei drucken zu lassen, zunächst fallen gelassen. Die Besprechung führte zu dem Ergebnis, daß trotz des umfangreiches Textes die Vervielfältigung mit Wachsplatten hergestellt werden sollte. Zu diesem Zweck wurde ein abseits von den Verwaltungsräumen liegendes Zimmer ausgewählt, so daß auch innerhalb des Bischöflichen Ordinariats in der Behrenstraße die Arbeit durchgeführt werden konnte, ohne unnötiges Aufsehen zu erregen.

Um die Texte ohne Inanspruchnahme der Post den einzelnen Pfarrämtern der räumlich ausgedehnten Diözese zustellen zu können, wurde folgender Plan festgelegt: Die Erzpriester von Groß-Berlin wurden für Sonnabend, den 20. März, zum Bischöflichen Ordinariat bestellt, um dort für die Pfarreien ihres Archipresbyterats die Texte" zu empfangen. Die Pfarreien in Brandenburg und Pommern wurden zu Gruppen zusammengestellt, denen Kuriere mit Kraftwagen die Enzyklika im Laufe des Freitag und Sonnabend zuzustellen hatten. Am Dienstag, dem 16. März, suchte der Apostolische Nuntius den Kardinal von Breslau auf, um mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz den Termin festzulegen, wann die Enzyklika verlesen werden sollte. Da der Termin der Veröffentlichung im ?Osservatore Romano" für die Ausgabe am 22.-23. März vorgesehen war, blieb keine andere Wahl, als den Palmsonntag, den 21. März, als Verlesungstag zu bestimmen. Denn nach dem 22. März würde die Weltöffentlichkeit von dem Inhalt Kenntnis haben, und die Reichsregierung würde alles daransetzen, um innerhalb Deutschlands jede Verbreitung der Enzyklika zu unterbinden. Am gleichen Dienstag fuhren die Kuriere der Nuntiatur nach Süd- und Westdeutschland, um den Bischöfen die Texte der Enzyklika zu überbringen. Nach vorsichtiger Schätzung hatten am Dienstag abend ca. 100 Personen in Deutschland Kenntnis von dem Inhalt der Enzyklika. Diese Zahl mußte' sich von Tag zu Tag erhöhen. Wird die Stapo oder eine Parteistelle oder eine Staatsstelle durch eine Unvorsichtigkeit oder durch Verrat vorzeitig von der Enzyklika Kenntnis erhalten? - war die bange Frage. Wider alles Erwarten erfuhren die Staats- und Parteistellen bis Sonnabend, den 20. März, nichts. Der Bischof "bezeichnete das als ein halbes Wunder. Dann aber liefen Informationen bei der Stapo und bei den Ministerien ein, die zunächst in unbestimmter Form auf eine ungewöhnliche, scharfe Stellungnahme der Kirche gegen den Nationalsozialismus schließen ließen. Am Sonnabend mittag rief z. B. die Redaktion einer Londoner Zeitung in Berlin an und verlangte den Text der Enzyklika von ihrer Berliner Vertretung. Am Nachmittag gegen 17 Uhr erschienen Beamte der Gestapo im Germania-Verlag und erkundigten sich nach dem Druck eines Hirtenbriefes, ?dessen Inhalt für Staat und Partei erschütternd" sein solle. Der gefragte Schriftleiter konnte mit gutem Gewissen alles Wissen über diesen angeblichen Hirtenbrief abstreiten. Daraufhin riefen die Beamten bei dem Direktor des Verlages und bei den beiden Prokuristen in der Wohnung an und stellten dieselbe Frage. Auch hier erhielten sie einen negativen Bescheid. Alle Polizeistationen wurden alarmiert und erhielten den Befehl, auf jeden Fall die Verbreitung des ?Hirtenbriefes" in gedruckter Form zu unterbinden. Die Enzyklika wurde in allen Kirchen und Kapellen fast ohne jeden Zwischenfall verlesen. Nur in der Pfarrei Eichwalde bei Berlin wurde der Text nach der Verlesung von der Polizei beschlagnahmt. Auf der Pfarrei Eberswalde erschienen am gleichen Sonntag, morgens 6.30 Uhr, zwei Beamte und fragten, ob der heute zur Verlesung kommende ?Hirtenbrief" auch in gedruckter Form verbreitet würde. Als der Pfarrer dies verneinte, gaben sie sich zufrieden. Als ungewollter, aber aufschlußreicher Kommentar zu der Enzyklika erschien am Montag, dem 22, März 1937, im ?Völkischen Beobachter" der Artikel ?Treuepflicht und Reichskonkordat". Darin wurde mit nationalsozialistischen Argumenten das Recht des Staates dargelegt, vertragsbrüchig werden zu können. Somit wurde unfreiwillig die Wahrheit des ersten Teils der Enzyklika bestätigt. Das Reichspropagandaministerium erkannte die für die Reichsregierung peinliche Situation und verbot der Presse den Nachdruck des Artikels mit der. gleichzeitigen Feststellung, daß er nicht als Antwort auf die Enzyklika anzusehen sei. Der deutschen Presse wurde ferner verboten, von der Enzyklika Notiz zu nehmen. Wie völlig überrascht die amtlichen Stellen waren, bewies die fernmündliche Bitte des amtlichen deutschen Nachrichtenbüros (DNB) an das Bischöfliche Ordinariat am 22. März um Überlassung des Textes. Während die ausländischen Zeitungen bereits in größter Aufmachung davon berichteten, hatte- das offizielle Deutsche Nachrichtenbüro also noch nicht einmal den Text vorliegen. Aus zuverlässiger Quelle erfuhr der Bischof, daß Hitler über die Enzyklika einen Wutanfall bekommen und der Gestapo schwerste Vorwürfe wegen der mangelnden Überwachung gemacht hatte. Im Auswärtigen Amt und in allen anderen Ministerien war man äußerst verstimmt.

