Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Grundgesetz: Klopapier von Aldi ist wertvoller!

Maesi, Tuesday, 01.04.2003, 23:19 (vor 7715 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Grundgesetz: Klopapier von Aldi ist wertvoller! von Ferdi am 12. März 2003 22:36:18:

Hallo Ferdi

...Damit ist der Beweis erbracht, dass die Bundesregierung vom Radikalfeminismus unterwandert ist.

Zumindest ist der Beweis (ein weiteres Mal) erbracht, dass der Feminismus und das von ihm doch so verdammte konservative 'Patriarchat' mehr gemeinsame Interessen aufweisen, als beiden lieb ist und durchaus ideologisch Zweckbuendnisse eingehen kann.

Mir als im naturwissenschaftlichen Bereich (Physik) arbeitenden Techniker erschliessen sich diese Gedankengänge nicht. Sie sind absolut unlogisch und widersprechen sich sogar. Wie z. B. hier: "Nicht Art. 3 GG, sondern die gleichheitsrechtliche Sondernorm des Art. 12a Abs. 1 GG ist hier die maßgebende Vorschrift." Wie kann eine gleichheitsrechtliche Sondernorm massgebend über die andere sein, wenn beide Normen angeblich gleichberechtigt sind?

Das liegt daran, dass diese beiden Artikel eben nicht exakt gleichgestellt sind. Vielmehr ist der Wehrpflichtartikel dem allgemeiner gehaltenen Gleichberechtigungsartikel uebergeordnet. Du musst das so anschauen: im Grundgesetz ist beispielsweise die Redefreiheit garantiert. Trotzdem gibt es Einschraenkungen der Redefreiheit. Wenn Du jemanden verleumdetest, dann waere diese Verleumdung nicht durch die verfassungsrechtliche Redefreiheit geschuetzt. Etwa so muss man sich diese rechtsformalistische Position wohl vorstellen, und so macht sie auch durchaus einen Sinn, weil unter bestimmten Umstaenden durch die Redefreiheit die Rechte eines anderen empfindlich verletzt werden koennen.
Bei der Nur-Maenner-Wehrpflicht jedoch macht das keinen Sinn, denn es ist ja nicht einzusehen, dass eine Frau durch die Wehrpflicht mehr in ihren Rechten eingeschraenkt (verletzt?) wird als ein Mann und zwar nur aufgrund des biologischen Geschlechts. Deshalb ist diese Rechtsposition hier ganz einfach nicht haltbar und hat mit Gerechtigkeit ueberhaupt nichts zu tun.

Da komme ich ehrlich gesagt nicht mehr mit. Ich glaube, eher wird es mir gelingen Einsteins Relativitätstheorie bis zum letzten I-Punkt zu kapieren als hinter das Geheimnis dieses Satzes zu kommen. Abgesehen davon: Der GG-Artikel 3 mit seinem Absatz 3 war ja wohl zuerst da und hatte Verfassungsrang. Da hätte die "Sondernorm" Art. 12 garnicht angepackt werden dürfen, weil sie ja noch nicht in Kraft war. Also ist die Einführung dieser Sondernorm an sich schon ein Verfassungsbruch.

Ich glaube nicht, dass der Gleichberechtigungsartikel zuerst da war. Ist aber IMHO irrelevant.

Im übrigen gebe ich zu bedenken: Mit solchen "Sondernormen" - so sieht es jedenfalls jetzt für mich aus - kann man den schlimmsten Scheiss einführen, ...

Das ist, zumindest theoretisch, richtig. Auch heute noch waere es beispielsweise verfassungsrechtlich moeglich, die Ermaechtigungsgesetze zu verankern, sofern die erforderliche Mehrheit zu der dafuer notwendigen Verfassungsaenderung zusammenkaeme; eine Verfassung ist ja nicht bis in alle Ewigkeiten festgeschrieben. Die Wahrscheinlichkeit dafuer waere jedoch sehr gering (jedenfalls in dieser politisch einigermassen stabilen Zeit), weil die Huerden fuer eine Verfassungsaenderung normalerweise recht hoch sind (z.B. 2/3-Mehrheit oder gar 3/4-Mehrheit des Parlaments, in der Schweiz sogar zwingend eine Volksabstimmung).

...ich erinnere nur an die Folterdiskussion vor einigen Wochen, mal sehen wie lange es dauert, bis das qua "Sondernorm" eingeführt ist. Und damit das alles schön politisch korrekt und gender-mainstromlinienförmig abläuft, wird das natürlich nur für Männer eingeführt.

Naja, es gab in der BRD ja schon frueher fragwuerdige Gesetzesvorlagen (z.B. grosser Lauschangriff). Man muss eben begreifen, dass eine die Menschenrechte achtende Demokratie gehegt und gepflegt werden muss. Ohne die aktive Teilnahme der Buerger sowie deren Auseinandersetzung mit den von Politikern vertretenen Positionen stirbt diese Form der Demokratie ab.

Mir schauderts über diese düsteren Zukunftsaussichten.

Heute sind menschenrechtswidrige Gesetze (zumindest grob menschenrechtswidrige Gesetze) nicht mehr so einfach zu installieren, insbesondere in einer einigermassen funktionierenden Demokratie.

