Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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@Scipio + Bernd

Garfield, Friday, 13.05.2005, 19:28 (vor 7519 Tagen) @ BerndausMünster

Als Antwort auf: Re: @Scipio Africanus - Re: @stigmatisierten Ekki ... von BerndausMünster am 13. Mai 2005 14:49:

Hallo zusammen!

Ihr habt zwar nicht direkt unrecht, aber ihr verwechselt Ursache mit Wirkung. Die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland resultieren nämlich nicht aus dem Rückgang der Bevölkerungszahl. Die ist ja auch gar nicht so stark zurück gegangen.

Wenn das der Grund für die Probleme wäre, dann hätte die deutsche Wiedervereinigung ein enormes Wirtschaftswachstum auslösen müssen. Da bekam die westdeutsche Wirtschaft nämlich auf einen Schlag 17 Millionen neue Konsumenten hinzu.

Dieses Wachstum fiel jedoch auch im Westen nur sehr bescheiden aus und flachte dann auch schnell wieder ab, nachdem die neuen Bundesbürger ihre Ersparnisse ausgegeben hatten.

Genau denselben Effekt hätten wir wieder, wenn wir jetzt auf einen Schlag 17 Millionen zusätzliche Bürger hätten.

Das Problem besteht viel mehr darin, daß Produktion und Dienstleistungen immer mehr automatisiert und obendrein teilweise auch noch ins Ausland verlagert werden, was dann hier natürlich Erwerbsmöglichkeiten vernichtet. Wenn nun neue Menschen dazu kommen, werden Roboter und Computer ja deshalb nicht abgeschafft, und man verlagert auch keine Erwerbsmöglichkeiten zurück nach Deutschland. Deshalb werden nur begrenzt neue Erwerbsmöglichkeiten geschaffen. Wenn wir keine Erwerbslosen hätten, könnten wenigstens noch einige wenige der neuen Menschen Jobs finden. Da wir aber real ca. 7-9 Millionen Erwerbslose haben, ist die Wahrscheinlichkeit dafür noch viel geringer, und insgesamt steigen die Erwerbslosenzahlen also noch weiter, was dann die öffentlichen Kassen noch mehr belastet und Steuer- und Abgaben-Erhöhungen oder aber Kürzungen von Sozialleistungen nötig macht.

Richtig ist, daß unser Wirtschaftssystem auf Wachstum ausgerichtet ist. Der anfängliche Katalysator war der Wiederaufbau nach dem Krieg. Beschleunigt wurde die Entwicklung im Westen noch durch den Marshall-Plan und durch den Arbeitskräftemangel. Letzterer zwang die Unternehmen, die Beschäftigten gut zu bezahlen. Die Löhne stiegen also an, und das machte Preiserhöhungen möglich. So konnten sowohl Löhne als auch Preise und Profite jahrelang steigen.

Der Knick setzte dann schon Ende der 60er Jahre ein. Seit dieser Zeit stiegen nämlich die Erwerbslosenzahlen immer weiter an. Das lag nicht daran, daß die Menschen weniger konsumierten. Es lag daran, daß die Wirtschaft zum einen durch neue Technologie Beschäftigte einsparte, zum anderen aber auch (vor allem in Berufen mit niedriger Qualifikation) durch Import ausländischer Arbeitskräfte der Arbeitsmarkt überfüllt wurde.

Die steigende Erwerbslosigkeit bewirkte, daß die Realeinkommen der Beschäftigten nun wieder sanken. Zunächst vor allem durch Erhöhung von Steuern und Abgaben, die u.a. durch die steigende Zahl von Erwerbslosen nötig wurden, zunhemend aber auch durch Gehaltskürzungen. Die Wirtschaft drückte gleichzeitig die Preise aber fröhlich weiter hoch, wo immer das möglich war. Und wo es nicht möglich war, nahm man das zum Anlaß, um die Produktion noch weiter zu automatisieren oder ins Ausland zu verlagern. Das produzierte noch mehr Erwerbslose, und so sank die allgemeine Kaufkraft langsam ab. Und so wurde dann natürlich auch weniger konsumiert, was die Abwärtsentwicklung wiederum beschleunigte.

Die Profite wachsen immer noch munter weiter, weil sie zunehmend durch Maschinenarbeit realisiert werden, die aber so organisiert ist, daß die Allgemeinheit effektiv nicht davon profitiert.

Kinder ändern daran nichts, denn sie zahlen effektiv weder Steuern noch Sozialabgaben. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie das leider auch in Zukunft nicht tun können.

So können Kinder auch das Rentenproblem nicht lösen. Die jetzt unter 40jährigen werden also nicht mit 65 in Rente gehen können. Ganz egal, ob sie Kinder haben oder nicht. Man wird dann im Alter zumindest noch auf Teilzeit arbeiten müssen. Weil die Hungerrente nicht mehr zum Leben reichen wird und weil man durch die hohen Kosten für die staatliche Rente heute auch leider kaum Möglichkeiten hat, sich zusätzlich privat zu versichern. Und weil die heutigen Kinder dann auch noch von den Alten mit ernährt werden müssen. Direkt von ihren Eltern und indirekt über Sozialleistungen von allen Steuerzahlern.

Wenn Kinderlose nun noch mehr zur Kasse gebeten werden sollen, dann zahlen sie also mindestens dreifach: Erstens über ihre Rentenbeiträge für die heutigen Rentner, zweitens über Rentenkürzungen für die Renten der jetzigen Eltern und drittens über Steuern auch noch für die jetzigen und zukünftigen Erwerbslosen, also auch für viele der heutigen Kinder. Im Einzelfall können noch mehr Belastungen dazu kommen, z.B. Aufwendungen für die Pflege der eigenen Eltern oder anderer Verwandten. Und auch wenn sie das alles zahlen, dürfen sie trotzdem im Alter solange schuften, bis sie auseinander fallen. Aber zumindest wird das den Effekt haben, daß die Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer wieder sinken wird, vor allem natürlich bei Männern.

Freundliche Grüße
von Garfield



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