Da am Montag, dem 22. März, nicht die erwarteten staatspolizeilichen «Maßnahmen erfolgten, entschied der Bischof, daß in der Salvatordruckerei 30 000 Exemplare der Enzyklika zur weiteren Verbreitung gedruckt werden sollten. Am Mittwoch, dem 24. März, aber ging folgender Schnellbrief des Reichskirchenministers beim Bischöflichen Ordinariat ein:

?Das päpstliche Rundschreiben an die Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands vom 14. März 1937 stellt eine schwere Verletzung der im Reichskonkordat festgestellten Vereinbarungen dar. Es steht im krassen Widerspruch mit dem Geist des Konkordats und seinen ausdrücklichen Bestimmungen.

Das Rundschreiben enthält schwere Angriffe auf das Wohl und Interesse des deutschen Staatswesens. Es versucht, die Autorität der deutschen Reichsregierung herabzusetzen, das Wohl des deutschen Staatswesens nach außen zu schädigen und vor allen Dingen durch den unmittelbaren Appell des Vertragspartners der Reichsregierung an die katholischen Staatsbürger den inneren Frieden der Volksgemeinschaft zu gefährden. Für ein derartiges feindseliges Verhalten bietet das Reichskonkordat keine Freistatt. Es wird weder durch seinen Geist noch durch die ausdrücklichen Bestimmungen gedeckt.

Daher werden den Bischöfen und sonstigen Ordinarien unter Berufung auf Artikel 4 des Reichskonkordates vom 20. Juli 1933 Druck, Vervielfältigung und Verbreitung des Rundschreibens in jeder Form verboten.

Daraufhin ordnete der Bischof an, die Salvatordruckerei möchte verständigt werden, den Druck nicht weiter fortzusetzen. Die Exemplare waren aber bereits ausgedruckt. Der Bischof ließ sie unauffällig ins Bischöfliche Ordinariat kommen und verbarg sie in seinen Fremdenzimmern. Am 26. März erließ auf Befehl Hitlers SS-Obergruppenführer Heydrich eine Anordnung an alle Gestapostellen, die folgende drei Maßnahmen befahl:

?1. Alle vorhandenen Exemplare der Enzyklika sind zu beschlagnahmen. Laien sind sie in geeigneter Form wegzunehmen. Kirchen, Pfarrhäuser, Klöster sind nicht zu durchsuchen.
2. Amtsblätter, die die Enzyklika abgedruckt haben, sind auf drei Monate zu verbieten.
3. Druckereien und Verlage, die sie gedruckt haben, sind sofort zu schließen. Die hierfür Verantwortlichen sind nach Berlin zu melden."

In dem Erlaß wurde ferner mitgeteilt, daß weitere Maßnahmen folgen würden. Bereits am Karfreitag begannen in ganz Deutschland die Staatspolizeistellen mit der Ausführung dieses Befehls. Durch umsichtiges Handeln gelang es dem Bischof, die 30 000 Exemplare der gedruckten Enzyklika vernichten zu lassen, so daß die Salvatordruckerei vor dem sicheren Untergang bewahrt blieb. Die Wirtschaftsgruppe Papier und Druck, die Treuhänder der Arbeit und die Deutsche Arbeitsfront setzten sich für die betroffenen Druckereien ein. Sie wiesen darauf hin, daß nicht so sehr die Drucker und ihre Arbeiter im Sinne des Staates schuldig wären als vielmehr die kirchlichen Würdenträger, die den Auftrag zum Druck erteilt hätten. Dieselbe Auffassung vertrat zunächst auch der Sachbearbeiter auf dem Gestapoamt in der Prinz-Albrecht-Straße. Er äußerte zu einigen betroffenen Druckereibesitzern, die bei ihm vorsprachen: ?Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich weiter nach oben gegriffen. Die fünf Bischöfe, die in Rom gewesen sind, haben die Sache eingebrockt. Wenn ich zu bestimmen hätte, hätte ich die fünf Burschen an der Grenze verhaftet. Stellen Sie sich vor, Stalin bestellt in München bei einem Drucker eine kommunistische Broschüre gegen den nationalsozialistischen Staat. Was würde mit dem Drucker geschehen? Er würde an die Wand gestellt werden. Die Bischöfe haben Landesverrat geübt. Die kirchenpolitische Lage ist so gespannt, daß sie gar nicht schärfer sein kann."

