Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Vom Denken und vom Tun

Chato, Tuesday, 24.04.2007, 22:06 (vor 6813 Tagen) @ roger

Guten Abend Roger!

Ich verstehe jetzt besser, worauf du hinauswillst, und stimme im Prinzip zu: ein Buddhist, der ernsthaft dem Dharma folgt, wird, wo er dies tut, kein Ideologe sein. Und was dich betrifft, könnte das so sein. Du bist mir hier jedenfalls von Beginn an durch eine wohltuende, allgemeine Ideologieresistenz aufgefallen.

Worauf ich aber ursprünglich und eigentlich hinauswollte, war das, was du im letzten Satz so formuliert hattest: "Sagt jemand, er oder sie sei Buddhist oder Buddhistin und dazu z.B. Feminist/in, dann mag er/sie alles Mögliche sein, auf gar keinen Fall aber Buddhist oder Buddhistin." Ich möchte das gerne dahingehend erweitern und verallgemeinern wollen, daß der Gedanke, überhaupt etwas zu sein, was man sich vorstellt, damit unvereinbar ist. Oder nicht? :-)

Nun sagen aber eben sehr viele - und ich behaupte weiter, es sind im Westen nach meiner Erfahrung die meisten (einer von ihnen war der eigentliche Auslöser meiner Einmischung) - sie seien Buddhisten, oder sie fänden den Buddhismus irgendwie "prima", oder sie kokettieren damit albern und wichtigtuerisch herum wie Mathieu Carrière oder sie benötigen es irgendwie als Zutat in ihrem ideologischen Esoterik-Cocktail usw. usf.

Mathieu Carrière ist daneben übrigens auch ein ziemlich peinliches Beispiel für die weit verbreitete Intoleranz und respektlose Herabsetzung "buddhophiler Exzentriker" gegenüber Christen. Man denke an seine theatralisch-geschmacklose "öffentliche Kreuzigung". Unser Brezelbub hier - und nicht allein er - wird das zwar bestimmt ganz hervorragend finden, weil es seinem Haß auf die Christen Erleichterung verschafft, aber irgendwie "buddhistisch" ist das natürlich nicht.

Das Etikett "Buddhismus" habe ich zu oft schmerzlich als eitle Form von exzentrischem Egoismus und als Rechtfertigung von Bindungslosigkeit und Verantwortungsablehnung gegenüber Anderen erlebt, als daß ich da von Ausnahmen reden würde. Es scheint manchmal geradezu so, als kennte der Buddhismus nicht etwa die Pflicht zur Sittlichkeit und zum Mitgefühl, sondern enthebe gewissermaßen von solchen lästigen Tugenden und erlaube statt dessen, sich das alles individuell und je nach "persönlichem Bedarf" zurechtzulegen. In dem Film "Ein Fisch namens Wanda" ist dieser schräge Typus des oberflächlichen "westlichen Buddhophilen" in der Gestalt des Otto West von Kevin Kline kongenial karikiert worden.

Der Anteil unethischer Leute mit bestem Gewissen ist unter denen, die das mit einem angeblich "undogmatischen Buddhismus" begründen, für meinen Geschmack bedrückend hoch. So als bewirke schon ein diffuses "Gutfinden Buddhas" gewissermaßen eine moralische Überlegenheit ohne persönliche Anstrengungen. Das ist natürlich ganz spießige Ideologie. Du wirst einwenden, daß das überhaupt keine Buddhisten seien, die sowas machen und ich stimme dir darin selbstverständlich vorbehaltlos zu. Aber es gehört nun mal zum kulturellen Phänomen "Buddhismus im Westen" dazu, wie die Kreuzzüge zum christlichen Abendland, die ja das Christentum ebenfalls nicht zu einer Ideologie von Kreuzfahrern machen, sondern schlicht unchristlich gewesen sind.

Ein anderes Massenphänomen beim "real existierenden Westbuddhismus" sind z.B. Großtreffen mit dem Dalai Lama. Ich habe mir das mal vor ein paar Jahren aus nächster Nähe angeschaut, um es zu studieren. Was ich erlebt habe, war eine riesige Fanveranstaltung von oftmals unreifen und geistig ziemlich unselbständigen Leuten, die eine blinde, messianische Heilserwartung auf ein Idol projizierten und dies für "buddhistisch" hielten. Ich konnte förmlich sehen und mit Händen greifen, wie dem armen Kerl das auf den Keks gegangen ist. Buddhistisch war das nicht, sondern meiner Meinung nach auf ziemlich verdrehte Art "atheistisch christlich" gewissermaßen. Auch solche kollektivistischen Phänomene gehören natürlich zur Wirklichkeit von "Buddhismus im Westen" - und es handelt sich nun mal um Massenphänomene.

