Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Vom Denken und vom Tun

Chato, Thursday, 26.04.2007, 14:46 (vor 6812 Tagen) @ roger

Hallo Roger!

So ist es. Wir können eben alle aus unserem empirischen Käfig
hinausdenken. Aber das Wissen darum sollte uns die Freiheit geben, sogar
dem "Ich", besser dem "Nicht-Ich" einerseits gelassen andererseits aber
auch skeptisch gegenüber zu stehen ? genau an dieser Stelle setzt ja
Glaube und Hoffnung ein.

Wir sind uns näher, als sich mit Worten ausdrücken läßt :-)

Zu Glaube und Hoffnung kommt bei mir die Liebe hinzu ("diese drei - die größte aber ist die Liebe"). Warum? Was ich nicht weiß, weiß Gott. Und dem stehe ich nicht skeptisch gegenüber. Er übernimmt sozusagen all das, wo ich skeptisch - also nicht wissend - bin. Also praktisch alles. Mit dem Rest bin ich schon beschäftigt genug und es reicht lässig für ein einzelnes Leben. Das versteht man aber nur, wenn man nicht das Bild hat, der andere (also ich) verbände ein bestimmtes Bild mit dem, was ihm in Liebe alles ihm Unbekannte verbürgt. Gott ist vollkommen unbegreiflich! Aber er wurde Mensch. Das ist mir genug Grund zu vertrauen, wo ich halt nicht weiß. Warum wäre er sonst Mensch geworden? Noch dazu mit solcher Radikalität: bis an's Kreuz? "Leute! Habt keine Angst! Ich habe den Tod überwunden. Er konnte mich nicht tot sein lassen. Niemand kann das. Nicht mal die abscheulichste Todesfolter des schier allmächtigen Imperium Romanum. Wenn die es nicht konnten - wer dann? Habt also keine Angst. Es ist unnötig. Ich habe es bewiesen. Erzählt es weiter, daß niemand Angst haben muß - vor Nichts und Niemandem."

Ich habe es mir angewöhnt, dieses Phänomen mit der gebotenen Güte (Metta)
zu betrachten und finde es - bis auf die schlimmsten Auswüchse -
amüsant-folkloristisch.

Güte / Nächstenliebe / Geduld / Gelassenheit / Gottvertrauen... Es ist ein konsistentes Gefüge für mich. Freilich, Güte kommt es nicht darauf an, gütig zu scheinen, sondern gütig zu sein. Das schließt also auch Entschlossenheit und Strenge mit ein. Es kann mir nicht darum gehen, für gütig zu gelten... Du verstehst?

Das ist die Bruchstelle zwischen Ideologie und Glaube. Der eine sagt, da
hatte jemand in grauer Vorzeit eine Idee, und "Geschichte" hat im Laufe
der Jahrtausende diese Idee zur Religion, zur "Ideologie" transformiert.
Der andere wird diesen "Ideologieverdacht" entrüstet von sich weisen,
indem er sagt, dass dies keine Idee sondern "wahres Gotteswort" ist.
Fortan wird Begriffsverwirrung zwischen beiden herrschen. Lass mich mal
raten ? das ist dir bestimmt schon öfters passiert?

Dir doch auch. Deshalb bemühst du ja nun Worte, um eben das zu tun, was dir an anderen "auch schon aufgefallen ist" :-) Konkret: Christlicher Glaube gründet nicht auf einer Theorie, sondern auf der Erfahrung einer Begegnung: auf der Kommunion. Das ist kein äußerliches Geschehen, sondern ein inneres. Wenn ein Ahnungsloser dir vorhielte, "Sitzen und Lesen und Sutren rezitieren" sei äußerliches Remmidemmi, das sich darauf beruft, was von irgendwelchen Bikkhus auf verschiedenen Konzilien nach Buddhas Tod als Kanon festgelegt wurde... was würdest du erwidern? Eben. Erfahrung macht der, der sie macht. Wer sie nicht macht, kann nicht mitreden - bzw. seine Rede ist dann eben irrelevant, weil völlig unwissend. Schau, und hier wärest du dann eben genauso ideologisch in Bezug auf meine Erfahrung, die du als "Ideologie" mißverstehst, weil du sie nicht kennst, wie es jener Imaginäre in Bezug auf dich wäre, der dir mit der "historischen Fragwürdigkeit des Pali-Kanons" deine Erfahrung abspräche. Kein Grund zur Aufregung. Aber Gelegenheit vielleicht, absolute Unterscheidungen hinsichtlich "jener ist ideologisch, ich aber nicht" als Keim dessen zu erkennen, was du nicht für möglich hältst, weil "der Buddhismus ja nicht ideologisch ist". Na klar, reiner, christlicher Glaube ist ebenfalls total unideologisch. Aber das hilft mir selber nur, wenn dieser Glaube auch eine Tatsache ist - und nicht bloß eine Idee. Nichts gegen gute Ideen, denn sie geben gute Richtungen vor. Aber die Richtung ist noch nicht der Weg, sondern der Weg ist das, was man selber geht. Der Rest ist - verzeih meine Beharrlichkeit - Ideologie, besonders wenn man nicht fähig wäre, das zu bemerken. Du begreifst, was ich sagen möchte?

