Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Grüne feiern das Gewaltschutzgesetz

Maesi, Wednesday, 05.12.2001, 23:24 (vor 8769 Tagen) @ die Normfrau

Als Antwort auf: Re: Grüne feiern das Gewaltschutzgesetz von die Normfrau am 05. Dezember 2001 13:04:13:

Hallo Normfrau

Doch ich finde schon, dass die Diskussionen im Zuge dieses Gesetzes das Thema Gewalt in Familien mehr in die Öffentlichkeit gebracht hat.

IMHO war es eher umgekehrt. Zuerst war die Empoerung ueber Gewalt in der Familie, dann wurde das Gewaltschutzgesetz ausgearbeitet. Das Thema "Haeusliche Gewalt gegen Frauen" ist bereits seit ueber dreissig Jahren ein feministischer Dauerbrenner; wer jedenfalls mit offenen Augen durch die Medienwelt laeuft, kommt zu genau diesem Ergebnis. Die oeffentliche Auseinandersetzung bezueglich "Haeuslicher Gewalt" wurde, mit Ausnahme einiger kritischer Geister (Bock, Jaeckel, div. Vaeter- und Maennerorganisationen), eindeutig von den bestehenden orthodoxen, feministischen Klischeevorstellungen beherrscht, was sich ja auch in den entsprechenden Debatten im Bundestag niederschlug. Die wissenschaftliche Forschung fand kaum Eingang in die Medien, vielmehr wurde meist sehr emotional und von persoenlicher Betroffenheit gepraegt argumentiert.
Der Teil "Haeusliche Gewalt gegen Maenner" wurde zwar gelegentlich ebenfalls in den Medien angeschnitten, eine vertiefte Auseinandersetzung damit konnte ich aber nicht feststellen. Insgesamt wird es jedenfalls (noch) nicht als gesellschaftliches Problem angesehen. Amerikanische Forschungen zeigen aber nicht nur eine aehnlich hohe Gewaltquote bei beiden Geschlechtern (sowohl als Taeter als auch als Opfer); sie zeigen auch, dass in gewalttaetigen Beziehungen haeufig von beiden Seiten Gewalt ausgeuebt und erlitten wird. Diese Dimension von Gewalt in Partnerschaften wurde auch durch das Gesetz nicht ins Licht der Oeffentlichkeit gerueckt. Ueber einen ganzheitlichen Ansatz, solche Gewalt zu verhindern, oder auch nur zu verstehen, wie sie zustande kommt, wurde kaum je diskutiert.

Vor allem wurde es Zeit, dass Vergewaltigung in der Ehe ein Straftatbestand wurde, vorher gab es sowas offiziell nicht - im Gegenteil, die Eheparnter waren ja verpflichtet, sich dem ehelichen Vollzug zur Verfügung zu stellen und das hat so mancher mit Gewalt eingefordert. Jetzt hat auch die Staatsanwaltschaft einen Gesetz, nach dem sie den Täter anklagen können.

Trotzdem muss auch heute die Vergewaltigung dem Taeter nachgewiesen werden (zum Glueck), bevor es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommt. Dies ist aber gerade in der Ehe nicht leicht. Und eine lueckenlose Indizienkette ist nur so stark, wie ihr schwaechstes Glied. Die strafrechtliche Verankerung der Vergewaltigung in der Ehe hat somit eher formaljuristische und psychologische Bedeutung. Dass jetzt eheliche Vergewaltiger in Massen verurteilt werden, ist eher unwahrscheinlich, selbst wenn sie es tatsaechlich getan haben; hier ist wohl eine Grenze der menschlichen Gerechtigkeit erreicht, mit der wir uns abfinden muessen.

Auch Gewalt gegen Kinder wurde in den letzten Jahren ein öffentliches Thema, das wurde Zeit.

Die Gewalt gegen Kinder war eben gerade nicht Bestandteil des Gewaltschutzgesetzes, was einige MdB auch monierten. Das Thema "Gewalt gegen Kinder" ist aehnlich klischeebeladen ("gute Mutter, boeser Vater"), wie die Gewalt in der Partnerschaft. Ausserdem liegt das Augenmerk derzeit v.a. auf sexueller Gewalt gegen Kinder; die ist zwar wesentlich seltener als sonstige physische Gewalt, entspricht aber viel besser der orthodoxen Lehrmeinung des Feminismus. Untersuchungen haben naemlich gezeigt, dass Jungen eindeutig haeufiger geschlagen werden als Maedchen; bei sexuellen Misshandlungen sind Jungen mit etwa 25-30% zwar in der Minderheit, aber doch nicht so selten, wie man glaubt.

Geprügelte/misshandelte Menschen müssen auch in der Öffentlichkeit Rückhalt finden und dazu muss Gewalt ein öffentliches Thema werden, noch vor wenigen Jahren wurde es totgeschwiegen.

Finden gepruegelte/misshandelte Frauen und Kinder (in genau dieser Reihenfolge) in der Oeffentlichkeit Rueckhalt? Ja. Finden gepruegelte Maenner in der Oeffentlichkeit Rueckhalt? Eindeutig nein. Dies sieht man(n) schon an der Helferindustrie, welche zwar von allen Steuerzahlern mitunterstuetzt wird, jedoch fast ausschliesslich auf die Beduerfnisse von Frauen und in geringerem Masse von Kindern (insbesondere Maedchen) ausgelegt ist.
Der Aussage, dass (Haeusliche) Gewalt erst seit wenigen Jahren in der Oeffentlichkeit ein Thema ist, muss ich widersprechen; das erste Frauenhaus in Westeuropa (in England) wurde IMHO 1971 gegruendet. In den letzten Jahren wurde die Gewaltdebatte aber eindeutig intensiviert; v.a. weil die 68er Studentengeneration jetzt selber an die Schalthebel der Macht gelangt und damit in Familienbelangen eine feministisch orientierte Intelligenz, welche in ihrer Studienzeit die Familie als Keimzelle patriarchalischer Gewalt gegen Frauen definiert hat. Diese feministisch orientierte Intelligenz (uebrigens laengst nicht alles Frauen) hat einen grossen Anteil an der derzeitigen Deutungsmacht bezueglich "Haeuslicher Gewalt" im besonderen und in Familienfragen im allgemeinen; folgerichtig wird denn auch fast ausschliesslich von der Praemisse maennlicher Gewalt in der Familie ausgegangen.

Gruss

Maesi


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