Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Jeder Mensch hat seine Gründe...

Jolanda, Thursday, 31.10.2002, 02:58 (vor 8444 Tagen) @ Manfred

Als Antwort auf: Re: Jeder Mensch hat seine Gründe... von Manfred am 30. Oktober 2002 19:59:39:

Hallo Manfred

Du hast Erfahrungen mit vergewaltigten Frauen? Das ist interessant.

---Ich habe missbrauchte Frauen und Mädchen betreut und von daher viel darüber erfahren, Einblicke, die man wohl selten bekommt.

Es war erschütternd, hat mich bis ins Innerste getroffen, aber so eigenartig das klingen mag, es hat mir auch Kraft gegeben.

Die psychischen belastungen die so etwas (die Vergewaltigung) mit sich bringt werden ja stets ganz besonders hervorgehoben. Um ehrlich zu sein ich kann es manchmal nicht ganz nachvollziehen. Das soll aber nicht heißen, daß ich es vorweg nicht glaube oder kritisiere.

--- Ja die ist auch beachtlich, es fragt sich immer wie und über welchen Zeitraum fand der Missbrauch statt. War es ein Familienmitglied oder ein Fremder, war es in der eigenen Wohnung oder am Arbeitsplatz. Wie alt war das Opfer, es ist jedesmal wieder eine eigene Geschichte.

Wenn es im Kindesalter passiert, dann sind die Schuldgefühle der Frauen besonder gross, irgenwie haben sie alle Schuldgefühle, hätten sie das vermeiden können? Haben sie sich falsch verhalten? Wenn es innherhalb der Familie passiert, dann wird es ganz schwer, vor allem bei Kindern. Da entstehen enorme Aengste, die Kinder essen meist kaum mehr was, sind still und verschlossen und unendlich einsam.

Sie reden oftmals nicht und wenn sie es tun, dann wird ihnen auch oft gar nicht geglaubt, das kommt viel vor, glaube mir. Mütter und Väter, die ihren Töchtern sagen, sie wären Schlampen, glaube mir, wenn ich dir sage, Missbrauchsopfer leiden unter dem Täter...bestimmt...aber oftmals leiden sie noch unter vielem mehr!

Ich habe Frauen gekannt, die trauten sich nicht mehr ins Schwimmbad, trauten sich nicht kurze Hosen zu tragen oder Röcke. Sie konnten alle nicht mehr schlafen nachts, das war fast unheimlich, man konnte um drei Uhr morgens ins Forum gehen und man traf immer ein paar Frauen an. Sie können nicht mehr schlafen, sind am morgen total kaputt, müssen aber zur arbeit und am Wochenende schlafen sie dann tagsüber nach. Sie trauen sich nicht in öffentliche Verkehrsmittel, haben panische Angst vor Massenaufläufen, ertragen nicht viele Menschen an einem Ort. Sie sind oft voller Selbstzweifel, empfinden sich selbst als minderwertig. Wollen unattraktiv aussehen, essen oft viel, sind oftmals essgestört.

Sie fallen in tiefe Löcher, sind kaum zur Arbeit fähig, immer müde, müde von diesem ewigen Kampf.

Das alles hat nichts mit körperlichem Kontakt zu tun. Das ist ein Kapitel für sich. Es geht hier um tausend andere Aengste, wenn es in der eigenen Wohnung passierte, dann fühlen sich solche Frauen einfach nirgendwo mehr sicher, sie haben Panikattacken. Sie fürchten die Nacht, die Albträume, sie haben Angst vor Nähe, weil sie Angst vor Verletzung haben.

Es ist schwer zu sagen Manfred. Ich war oft tief erschüttert und wusste nicht, was ich ihnen raten soll. Ich bin eine Frau und auch ich war erschüttert als ich realisieren musste, ich hatte keine Ahnung, was alles passieren kann mit einem Menschen, wenn er missbraucht wird.

Deswegen versuche ich auf Postings wie dem von Doc auch sachlich zu reagieren. Ich war schon schockiert von seiner Aussage, aber ich bin da wie gesagt auch vorbelastet. Ich habe das zu Nahe und zu real miterlebt.

Man betrachte dabei einmal den Fall einer Vergewaltigung ohne weitere Körperverletzung und ohne weitere körperliche Qualen (ist sicher jetzt ziemlich hypothetisch).