Das, meine ich, kann nicht prinzipiell bestritten werden, für die
buddhistische Philosophie so wenig, wie für jede andere.


Doch, soweit es den Buddhismus betrifft, bestreite ich das. Buddhismus ist
ja gerade der einigartige Weg, die Phänomene des Seins in ihrer erfahrbaren
Qualität zu erkennen und je nach Erfordernis "aufzulösen", also auch und
gerade Ideologien, Weltsichten, Tunnelblicke, Menschenbilder etc. Wie weit
das dem einzelnen Buddhisten dann in der Tagesaktualität möglich ist, hängt
von seinen Lebensumständen und den persönlichen Fortschritten auf dem Weg
der Erkenntnis ab

Siehste! Scroll noch mal kurz nach oben: Sagte ich es nicht gerade eben...? :-)))

Das ist nach meinem Verständnis kein Paradoxon ? das ist für mich
buddhistisches Grundverständnis (s. Gleichnis von der Schlange), und Du
sagst es ja auch selber:

Was mir seither geblieben ist und mich nie mehr verlassen hat, ist freilich
ein prinzipielles Mißtrauen und eine hartnäckige Abneigung gegen alle
lediglich gedachten Erkenntnisse...


So ist es, so geht es mir auch, und zwar nicht nur als Gefühl sondern vor
allem als "Einsicht".

Naja, ganz bestimmt. Ich habe freilich meinerseits auch nicht über ein Gefühl geredet, sondern über eine Einsicht. Denn letztere kann begründet werden, was ich tat, ersteres jedoch nicht. Und hier wieder, bloß der Gründlichkeit wegen: Man kann das Gefühl haben, man hätte eine Einsicht - oder man hat eine Einsicht. Beides fühlt sich haargenau gleich an, ist aber was ganz anderes. Aber das fühlt man halt nicht... :-))

Du verstehst...? *LOL*

Wissenschaftliche Theorien gelten immer nur solange, bis das Gegenteil
bewiesen ist. Und wenn man zu Kenntnis nimmt, wie sich die Theorien vom
Anfang der Welt im Großen wie im Kleinen im letzten Jahrhundert verändert
haben, wie sich die Vorstellung vom Anbeginn der Welt mittlerweile zu
einem "subatomaren Flimmern" verflüchtigt hat, dann sehe ich den weiteren
Theorien mit buddhistischer Gelassenheit entgegen.

Ich mit christlicher Gelassenheit :-)

Hinzu kommt, dass sich mit jedem neuen wissenschaftlichen
Erkenntniszuwachs der Erkenntnishorizont weiter hinaus schiebt, oder mal
so ausgedrückt: Macht die Naturwissenschaft einen Schritt nach vorne,
entschwindet das Objekt der Begierde um zehn ? es wird immer unwirklicher
und nur noch über abstrakte Formeln "verstehbar"???

So ist es. Ich sehe da die Unergründlichkeit Gottes. Du die Unergründlichkeit. Wäre es anders, dann wäre ich nicht Christ, bzw. du nicht Buddhist, oder? *g*

Meinst Du mit "Ungelesenheit" = "Unlesbarkeit"? Ich kann weder das eine
noch das andere bestätigen. :-)

Das war eine subtile ironische Bemerkung, die nicht dich betraf. Aber es war zufällig noch etwas Platz unter dem Text. Also habe ich es geschwind dazugeschrieben. Man soll ja nichts umkommen lassen, heißt es... :-)

Gruß vom
Nick


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