Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wie argumentieren?

Chato, Sunday, 15.04.2007, 17:20 (vor 6822 Tagen) @ Bernd

Wieso "also 'Ismen'". Ist alles, was lediglich erdacht wird, ein "Ismus"?

Primär ja. Die Betonung liegt dabei auf "lediglich(!) erdacht". Sogar solche hier jetzt nachgeschobenen Schlaumeiereien wie Zynismus, Mechanismus, Organismus, Optimismus oder Katholizismus haben ja als Gemeinsames, daß sie eben nicht eindeutige Begriffe für die Sache selbst in ihrer jeweiligen Komplexität, sondern "lediglich erdachte" Konzepte derselben sind, welch letztere dabei reduziert wird, geistige Bilder also, die das vermeintliche Wesen des Gemeinten "auf den Begriff zu bringen" behaupten, dies aber tatsächlich nicht tun. Es sind Begriffe, die sich nicht an der Wirklichkeit messen, sondern am Gefüge anderer, vorausgehender Bilder. Bei Begriffen wie "Schwerkraft", "Redoxpotential", "DNA-Sequenz" usw. verhält sich das z.B. ganz anders.

Damit wird von mir natürlich nicht behauptet, daß es sich bei obigem immer um ausgeformte Ideologien handeln würde. Der ursprüngliche Ausgangspunkt waren aber bekanntlich nicht jene erst hernach und ad hoc eingeworfenen Schlagworte gewesen, sondern der Satz der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin: "Wir brauchen einen neuen Feminismus!" Feminismus ist eine Ideologie, und einzig auf dieses Phänomen bezog sich alles, was ich bisher darüber sagte. Aber selbst wenn Ismen wie die obigen Einwürfe im späteren Sprachgebrauch z.T. zu einfachen, formalen Abstrakta der Sache selbst wurden, ändert das nichts an ihrem Ursprung, ein gedankliches Konzept zum Ausdruck zu bringen, welches die dahinterliegende Komplexität reduziert und sie verhüllt, anstatt sie anzudeuten oder auszudrücken.

Zynismus oder Optimismus zum Beispiel bezeichnen seelische Äußerungen, deren konkrete Hintergründe von höchst unterschiedlicher Art sein können. Hinter "Zynismus" kann sich sehr viel verbergen: Geltungsdrang, Verletztheit, Arroganz, seelische Kälte, Enttäuschung, Gleichgültigkeit... "Optimismus" könnte beispielsweise als Haltung kultiviert werden, um sein tatsächliches Gegenteil im Innern nach außen hin zu verbergen, vielleicht ist er auch einfach Ausdruck einer persönlichen Neigung zur Oberflächlichkeit, um gewissenhaften Problemanalysen aus dem Weg zu gehen, ein irreales Wunschdenken also usw. usf. "Mechanismus" mag für denjenigen, der ihn ersonnen hat, durchaus eine komplexe Wirklichkeit bezeichnen, oft wird der Begriff aber benutzt für Zusammenhänge, die eben nicht näher verstanden wurden, für das "Irgendwie" eines Funktionierens also. Ähnlich beim "Organismus", bei dem das hochkomplexe Geschehen in einem Lebewesen auf einen abstrakten Begriff, auf ein Etikett gewissermaßen reduziert wird, das überhaupt nichts darüber aussagt, wieviel dem Sprecher über dieses komplexe Geschehen bekannt oder unbekannt ist. Auch Katholizismus ist ein formaler Begriff, der eine Sicht von außen meint, welche die innere Bedeutung des Gemeinten nicht beschreibt, sondern sie reduziert. Katholiken sind keine Katholizisten, sondern Katholiken und bezeichnen ihren Glauben selbst nicht als Katholizismus.

Der einzige, mir freilich erst heute und hier bekanntgewordene Ismus, der die dahinterliegende Wirklichkeit nicht verhüllt, sondern sie ausdrückt, ist der "Maxismus"... *g*

Gruß vom
Nick :-)


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