Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: (Nicht mehr?) stigmatisierter Ekki an alle Foris - männlich UND weiblich!

Ekki, Wednesday, 18.05.2005, 00:44 (vor 7515 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: (Nicht mehr?) stigmatisierter Ekki an alle Foris - männlich UND weiblich! von Garfield am 17. Mai 2005 12:38:58:

Hallo Garfield!

Dann sehe ich auch bei vielen Paaren in meinem Umfeld, daß Kinder keineswegs eine Verbesserung der Beziehung bewirken, sondern ganz im Gegenteil bestehende Probleme verschärfen oder neue Probleme schaffen. Viele Eltern gehen offenbar mit sehr großen Illusionen an die Sache heran.

Richtig - aber auch die Illusionen dürften bei Mann und Frau unterschiedlicher Natur sein:

Die Frau sieht vor allem das "süße Kleine" und macht sich kaum eine Vorstellung, wie wenig süß die Arbeit sein wird, die das Kind oft macht - wie Du ja weiter unten auf das Anschaulichste beschreibst.

Der Mann denkt an die "wohlgeratenen Kinder, den Stolz der Familie", und kann sich nicht im Geringsten vorstellen, daß (a) nicht alle Kinder den Vorstellungen ihrer Eltern entsprechen und (b) er selbst mit seinen Bedürfnissen von dem Kind völlig in den Hintergrund gedrängt werden wird - wie Du ja weiter unten auf das Anschaulichste beschreibst.

Oft will vor allem die Frau ein Kind, und wenn es dann da ist, bewirken spezielle Hormone, daß sie erst einmal nur noch das Kind sieht. Dann ist meist auch keine Rede mehr davon, möglichst bald wieder auf Vollzeit arbeiten zu gehen. Und der Partner ist auf einmal auch nur noch zweitrangig. Für ihn bleibt dann nur noch eines: Arbeiten und endlos Überstunden schieben, um genug Geld heranzuschaffen. Sie bleibt derweil mit dem Kind zu Hause und stellt schnell fest, daß ein Kind auch Nachteile mit sich bringt. Man kann nicht mehr einfach so jederzeit ausgehen, sondern muß immer gucken, wo man das Kind inzwischen läßt. Manche Kinder schreien sehr viel und hindern die Eltern am Schlafen. Er ist dann genervt, weil er übermüdet zur Arbeit fahren muß und weil er überhaupt mehr auf der Arbeit ist als zu Hause. Wenn er dann zu Hause ist, jammert sie ihm die Ohren voll, weil sie sich überfordert und von ihm allein gelassen fühlt.

Wie gesagt - sehr anschaulich und eine volle Bestätigung meiner Befürchtungen.

Irgendwann ist der Frust dann so groß, daß einer der beiden fremdgeht, es kommt zur Scheidung, ein eventuell vorhandenes gemeinsames Haus muß mit großem finanziellen Verlust verkauft werden, sie bekommt das Kind zugesprochen, er wird zum Zahlvater...

Je nun - ich halte Fremdgehen für eine legitime Sache, und zwar gleich unter zwei Aspekten:

1) Wer Abwechslung braucht, soll sie sich nehmen. Ich kann ums Verrecken nicht kapieren, wieso ausgerechnet im Bereich der Sexualität etwas als heilige Norm gelten sollte, was in jedem, aber auch wirklich in jedem anderen Bereich des Lebens schlicht als irrenhausreif gälte: Die lebenslange Beschränkung auf nur ein Exemplar einer bestimmten Gattung. Und damit Du mir jetzt nicht mit "Verdinglichung" kommst (den Vorwurf habe ich schon oft zu hören bekommen): Als leidenschaftlicher Chorsänger könnte ich mir nichts weniger vorstellen, als ein Leben lang nur ein Lied zu singen. Und Musik ist ja auch ein ganzheitlicher Genuß, der weit über das rein Materielle hinausgeht. Desgleichen Literatur. Usw. usf. Nee wirklich - das Monogamie-Gebot ist wohl außerhalb eines religiösen Kontextes im allerengsten Sinne dieses Adjektivs nicht zu verstehen.

2) Ich bin inwischen nur noch auf Rendezvous mit gebundenen Frauen aus, denn ansonsten käme höchstwahrscheinlich das oben von Dir beschriebene Szenario auf mich zu.

Auf sowas habe ich keinen Bock. Natürlich hoffe ich, daß meine Frau und ich das besser hinkriegen, aber das haben andere auch gehofft und es nicht geschafft...

Es scheint in der Tat so zu sein, daß Kinder die beste Garantie für Fremdgeh-Willigkeit sind, weil sie die Zweisamkeit in der oben von Dir beschriebenen Weise untergraben. Insofern sollte ich alter Kinder-Muffel wohl am besten hoffen, daß möglichst viele meiner MitmenschInnen Kinder in die Welt setzen ...

Dann kommt noch die ungewisse Zukunft dazu. Die Jugendlichen haben ja heute schon Probleme, Lehrstellen und vor allem Jobs zu finden. Die Qualität der öffentlichen Schulen verschlechtert sich immer mehr, auch weil der Ausländeranteil in manchen Regionen steigt und so der Unterricht anfangs stark dadurch ausgebremst wird, daß immer mehr Kinder erst einmal die deutsche Sprache lernen müssen. Wenn die Entwicklung so weiter geht, dann wird man seine Kinder in Zukunft auf private Schulen schicken müssen, damit sie noch eine Chance auf einen Job mit akzeptablen Einkommen haben. Das treibt die Kosten für Kinder dann noch höher.