Darüber, daß es das alles gibt und wie es zu bewerten ist, sind wir uns, wie ich deiner Entgegnung entnehme, im Prinzip einig. Über die quantitative Bedeutung womöglich nicht. Aber das braucht jetzt nicht als besonders wichtige Frage zum Streitpunkt werden. Außerdem ist es bei "den Christen" natürlich nicht anders. Ich persönlich vermute jedenfalls, daß die Zahl der "atheistischen Christen", die im Grunde ganz weltlich gesonnene Leute sind, die Zahl derer, die die Sache wirklich ernst nehmen, deutlich übersteigt - wobei hier freilich die wirklich wesentliche, unterscheidende Besonderheit besteht, daß Christen sich ja nicht selber befreien, sondern dies geschenkt bekommen in der Taufe, was für dich wiederum irreal sein wird, andernfalls du ja nicht Zuflucht bei der Lehre des Buddha genommen hättest. Aber das vermute ich natürlich nur, das kann ich nicht wirklich wissen.

Mein grundsätzlicher Ideologievorbehalt, der jede Lehre oder Philosophie, natürlich auch christlich begründete Philosophien, betrifft, ist, wie du sagst, tatsächlich die Konsequenz meines Lebensweges. Ich behaupte natürlich nicht, Philosophie sei per se eine Ideologie, aber in jeder ist diese Möglichkeit unausweichlich enthalten. Das, meine ich, kann nicht prinzipiell bestritten werden, für die buddhistische Philosophie so wenig, wie für jede andere. Der Anspruch einer Lehre bedeutet nun mal nicht, daß der Anspruch sich selbst erfüllt, sondern er muß konkret erfüllt werden von denen, die sich auf sie berufen. Ein bißchen hat deine Herleitung etwas, als würde zum Beispiel jemand sagen, Christen könnten nicht böse sein, weil sie ja ihren Nächsten lieben. Wenn sie das tun, stimmt das zwar, aber wenn sie es nicht tun, dann stimmt es eben nicht. Man könnte dann zwar sagen, die wären eben alles Mögliche, bloß keine Christen, und das wäre vermutlich auch ganz zutreffend. Aber ganz so leicht darf man es sich natürlich nicht machen. Anspruch und Wirklichkeit ist immer eine Spannung, in jeder Religion, in jeder philosophischen Schule, auch in jedem einzelnen Menschen. Wer das für sich selbst leugnet, an anderen aber messerscharf erkennt, landet im Geiste schwupsdiwups auf einem gauguin'schen "Südseeparadies", das von der Wirklichkeit so weit entfernt ist, wie das Einhorn von meiner Wohnungstür. Das gilt für jede Religion. Obwohl ich mit den Kreuzzügen nichts zu tun habe und mich vorher keiner gefragt hat, wie ich diese Idee finde, kann ich ja schlecht sagen, die Kreuzzüge wären nicht von Christen geführt worden. Wenn man das auf die Spitze triebe, dann wären in unserem Disput hier du der einzige Buddhist und ich der einzige Christ. Und daß es das nicht sein kann, versteht sich wohl von selbst... :-)

Das unterscheidende Kriterium ist immer die persönliche Wahrhaftigkeit von Praxis und wirklich gemachter Erfahrung. Nichts von dem, was ich oben aufzählte, betrifft dich, wenn du ein ehrlich Übender bist, der sich solches alles nicht zu eigen macht, sondern redlich seinen Weg geht. Eine Gedankensystem freilich, das nicht mehr als ein solches bleibt, ohne sich vor der Wirklichkeit zu rechtfertigen, realisiert a priori diese Sackgasse. Und das meine ich mit Ideologie bzw. ihrem Beginn. Um wahrhaftig zu sein, muß man tun, was man denkt, und dieses Tun muß natürlich sittlich gut sein, zum angestrebten Ziel führen und sich auf diesem Weg durch Dauer in der Zeit bewähren. Dabei verantwortet jeder strikt das, was er selber tut und unterläßt. Zur letzten Wirklichkeit selbst aber, so sage ich, dringt kein Denken vor - unter keinen Umständen. Rechtes Denken ist absolut unverzichtbar beim Vorankommen, aber beim Ankommen hilft es nicht nur nichts, sondern wird dort nachgerade zum entscheidenden Hindernis.

