Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Jeder Mensch hat seine Gründe...

Halbwissen und Extrempositionen, Thursday, 31.10.2002, 10:55 (vor 8444 Tagen) @ Jolanda

Als Antwort auf: Re: Jeder Mensch hat seine Gründe... von Jolanda am 31. Oktober 2002 00:58:32:

--- Ja die ist auch beachtlich, es fragt sich immer wie und über welchen Zeitraum fand der Missbrauch statt. War es ein Familienmitglied oder ein Fremder, war es in der eigenen Wohnung oder am Arbeitsplatz. Wie alt war das Opfer, es ist jedesmal wieder eine eigene Geschichte.

Soweit d´accord.

Wenn es im Kindesalter passiert, dann sind die Schuldgefühle der Frauen besonder gross, irgenwie haben sie alle Schuldgefühle, hätten sie das vermeiden können? Haben sie sich falsch verhalten? Wenn es innherhalb der Familie passiert, dann wird es ganz schwer, vor allem bei Kindern. Da entstehen enorme Aengste, die Kinder essen meist kaum mehr was, sind still und verschlossen und unendlich einsam.

Kein Unterschied zu Kindern, die regelmäßig verprügelt/verbrannt und auf andere Weisen gefoltert werden.

Sie reden oftmals nicht und wenn sie es tun, dann wird ihnen auch oft gar nicht geglaubt, das kommt viel vor, glaube mir. Mütter und Väter, die ihren Töchtern sagen, sie wären Schlampen, glaube mir, wenn ich dir sage, Missbrauchsopfer leiden unter dem Täter...bestimmt...aber oftmals leiden sie noch unter vielem mehr!

Absolut d´accord.

Ich habe Frauen gekannt, die trauten sich nicht mehr ins Schwimmbad, trauten sich nicht kurze Hosen zu tragen oder Röcke...
... nicht mehr schlafen ... am morgen total kaputt, müssen aber zur arbeit und am Wochenende schlafen sie dann tagsüber nach. Sie trauen sich nicht in öffentliche Verkehrsmittel ... panische Angst vor Massenaufläufen, ertragen nicht viele Menschen an einem Ort ... Selbstzweifel, empfinden sich selbst als minderwertig. Wollen unattraktiv aussehen ... essgestört.
... kaum zur Arbeit fähig, immer müde ...
Das alles hat nichts mit körperlichem Kontakt zu tun. Das ist ein Kapitel für sich. Es geht hier um tausend andere Aengste, wenn es in der eigenen Wohnung passierte, dann fühlen sich solche Frauen einfach nirgendwo mehr sicher, sie haben Panikattacken. Sie fürchten die Nacht, die Albträume, sie haben Angst vor Nähe, weil sie Angst vor Verletzung haben.

So etwas ist zweifellos schrecklich, und da ich Psychologie für eine Parawissenschaft halte, wüßte ich auf Anhieb auch nicht, wie diesen Frauen zu helfen sein könnte. Zweifellos gäbe es vieles, das die Umwelt bzw. Gesellschaft tun könnte, aber eine Änderung der Gesellschaft ist nun weiß Gott kein brauchbarer Rat, es wäre nur kluges Gesülze.
Dennoch muß die Frage erlaubt sein, was die Vorgeschichte ist, wie die Person vorher war (falls es ein "vorher" gibt), und wie das im Vergleich mit Opfern anderer Gewalttaten aussieht.

Es ist schwer zu sagen Manfred. Ich war oft tief erschüttert und wusste nicht, was ich ihnen raten soll. Ich bin eine Frau und auch ich war erschüttert als ich realisieren musste, ich hatte keine Ahnung, was alles passieren kann mit einem Menschen, wenn er missbraucht wird.
Deswegen versuche ich auf Postings wie dem von Doc auch sachlich zu reagieren. Ich war schon schockiert von seiner Aussage, aber ich bin da wie gesagt auch vorbelastet. Ich habe das zu Nahe und zu real miterlebt.

Nun, ich bin es gewohnt, als Vertreter von Mittelpositionen und Versucher, alle Seiten einer Sache zu beleuchten, ins Kreuzfeuer der Extrempositionen zu geraten. Auf der einen Seite nun solche, deren Motto "Therapie vor Strafe" ist und für die ich zu dumm bin, die Segnungen der modernen Psychologie zu schätzen und offensichtlich in der Denkweise des Mittelalters verhaftet bin, wo Mord und Folter üblich waren.
Auf der anderen Seite dann die Leute, die davon überzeugt sind, daß es eine "objektive Schuld gibt", und für die Vergewaltigung ein so ungeheures Drama darstellt, daß es offenbar einer Auschwitzleugnung gleichkommt, wenn jemand es wagt, es auf eine Stufe mit Körperverletzung zu stellen. Ich denke, es ist der Art des Forums zu verdanken, daß noch keiner was von Todesstrafe und dergleichen geschrieben hat.

Nun lassen wir mal die Kirche im Dorf und rufen uns in Erinnerung, was der Aufhänger der ganzen Diskussion ist: Die schopenhauerische Frage, ob ich denn einen 16-jährigen, der ein Mädchen vergewaltigt hat, für den Rest seines Lebens einsperren will. Ich habe mir erlaubt, darauf hinzuweisen, daß es um Mord ging und für mich Vergewaltigung nicht in dieser Gewichtsklasse angesiedelt ist. Ich nehme fast an, daß es das Wort "harmlos" ist, das hier die Gemüter angeheizt hat. Ich entschuldige mich bei allen der deutschen Sprache und Logik nicht mächtigen, die unter Umständen hier den Gedanken hineininterpretiert haben: "Vergewaltigung ist harmlos." Das ist sie natürlich nicht.

Trotzdem sind wir hier inzwischen u.a. schon beim Thema Kindesmißbrauch angelangt und die Schilderungen des Leides von Opfern und die Betroffenheit drohen jede Sachlichkeit zu überwuchern. Um weiteren Mißverständnissen vorzubeugen: Ich will dich, Jolanda, keineswegs daran hindern, uns deine Erfahrungen mit Vergewaltigungsopfern zu schildern, und ich bin auch sehr erfreut, daß du trotz deiner eventuell hochkochenden Emotionen sachlich bleiben willst und deiner "Vorbelastung" bewußt bist. Mein aufkeimender Zorn richtet sich eher an die, die auf den Zug der Betroffenheit aufspringen und sich dessen nicht bewußt sind, daß sie selbst in Wirklichkeit die Extremposition vertreten.

Doc


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