Eine solche Behandlung des Grundgesetzes, das doch mal als Richtschnur für einen demokratischen Rechtsstaat gelten sollte, degradiert dieses Grundgesetz zu beschriebenem Klopapier.

Also, so weit wuerde ich nicht gleich gehen, das Grundgesetz als Klopapier zu bezeichnen. Das deutsche Grundgesetz ist wahrscheinlich weder besser noch schlechter als Verfassungen von anderen demokratisch regierten Staaten. Was aber zunehmend in Vergessenheit geraet, ist, dass das Grundgesetz v.a. auch die Aufgabe hat, den einzelnen Buerger zu schuetzen, und zwar auch vor staatlicher Willkuer und Reglementierungswut. Dazu ist aber auch eine politisch wache und aktive Bevoelkerung notwendig. Die Demokratie faellt einem nicht einfach in den Schoss; bei ausgedehnter politischer Abstinenz entwickelt sich leider nur allzu schnell eine Buerokratie und/oder eine Politokratie, die voellig losgeloest vom Volk, dem sie doch eigentlich dienen sollten, regiert.

Was ist denn so ein Grundgesetz, was ist eine Verfassung denn wert, wenn sie von skrupellosen Politikern via "Sondergesetze" einfach so hinweggefegt werden können? Ermächtigungsgesetz der modernen Art? Gnade uns Gott!

Ja, Ferdi. Und Du bist ja schon auf dem besten Weg gegen die politische Lethargie anzugehen. Du selbst empoerst Dich ueber empfundenes Unrecht, und das zeigt, dass Dir die BRD nicht egal ist. Es gibt noch viele andere Deutsche, die ebenso denken wie Du. Man(n) muss sie nur mobilisieren.

In der Schweiz hätte man wenigstens noch die Möglichkeit, via Volksbegehren solchen geistigen Dünnpfiff in den Mülleimer der Geschichte zu befördern, wo er hingehört.

Tja, Referendums- und Initiativrecht gibt es in der Schweiz und wird ja auch rege genuetzt. Allerdings wird hierzulande auch schon seit Jahren der Untergang des Abendlandes (oder zumindest der Schweiz) herbeigeredet angesichts konstant tiefer Teilnehmerzahlen bei Abstimmungen und Wahlen.

Aber jetzt wissen wir alle, warum unsere vom Feminismus infizierten Politiker diese urdemokratischen Einrichtungen fürchten wie der Teufel das Weihwasser.

Solch ausgepraegt direktdemokratische Strukturen, gibt es IMHO so in keinem anderen Land auf der Erde; insofern ist die Schweiz ein Sonderfall. Allerdings hat in Frankreich jemand mal 'bewiesen', dass dieses System gar nicht funktionieren koenne (zumindest nicht in einem groesseren Staat). Aber auch in der Schweiz haben sich feministische Funktionaere ueberall eingenistet, da muss ich Dir leider ein paar Illusionen nehmen.

Es bleibt für mich nur noch die Schlussfolgerung: Wir haben eine pseudo-Demokratie. In Wirklichkeit leben wir in einem Staat, in dem es Menschen zweier Klassen gibt: Die herrschende Oberklasse der Feministinnen und ihrer politischen und juristischen Lakaien und Marionetten, sowie in deren Windschatten die Frauen. Und die unterdrückten, versklavten Untermenschen, die ausnahmslos männlichen Geschlechtes sind.

Ich glaube, Du siehst das zu krass. Eine absolute Demokratie gibt es nirgends. Ich glaube auch nicht, dass es eine derart ausgepraegte Zweiteilung der Gesellschaft gibt, wie Du sie postulierst. Trotzdem ist es nicht ungefaehrlich, dass in bestimmten Bereichen (z.B. Familienpolitik, Kinder- und Jugendpolitik, Gleichberechtigungspolitik, usw.) Feministinnen und andere feministisch indoktrinierte Menschen so viele Schluesselpositionen besetzen und/oder unbescholtene und arglose Menschen mit feministischer Pseudowissenschaft desinformieren. Dagegen kann man aber etwas tun.
Interessant ist jedoch, dass heute die 68er-Generation an der Macht ist und ebenso ein Establishment repraesentiert wie vor 35 Jahren die damaligen Machthaber; ein Establishment, nota bene, das sie damals zu eliminieren suchte. Anno 68 wurde weitherum die Beseitigung von obsoleten Konventionen gefordert und teilweise auch erreicht. Heute errichten dieselben Personen wieder neue Konventionen; diesmal allerdings sogar in Gesetzesform, d.h. bei Zuwiderhandlung wird man nicht mehr bloss gesellschaftlich geaechtet sondern von der Staatsgewalt verfolgt und bestraft. Die damalige Freiheitsbewegung hat sich inzwischen in eine aengstliche, kleinmuetige Spiessergesellschaft verwandelt, die ueberall Gefahren und Risiken sieht und diese mittels immer mehr Gesetzen zu minimieren sucht; die Freiheit bleibt zunehmend wieder auf der Strecke, waehrend eine immer mehr auf die Spitze getriebene Versicherungsdenke inzwischen ziemlich seltsame Blueten treibt.

Gruss

Maesi


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