Das ist die zentrale Erfahrung meines Lebens, für die meine "buddhistischen Jahre" nicht ganz ohne Bedeutung gewesen sind. Aus deinen wenigen Äußerungen entnehme ich vermutend, daß du möglicherweise dem Theravada folgst, jedenfalls betonst du stark die intellektuelle Seite, was mich deshalb zu dieser Annahme bringt. Zen-Meditation ist, sehr im Gegensatz dazu, wie du wahrscheinlich weißt, ganz ausdrücklich kein philosophisch-intellektueller Weg, sondern zielt ganz im Gegenteil darauf ab, jegliches diskursive Denken restlos zu zerbrechen, um jenseits davon die Wirklichkeit selbst zu erfahren. Mich hat diese Erfahrung vor langer, langer Zeit (wieder) zum Christen gemacht. Die Details gehören nicht in ein öffentliches Forum, aber es war im Prinzip ziemlich genau das, was du mit "die Lehre des Buddha in die Tonne kloppen" bezeichnet hast. Im Zen gibt es ein Koan (das sind diskursiv nicht auflösbare Paradoxa, auf daß an ihnen das Denken scheitern und zerbrechen möge): "Wenn du auf dem Weg dem Buddha begegnest: töte ihn!" Genau das habe ich gemacht, nach neun harten Jahren, und es war wirklich die beste Tat überhaupt, die ich je begangen habe... :-))

Über die Hintergründigkeit dieses Satzes lasse ich mich, wie gesagt, nicht aus, aber es wird dir von selbst klar sein, daß damit wohl mehr gemeint sein wird, als nur ein Bruch (obwohl es definitiv ein solcher war). Was mir seither geblieben ist und mich nie mehr verlassen hat, ist freilich ein prinzipielles Mißtrauen und eine hartnäckige Abneigung gegen alle lediglich gedachten Erkenntnisse: sie sind wichtig, ohne Frage, aber es gibt nun mal jene Grenze, jenseits derer sie zum unüberwindlichen Hindernis werden. An dieser Grenze beginnt dann entweder der Keim der Ideologie, also das Verbleiben in der Welt der Begriffe und der Bilder, oder das, was ich persönlich heute unter meinem christlichem Glauben verstehe und was im Zen Satori oder Kensho genannt wird. Der Unterschied: der Glaube ist personal, ein Geschenk und beständig in der Zeit, Satori ist apersonal, mühevoll errungen und flüchtig.

Das kam in meiner Replik natürlich alles mit zum Tragen. Ich begreife inzwischen, daß das so für dich nicht akzeptabel ist, wenn du ernsthaft einen anderen Weg beschreitest, und stimme dir zu, daß ich das in dieser Grundsätzlichkeit und Allgemeinheit, zumal nach deiner gestrigen Präzisierung, nicht als Erwiderung aufrechterhalten kann und will. Es ist natürlich sowieso zwecklos und direkt falsch und hinderlich, andere an eigenen Entscheidungen und Erfahrungen zu messen.

Die rasant zunehmende, ichsüchtige Oberflächlichkeit der meisten Menschen bleibt indes eine bedrückende und traurige Tatsache (ich rede jetzt allgemein und nicht von deiner Person, auch wenn ich natürlich dir antworte - wem sonst? :-)) - und, wie auch immer: jede Vertiefung, die von dieser wild grassierenden Verblödung und Oberflächlichkeit wegführt, ist natürlich ein Gewinn für den, der sich von ihr loszumachen wünscht. Egal auf welche Weise.

Das Schöne am christlichen Glauben ist, wie ich finde, daß man alles geschenkt bekommt, wenn man es denn annehmen möchte. Das ist gewissermaßen wie ein fertiger "Apparat", den man zwar auch selber zu bauen versuchen kann und in astronomischer Ferne vielleicht sogar damit fertig werden - freilich dabei vielleicht auch für immer verlorengehen kann - oder man vertraut eben darauf, daß es ihn schon längst gibt, weil ihn ein anderer für mich hergestellt hat, und daß er perfekt funktioniert. Da ist jeder frei, was er tun will. Bei mir hat der Versuch, ihn selber zu bauen, komischerweise dazu geführt, daß ich ihn eines Tages als Geschenk vor mir stehen sah. Versagt hat er seither niemals.

