Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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PhilosophInnen waren auch mal besser

Besserwisser, Saturday, 11.11.2006, 18:15 (vor 6966 Tagen) @ susu

Einzig zulässig für die Artikulation diskursiv relevanter (ich nenne das mal so) Identität dürfte dann nur die Aussage sein: "Frauen sind nicht".

Nein. "Frauen sind nicht" ist ja ebenfalls eine Aussage, die sich auf einer fiktiven Universalität gründet.

Ein Problem bei Butler ist, dass zwischen ihrer Theorie des diskursvorgängig, geschlechtslosen Individuums und ihrer Wahrnehmung des Ist-Zustandes der Individuen ein Spalt klafft, von dem ich nicht weiß, wie sie ihn überbrücken möchte: Einerseits bricht sie mit essentialistisich-feministischen Vorstellungen und sagt eben, die Kategorie Frauen gebe es nicht, da es keine universellen Kriterien für eine genaue Bestimmung gäbe. Das ist ihre poststruktualistische Seite. Auf der anderen Seite ist sie feministin, die sich selbst - wenn auch in anderer Form - den selben Zielen verpflichtet sieht, bzw. ihr Gesellschaftsverständnis auf der selben Basis aufbaut wie ihre Vordenker und -innen. Auch bei Butler (im von Dir zitierten Buch) liegt die Macht zu Definieren in den Händen der Männer, den Frauen gemeinsam ist die Erfahrung, in von Männern geschaffenen Diskursen gefangen zu sein. Butler hat ein erkenntnisinteresse, dass vielleicht deinen Vorstellungen entspricht. Aber sie unterstellt dieses erkenntnisinteresse der politischen Mission, und die geht nach wie vor von einem Patriarchat aus, zwar weniger melodramatisch in seiner Macht und Wirkungsweise, mehr in linguistischen Kategorien agierend, aber von der Sache her das selbe. Bei aller Beachtenswürdigkeit ihrer Gedanken kommt auch sie über diesen Punkt nicht hinaus, und legt - auch wenn sie gerade dies offiziell verneint - damit wieder so etwas wie die Vorstellung einer universellen Opfererfahrung der Frauen nahe. Auch Männer werden durch die Repräsentationsdiskurse in ein Korsett gezwungen. Aber bei Butler sind sie es selbst, die diese Diskurse schaffen, und deshalb würde ich behaupten, sie zerstört nach einem guten Ansatz den starken Punkt ihrer eigenen Theorie und hebt den klassischen Feminismus auf eine lediglich höhere sprachlich und theoretischere Ebene.


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