--- Ja das ist ehre hypothetisch.
Weil ein Kind wird sich wohl weniger wehren, kann das auch weniger, vor allem wenn es sich dabei um eine vertraute Person handelt.

Bei einer Vergewaltigung die geplant war, da hat die Angst doch einen besonderen Kick, hört man doch oft, es hat ihn angemacht, wie sie Angst hatte, gebettelt hat. Also wird man ihr schon ein bisschen Angst machen, sonst macht es vielleich weniger Spass. Und ich meine, wer wehrt sich nicht intsinktiv, wenn man ihm Gewalt antun will.

Eine der Frauen hat mir gesagt, da gehen dir tausend Sachen durch den Kopf, soll ich mich wehren oder soll ich still halten, wenn ich mich wehre, dann bringt er mich vielleicht um, aber wenn ich mich nicht wehre, wird man mir dann glauben, dass ich es nicht wollte...er nahm mir die Entscheidung dann ab, indem er sagte, wenn du einen Ton von dir gibst, dann schlage ich dich solange, bis du die Fresse hälst....sie entschied dann ruhig zu sein.

Sie musste ihm dann einen blasen, sie sagte, ich dachte:"Ich muss jeden moment kotzen, mir war so schlecht..aber ich hatte höllische Angst, ich dachte, wenn ich nun kotze, dann schlägt der mich tod.

Ich rede sonst nicht über solche Details, aber kannst du dir vorstellen, dass solch ein Erlebniss irgendwann später einfach Panikattacken und Lebensängste auslösen kann? Ich schon, ich habe sie erlebt, die Frauen, die mit diesen Aengsten gelebt haben.

Und was mich am meisten berührt hat, das war ihre Art darüber zu reden, ihr Mut wieder auf Menschen zuzugehen auch auf Männer, mit ihnen zu lachen und ganz frei zu sagen, ich hasse die Männer nicht, ich hasse den Mann, der mir das angetan hat, aber daran arbeite ich. Denn ich merke wie dieser Hass mich zerstört, ich muss einen Weg finden, ihm zu verzeihen. Ja so haben sie geredet.

Sie verstehen viel besser als wir meinen, sie haben etwas schreckliches erlebt, aber wir müssen sie nicht wie Behinderte behandeln, sie haben oft mehr Lebensfreude und Zuversicht als wir uns vorstellen können.

Was spielt sich da in der Psyche des Opfers ab, daß es für Jahre oder Jahrzehnte den glauben an die halbe oder sogar ganze Menscheit verliert?
---Sie verlieren selten den Glauben an die ganze Menschheit. Sie verlieren oftmals ihren Lebensmut, sie zerbrechen, zerbrechen auch an ihrer Unfähigkeit mit dem Erlebten klar zu kommen. Sie hassen sich selbst für ihre Schwächen. Aber wenn sie sich wieder gefasst haben, dann blicken sie schon vorwärts.

Ich will hier nichts auf den Kopf stellen, aber manchmal scheint es mir so zu sein als seine die nachträglichen "Beratungen" in Form sexistisch/feministischen Beistands ("man muß sie alle kastrieren") und die weitverbreitete Moralheuchelei bestens dazu geeigent einem Sexualopfer den psychologischen Rest zu geben. Oder liege ich da komplett daneben?

---Wie hiess es doch so schön im Film "Crocodile Dundee". Bei uns in Australien, von dort wo ich herkommen, geht man zu der Restaurantbesitzerín, wenn man ein Problem hat, wenn die es weiss, dann wissen es bald alle und dann ist es kein Problem mehr!

Nein, ich meine damit auch, dass es schon manchmal einfach professionelle Hilfe braucht. Nur auch dort kommt es zu Fehlgriffen, die dann alles nur noch verschlimmern. Auch das habe ich erlebt.

Aber den Hass zu schüren bei einem Opfer, das wird ihm wohl kaum helfen, Hass der da ist, zu spüren und los lassen zu können, das ist bestimmt wichtig, aber es sollte bestimmt nie Hass geschürt werden, Hass ist immer am schlimmsten für den, der hasst!

Ich weiss nicht, ob ich dir etwas sagen konnte, dass dir hilft es besser zu verstehen. Wenn du ganz konkrete Fragen hast, dann frage mich einfach.

Aber ich bin keine Psyhologin, ich kann dir nur sagen, was mir die Frauen erzählt haben und wie ich das erlebt habe.

Es grüsst dich
Jolanda


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