Am Montag, dem 5. April, fand in der Berliner Kurie unter dem Vorsitz des Bischofs von Preysing eine Besprechung von Vertretern derjenigen Ordinariate statt, in deren Bezirk Druckereien geschlossen worden waren. Zu gleicher Zeit beriet in Berlin auch die andere Seite über das kommende Schicksal der beschlagnahmten Druckereien. Während sich die Vertreter der weltlichen berufsständischen Organisationen für die Wiedereröffnung einsetzten, sprachen sich die Vertreter der Gestapo und des Propagandaministeriums scharf dagegen aus. Sie erklärten, daß keinerlei Rücksicht auf die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu nehmen sei, daß vielmehr die Angelegenheit rein politisch zu beurteilen sei.

In der Pfarrei St. Michael, Berlin, stellte Kaplan Hack mit dem Abziehapparat Tausende von Exemplaren der Enzyklika her und verteilte sie an die Berliner Katholiken. Die Gestapo kam in der ersten Aprilhälfte dahinter, hielt Haussuchung und beschlagnahmte die noch vorhandenen Exemplare und den Apparat und verhaftete einige Tage später den Kaplan, der für seinen Mut mit 100 Tagen Einzelhaft im Berliner Polizeipräsidium büßen mußte. Am 15. April veröffentlichte das Deutsche Nachrichtenbüro folgende Meldung:
"DEUTSCHER PROTEST BEIM VATIKAN - Der deutsche Botschafter beim Vatikan hat im Auftrage der Reichsregierung in einer dem Kardinalstaatssekretär übermittelten Note gegen die Ausführungen der päpstlichen Enzyklika vom 14. März schärfste Verwahrung eingelegt."

Am 1. Mai nahm Hitler auf der großen Kundgebung im Berliner Lustgarten zu der päpstlichen Enzyklika öffentlich Stellung: ?... Auch die Kirchen unterstehen der Staatsautorität. Das gilt auch für alle Kirchen. Soweit sie sich um ihre religiösen Probleme kümmern, kümmert sich der Staat nicht um sie. Wenn sie versuchen, durch irgendwelche Maßnahmen, Schreiben, Enzykliken usw. sich Rechte anzumaßen, die nur. dem Staat zukommen, werden wir sie zurückdrücken in die ihnen gebührende geistlich-seelsorgerische Tätigkeit. Es geht auch nicht an, von dieser Seite aus die Moral eines Staates zu kritisieren, wenn man selbst mehr als genug Grund hätte, sich um die eigene Moral zu kümmern. Für die deutsche Staats- und Volksmoral wird schon die deutsche Staatsführung Sorge tragen - das können wir all den Besorgten in und außerhalb Deutschlands versichern...."

Mit dem Erlaß vom 25. Mai 1937 erklärte der Reichsinnenminister unter Bezugnahme auf das Gesetz vom 14. Juli 1933 über Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens, daß die Druckereien, die das päpstliche Rundschreiben gedruckt hatten, damit volks- und staatsfeindliche Bestrebungen verfolgt haben. Demzufolge wurden die Druckereien enteignet. Hiervon wurden im deutschen Reichsgebiet 12 Druckereien betroffen, die insgesamt über 200 000 Exemplare der Enzyklika hergestellt hatten. Gegen diese Maßnahme legte Kardinal Bertram von Breslau durch Schreiben vom 11. 6. 1937 an den Reichsinnenminister namens der deutschen Bischöfe feierlich Verwahrung ein.

Dieser kurze Rückblick auf die mit der Enzyklika im Zusammenhang stehenden Ereignisse im Bistum Berlin zeigt zur Genüge, wie hart, wie schwer der Kampf der Kirche war. Niemand konnte mit Sicherheit voraussagen, wie die Reichsregierung auf die Veröffentlichung dieses Dokumentes reagieren würde. Bischof Graf von Preysing rechnete mit seiner Verhaftung und traf am Sonnabend, dem 20. März, für diesen Fall die erforderlichen Dispositionen. Der Leser wird bei der Lektüre dieses historischen Dokumentes an die schweren und dunklen Zeiten erinnert werden, die die Kirche unter der nationalsozialistischen Religionsverfolgung durchleben mußte.

Mag auch die Enzyklika in dem einen oder anderen Teil nur noch geschichtliches Interesse beanspruchen können, in ihrem Kern enthält sie in meisterhafter Kürze und in klarer Form die Darstellung der für alle Zeiten geltenden religiösen Wahrheiten."

(Ende des Vorworts von 1947)


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