Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Charakterdeformierender Auswirkungen kollektiver Kindererzie

Garfield, Friday, 18.08.2006, 15:00 (vor 7051 Tagen) @ Nihilator

Hallo Nihi!

"Hää? Was? Woran denn dann?"

Wie ich schon geschrieben habe: An der ideologischen Verbohrtheit der DDR-Führung. Man richtet meist Schaden an, wenn man den Kurs nicht nach den realen Erfordernissen ausrichtet, sondern nach irgendwelchen theoretischen ideologischen Erwägungen.

"War es nicht die diesem System innewohnende miserable Motivation und Ineffektivität, die ihm das Genick gebrochen hat?"

Auch. Aber wie wäre es gewesen, wenn man nicht den Fehler gemacht hätte, die vielen kleinen und mittleren Unternehmen platt zu machen oder zu vergraulen? Wären die auch so ineffektiv geworden? Hätten die staatlichen Großunternehmen es sich mit dieser Konkurrenz dauerhaft leisten können, uneffektiv zu arbeiten?

Manche Kleinfirmen haben ja sogar noch bis zum Ende der DDR überlebt. In meiner Schulklasse gab es damals zwei Jungen, deren Väter Besitzer solcher kleinen Unternehmen waren. Der eine hatte ein Mini-Fuhrunternehmen (mit nur einem LKW, wenn ich mich recht erinnere), der andere eine Autowerkstatt.

Der Fuhrunternehmer hielt sich wohl gerade so über Wasser, aber der Besitzer der Autowerkstatt hat gut verdient und war damals steinreich. Der konnte sich alles leisten.

Dann kam die Wende. Der Fuhrunternehmer gab sehr schnell auf. Das lag keineswegs daran, daß er sich nicht auf die Marktwirtschaft einstellen konnte (was ja immer gern unterstellt wird). Das Hauptproblem bestand darin, daß seine Kunden ziemlich schnell platt gemacht wurden. Neue Kunden fand er kaum, weil die westlichen Firmen, die sich dann ansiedelten, schon längst Verträge mit großen Fuhrunternehmen hatten. Er hatte wohl auch nicht genügend finanzielle Rücklagen, um seine Ausrüstung zu modernisieren und schon rein technologisch mit größeren Unternehmen mithalten zu können. Er hatte nun einfach keine Chance mehr.

Der Besitzer der Autowerkstatt hatte auch nach der Währungsumstellung gute finanzielle Rücklagen. Die Autowerkstatt brachte nun zwar allein nicht mehr genug ein, aber er konnte in eine neue Verkaufshalle investieren und stieg dann in den Autoverkauf ein. Er wollte hoch hinaus und machte deshalb erst einmal einen Vertrag mit Chrysler. Leider wurden dann aber viele Leute in der Gegend erwerbslos, und diejenigen, die noch Jobs hatten, mußten mit 50-70% des Westlohns auskommen, bei sich schnell angleichenden Lebenshaltungskosten. Die teuren Chrysler-Autos blieben also stehen, und er wechselte bald zu Suzuki. Das lief besser, denn zu der Zeit war Autohandel im Osten noch ein florierendes Geschäft, jedenfalls wenn man sich auf Klein- und Mittelklassewagen oder Gebrauchtwagen konzentrierte.

So schossen überall Autohäuser wie Pilze aus dem Boden, und als der Markt gesättigt war, wurde das Geschäft härter, vor allem für kleinere Autohäuser, die auch keine Riesen-Kredite von den Banken kriegen. Das bekam dieser Händler nun auch zu spüren. Seine Rücklagen schmolzen dahin, und er mußte schließlich Kredite aufnehmen, in der Hoffnung, daß die Durststrecke bald vorbei sein würde.

Aber es wurde immer schlimmer. Die Kaufkraft der potenziellen Kunden brach mehr und mehr weg, und als dann noch eine neue Straße gebaut wurde und kaum noch Durchgangsverkehr am Autohaus vorbei kam, war endgültig Schluß. Mittlerweile hat er Insolvenz angemeldet und muß nicht nur die Verkaufshalle und die Werkstatt, sondern auch sein Haus abgeben.

Würde die DDR heute noch bestehen, dann würde er dort noch reich und sorgenfrei leben. Aber so...

"Ich bin ein wenig verblüfft. Der Sozialismus, eine gute Sache, aber leider nur falsch gemacht? Daran glaube ich nie im Leben."

Warum nicht? Was ist an der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik so schlecht gewesen?

"Das ähnelt ziemlich den Argumentationen der Christen, bei denen es zu keiner Zeit und nirgendwo richtige Christen gab, jedenfalls nicht da, wo Christen Unheil angerichtet haben. Ideologie und Religion sind wohl gar nicht so verschieden, ersteres ist ein notdürftiger Ersatz für zweiteres."

Du meinst also, Sozialismus müsse immer zwangsläufig zu einer stalinistischen Diktatur führen? Es gibt Gegenbeispiele. Außerdem betrachten manche Linken auch den Faschismus als extreme Form des Kapitalismus. Nach dieser Logik müßte man also auch den Kapitalismus verteufeln.

Tatsächlich sind solche Diktaturen völlig unabhängig von Kapitalismus oder Sozialismus, und auch von Religion. Diktatoren benutzen aber gern Ideologien oder auch Religionen, um an die Macht zu gelangen.

""Vereinfachungsgesetze" machen stets komplizierter, "Bürokratieabbaugesetze" schaffen stets Stellen für neue Bürokraten. Ist wohl ein Naturgesetz."

Nein. Ich denke, das hat System. In Politik und Verwaltung besteht ein großes Interesse daran, immer mehr Stellen für Bürokraten zu schaffen. Jeder hat da Verwandte oder Bekannte, die dort gern untergebracht werden möchten, und gegebenenfalls kann man vielleicht auch mal selbst solche gemütlichen Posten besetzen, wenn man aus dem Amt ausscheiden muß. Der Steuerzahler wirds schon noch irgendwie finanzieren.

"Übrigens kann man ein bGE-Konzept wie das der PsgD keineswegs unter sozialistisch oder auch nur links verbuchen. Es enthält ja neben sozialen auch enorme marktwirtschaftliche Komponenten."

Das ist ja auch kein Widerspruch.

Freundliche Grüße
von Garfield


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