Konkret zum West-Buddhismus möchte ich zum Schluß noch gerne ein paar allgemeine Hinweise, Beobachtungen und Anregungen zum Weiterdenken geben. Auffällig und historisch gesehen einmalig sind m.E. insbesondere die folgenden Phänomene:

1. entsteht im Westen nicht, wie es sonst immer und überall in der Geschichte der Fall gewesen ist, eine spezifische, konkrete, neue Ausformung dieser Lehre, sondern es bestehen all die vielen (genauer: alle) Richtungen, die es bereits gibt, nebeneinander, bleiben als solche aber getrennt und mehr oder wenig das, was sie eben vom jeweiligen Ursprung her sind, bzw. sinken zum Teil direkt in Beliebigkeit und degenerativen Zerfall (Stichworte: "Mathieu Carrière", Esoterik, Exotik, "Südseeparadies", intellektualistische Zeitgeistmode, Dalai Lama als Ersatzmessias etc.). Das schließt die Ernsthaftigkeit im Einzelfall natürlich überhaupt nicht aus, aber als eine eigenständige, originär europäische, kulturelle Erscheinung gibt es den Buddhismus m.E. eben nicht.

Überall sonst war das genau anders verlaufen. In China verband sich der Buddhismus mit dem vorgefundenen Daoismus und brachte den Chan Buddhismus hervor. Dieser wiederum gebar auf japanischem Boden den Zen und wurde zur Religion der dortigen Kriegerkaste, der Samurai. In Tibet wurde der Buddhismus stark beeinflußt und geprägt vom präexistenten Animismus des Bön, die entstandene Ausprägung ist wiederum ganz unverwechselbar - typisch tibetisch eben - mit allerlei "animistischem Zauber" und magischen und tantrischen Elementen, die zum Beispiel einen singhalischen Theravada-Mönch eigentlich bloß tief verstören können. In Indien, seinem Ursprung hingegen, ist der Buddhismus heute eine Marginalität von < 1% der Bevölkerung.

2. Die verschiedenen Richtungen des Buddhismus im Westen unterscheiden sich z.T. derart stark voneinander (beispielsweise Theravada versus Zen, oder Zen versus Lamaismus usw.), daß auch irgendeine lebendige Synthese, die über eine plurale, gegenseitige Toleranz hinausginge, mir schwer bis gar nicht vorstellbar erscheint. Und zu etwas Eigenem, Europäischem fehlt eben offensichtlich die Kraft (und, wie ich persönlich meine, eben auch die innere Notwendigkeit). Deshalb glaube ich persönlich nicht, daß der Buddhismus im Westen zu einer aus sich selbst heraus lebensfähigen, eigenen Form und zu dauerhafter Bedeutung kommen wird.

Dieses plurale Nebeneinander aller Ausprägungen des Buddhismus ohne erkennbare Ansätze einer eigenen, originären, neuen Form - das gab es wirklich nur heute und nur im Westen. Das hat m.E. spezifische Gründe, deren wichtigster natürlich die starke Eigenprägung des Abendlandes durch das Christentum ist. Übrigens kann man sich aus vergleichbaren Gründen auch schwerlich einen moslemischen oder einen jüdischen Buddhismus vorstellen.

3. Die abendländische Tradition hat eine starke Kraft zum Sein und zu seiner Bejahung. Auch das existentielle Verhältnis zum Leid ist völlig konträr zu dem des Buddhismus. Der Gedanke des Verlöschens im Nichtsein, die Weltflucht, die Absage an das Leiden (verstanden als Leidenschaft) und der Ekel davor widerspricht unserer Tradition einfach diametral. Genau das alles aber ist ausgerechnet der Ausgangspunkt und der Grund für den Buddha gewesen, überhaupt diese Lehre zu schaffen. Es fehlt hier gewissermaßen "der Bedarf", unbeschadet, daß ihn einzelne für sich selbst durchaus stark empfinden mögen. Aber als Massenerscheinung kann ich mir das hier nicht vorstellen. Ich finde einfach keine Ansätze dafür, und wo es sie formal geben könnte, in der atheistisch gewordenen, säkularen Dekadenz Europas, existieren sie in Gestalt von Selbstzerstörung, Auflösung und allerlei degenerativen Entwicklungen. Weltekel wird hier eben nicht vital, wie vor 2500 Jahren in Indien, sondern depressiv, oberflächlich, banal und gewissermaßen suizidal. Das ist für mich ein mächtiger Hinweis darauf, daß hier kein fruchtbarer Boden für diese Lehre besteht - wie gesagt nicht für jeden Einzelfall, für dich persönlich mag der Fall also durchaus anders liegen, aber eben für den kulturellen Kontext als Ganzem.