Auch diese Beobachtungen sind in vollem Umfang richtig, aber hier möchte ich zu bedenken geben, was ich in mehreren Foren schon mehrfach geäußert habe:

Wer wirklich von Herzen Kinder will, der wird gerade angesichts einer ... äh ... suboptimalen Welt nach Luthers Motto handeln: "Wenn ich wüßte, daß morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."[/i]

Vermutlich würden meine Frau und ich alle diese Gründe doch beiseite schieben, wenn es ihr denn medizinisch möglich wäre, Kinder zu gebähren.

Womit Du meine obige These bestätigst.

Jetzt fehlen uns Kinder zwar nicht, aber ich fürchte, daß sich das in einigen Jahrzehnten ändern wird. Dann werden viele unserer heutigen Verwandten nicht mehr leben, und wir werden uns dann ohne Kinder wahrscheinlich doch oft einsam fühlen.

Da habe ich großen Trost für Euch bereit:

Es ist erstens längst bestens belegt und entspricht zweitens auch meiner eigenen Lebenserfahrung, daß die Frage, ob man im Alter einsam ist oder nicht, keineswegs davon abhängt, ob man Kinder und/oder Blutsverwandte hat. Freundschaftliche Bindungen, die diesen Namen verdienen, haben dieselbe Qualität. Natürlich sind auch sie ein Geschenk, das man sich auch dadurch verdienen muß, daß man selbst anderen Menschen ein guter Freund ist ("Si vis amari, ama!" - "Wenn du geliebt werden willst, liebe!" wußten schon die alten Römer). Aber "Abwesenheit von Blutsverwandten = Einsamkeit" - diese Horrorgleichung gehört zum Glück ins Reich der Märchen.

Schon jetzt finde ich die Vorstellung, daß nach uns niemand mehr kommen wird, ziemlich frustrierend.

Das Bestreben, die eigene Existenz wenigstens durch die Weitergabe der eigenen Gene in die Zukunft zu verlängern, ist eines der ältesten Motive fürs Kinderkriegen und natürlich besonders für diejenigen Leute relevant, die es schwer haben, an ein Jenseits zu glauben.

Ich bin auch nicht "scharf" aufs Sterben, gehe aber damit in folgender Weise um:

Wenn es ein Jenseits gibt, dann wird sich dieses Jenseits in der ein oder anderen Form an mir vollziehen, und wenn nicht, dann nicht. Aber von der Frage, ob ich Kinder habe oder nicht, ist das ganz unabhängig. Das Wichtigste scheint mir zu sein, sich stets zu bemühen, seinen Mitmenschen zur Freude und nicht zum Leid zu leben. Dann darf man auf eine gute Sterbestunde hoffen.[/i]

Und zu diesem Zitat von Esther Vilar: Ich kann da nur für mich schreiben, aber für mich hätte es tatsächlich etwas Erotisches, wenn meine Frau und ich ganz bewußt ein Kind zeugen würden. Eben die Vorstellung, das dann etwas aus uns beiden in meiner Frau heranwächst. Ich denke wirklich, daß ich Sex dann auch intensiver empfinden würde als mit dem Wissen, daß ja durch Verhütung eh nichts passieren kann.
Klar - wenn eine Frau einen Mann ohne sein Wissen zum Vater macht, dann entgeht ihm das natürlich, und dann stimmt die Aussage von Esther Vilar doch.)

Diese Haltung ist für mich verständlich und nachvollziehbar. Daß ich selbst anders denke und empfinde, spielt keine Rolle.

Ich denke auch, daß die ökonomischen Gründe durchaus auch eine wichtige Rolle spielen. Nicht unbedingt für die Entscheidung für oder gegen Kinder, sondern viel mehr für die Entscheidung über die Anzahl der Kinder. Wenn erst einmal 1-2 Kinder da sind, dann ist dem instinktiv bei vielen Menschen vorhandenen Kinderwunsch ja Genüge getan, und dann wirken sich diese ökonomischen Gründe eben doch sehr aus, denke ich. Wer dann sowieso schon vom Sozialamt lebt, hat dann auch kein Problem damit, noch mehr Kinder in die Welt zu setzen. Familien mit hohem Einkommen haben auch kein Problem damit, noch ein drittes oder viertes Kind hinzuzufügen. Aber in der Mittelschicht wird es häufig schon eng. Da sind die Einkommen zu hoch, um sehr viel Unterstützung von Staat zu bekommen, aber zu niedrig, um viele Kinder inklusive optimaler Ausbildung aufzuziehen. Also entscheiden sich da eben immer mehr Menschen aus ökonomischen Gründen nur für ein Kind, denke ich.

Voll d'accord. Ich wollte ja auch nicht dahingehend verstanden werden, daß ökonomische Überlegungen völlig außen vor sind. Ich bin halt nur der Ansicht, daß echte, tief empfundene Liebe zu Kindern hilft, auch große ökonomische Härten zu tragen. Umgekehrt allerdings auch: Wenn ein steinreicher Mensch Kinder nur deshalb in die Welt setzt, weil "es sich so gehört", oder - noch schlimmer - weil er die Kinder als "Statusobjekt" (miß)braucht - dann ist emotionales Elend für die ganze Familie vorprogrammiert.

Lieber Garfield, Deine Postings zeichnen sich immer durch große Abgewogenheit und einen angenehmen Ton aus. Ich habe mich über eine Antwort von Dir zu diesem mich umtreibenden Thema sehr gefreut.

Herzliche Grüße von

Ekki


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