4. Auch Philosophie und Wissenschaft gehen im Westen in die genau entgegengesetzte Richtung, die der Buddhismus eingeschlagen hat. Man könnte sehr viel darüber sagen. Ich greife hier nur ein einziges Beispiel heraus, um anzudeuten, was ich in etwa meine. Das wesentliche, für die buddhistische Philosophie wahrlich konstitutive Konzept der wechselseitig bedingten Entstehung der Phänomene, trifft hier nicht nur auf den entgegengesetzten Gedanken der Schöpfung mit einem Beginn und einem Ende, sondern es handelt sich bei letzterem ja wirklich um eine schlichte, wissenschaftliche Tatsache. Zwar stimmt die bedingte Entstehung mit gewissen Prozessen und sekundären Phänomenen überein, beispielsweise mit der Theorie der biologischen Evolution, sie gilt aber definitiv nicht z.B. für den Urknall, also für die allgemeine Tatsache, daß dieser Kosmos eben einen Anfang hat und deshalb selber nicht aus Vorhergehendem hervorgeht, das Teil der Welt wäre. Dieser Anfang ist ja kein Beginn in der Zeit, sondern der Beginn von Zeit (und Raum und Gesetz usw.). Es existiert einfach kein "Vorher" und auch kein Nicht-Eins im Beginn, somit keine wechselseitige Abhängigkeit von einander bedingenden Phänomenen im Anfang. "Schöpfung" ist deshalb der viel zutreffendere Begriff, diesen Anfang zu beschreiben, auch wenn damit natürlich eine wissenschaftlich gesehen begrifflich "leere" Entität ausgesagt wird. Aber sie als solche zu bestreiten macht einfach keinen Sinn: die Tatsache eines definitiven Beginns der Welt ist als solche unbestreitbar. Die buddhistische Philosophie widerspricht hier schlicht der Wirklichkeit, sobald vom Ganzen des Kosmos die Rede ist, so empirisch nützlich und einleuchtend die Idee der bedingten Entstehung als Deutungsmöglichkeit für das "Danach" zum Teil auch sein mag.

Oder, angedeutet: Karmagesetz und die Idee der Reinkarnation verlieren ihren Sinn angesichts des illusionären Charakters von Zeit als Kategorie a priori unserer Welterfahrung, nicht aber der Welt als solcher. Lineare wie kreisende Entwicklungen in der Zeit sind beide gleichermaßen bedingt und letztlich illusionär und können deshalb nicht Grundlage letzter Erklärungen von Allem sein. In einer vierdimensionalen Raumzeit ist die Idee der Wiedergeburt schlicht unsinnig und kann auf keinen Fall als Erklärung des Seins, sondern nur als gedankliches Konzept desselben gelten. Es berührt auch die Personalität des Menschen, die typisch christliche Idee des Ich (das auf den Gottesnamen {"Ich bin, der ich sein werde"} und auf den menschgewordenen Logos zurückgeht), eine Idee, die vom Buddhismus direkt bestritten wird, ohne daß die Frage des Seins von ihm heute aber angemessener erklärt werden kann. Ich kenne seine Erklärungen natürlich, aber sie beruhen eben auf einer Weltsicht, die nicht mehr mit unserem heutigen Wissen über die Welt übereinstimmt. Usw. usf.

Zu Wissenschaft, Philosophie und Religion des Abendlandes und der mit dem Buddhismus genau entgegengesetzten Polarität dieser Bereiche gäbe es ungeheuer viel zu sagen und im Einzelnen detailliert zu untersuchen. Man käme freilich immer wieder auf die im Prinzip gleichen Inkompatibilitäten. Ein wahrlich RIESIGES Thema, das natürlich weit, weit über den Rahmen dieses Forums hier hinausgeht, weswegen wir es besser nicht weiter vertiefen. Ich könnte das zeitlich ohnehin nicht leisten. Und hier geht es ja auch "nur" um die destruktiven Ideologien unserer Zeit, speziell um den Feminismus. Das muß man natürlich viel konkreter und direkter fassen, weil sonst für die meisten der Zusammenhang einfach verlorengehen gehen würde.

Die "Ungelesenheit" meiner Texte wird hier ja immer wieder mal beklagt - freilich komischerweise stets von Leuten, die das Zeug dann eben doch lesen. Wahrscheinlich ergreifen sie da bloß freundlich und mitfühlend Partei für andere :-)

Freundlicher Gruß
vom Nick


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