Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Machtstrukturen in der Arbeitswelt

Garfield, Monday, 25.04.2005, 17:03 (vor 7539 Tagen) @ Melanie Sophia

Als Antwort auf: Machtstrukturen in der Arbeitswelt von Melanie Sophia am 22. April 2005 21:25:

Hallo Melanie!

"Frauen haben sich auf verschiedensten Gebieten nach vorne gearbeitet und eine Domäne der Männer nach der anderen "erobert". Dennoch beschleicht mich das Gefühl dass es da eine Grenze gibt ab der es kaum noch weitergeht. Irgendwas, sei es die Rollenzuteilung, seien es andere Gründe, blockieren die vollkommene Parität zwischen den Geschlechtern."

Hm, offensichtlich meinst du aber damit nicht die Tatsache, daß die überwiegende Mehrheit der körperlich schweren, gefährlichen, gesundheitsschädlichen oder sonstwie sehr unangenehmen Jobs nach wie vor Männer-Domänen sind... Was meinst du, wieso das kaum eine Frau stört?

"Die berufliche Macht befindet sich mehrheitlich in Männerhand. Doch warum ist das so? Welche Kräfte wirken da ein?"

Die beiden von dir genannten Thesen halte ich für gar nicht so entscheidend, bis auf das Problem der angeblichen Unvereinbarkeit von Familie und Beruf.

Aber auch dieses Problem ist offensichtlich gar nicht so wesentlich. Denn auch wenn sich Familie und Beruf (z.B. mit Hilfe von Kindertagesstätten) sehr wohl vereinbaren lassen, steigen viele Frauen trotzdem zeitweilig oder gar ganz aus dem Beruf aus, um sich ganz den Kindern zu widmen. Das war auch in der DDR so, obwohl es da genügend Kinderbetreuungsmöglichkeiten gab. Nicht wenige Frauen verzichten auf Karriere also nicht etwa, weil sie das müssen, sondern weil sie das wollen.

Dann ist es aber auch bei Männern keineswegs so, daß sie schon in jungen Jahren direkt auf einen hohen Führungsposten kommen. Oft erreichen sie so eine Position erst in hohem Alter, und das ist auch nur wenigen Männern vergönnt, da es nun einmal nicht so viele Spitzen-Jobs gibt. Es gibt da also zwei Probleme: Die Konkurrenz ist hart und es dauert lange, bis man ganz oben ist.

Da so manche Frau es vor Jahrzehnten noch nicht einmal für nötig hielt, einen Beruf zu erlernen, ist weiblicher Nachwuchs für sehr hohe Führungsposten heute eher selten. Das mag sich in Zukunft ändern.

Aber da gibt es eben noch das Problem, daß viele Frauen nicht die nötige Ausdauer mitbringen, um das Rennen um die Spitzen-Posten bis zum Ende durchzuziehen. Wieso sich so abstrampeln, wenn man Geld auch einfach von einem gut verdienenden Mann bekommen kann?

Außerdem scheuen nicht wenige Frauen auch grundsätzlich vor Verantwortung zurück. Ein Beispiel dafür (ich habe es schon mehrmals genannt, aber vielleicht hast du es ja nicht gelesen):

In der Firma meiner Frau war vor einigen Jahren Betriebsratswahl. In der Firma arbeiten überwiegend Männer. Schichtdienst an Maschinen ist ja für viele Frauen uninteressant, so daß man auch dort Frauen fast nur in der Buchhaltung findet. Deshalb waren im Betriebsrat auch fast nur Männer. Die Vorsitzende war eine Frau, und eine andere Frau aus dem Betriebsrat hatte das Unternehmen verlassen.

Nun suchte die Vorsitzende eine Frau, die bereit war, für den Betriebsrat zu kandidieren. Es fand sich aber niemand. Idealerweise sollte es eine Kollegin sein, die schon länger im Unternehmen ist. Da gab es auch einige, aber die winkten alle sofort ab. Darauf hätten sie keine Lust, da müsse man sich ja womöglich noch mit dem Chef anlegen...

Meine Frau wollte eigentlich nicht kandidieren, weil sie noch nicht lange im Unternehmen war. Die Betriebsratsvorsitzende sprach sie dann aber auch an, und so entschloß sie sich dann schließlich doch dafür, weil sich alle anderen Kolleginnen weigerten.

Sie brauchte dann aber schon mal Unterschriften, um sich zur Wahl aufstellen zu lassen. Als sie eine ihrer Kolleginnen fragte, zierte die sich auf einmal und wollte nicht unterschreiben. Zwar hatte sie selbst den Job auch abgelehnt, aber meine Frau sollte ihn dann doch bitteschön auch nicht haben... Aber sie hat trotzdem genügend Unterschriften bekommen.

Die Betriebsratsvorsitzende sagte meiner Frau dann, daß sie wegen Frauenquote auf jeden Fall in den Betriebsrat kommt, auch wenn sie keine Stimme bei der Wahl bekommt. (!) Tatsächlich hat sie aber viele Stimmen bekommen.

Seitdem muß sie sich immer schräge Bemerkungen von ihrer Kollegin anhören. Sowas wie "ach, du hast ja nun Kündigungsschutz" oder (nach einer BR-Sitzung) "Hattet ihr wieder Kaffeekränzchen?" oder (vor einer BR-Schulung) "ja, so eine Woche Sonderurlaub hätte ich auch gern"...

Das war ein typisches Beispiel, denn genauso läuft das prinzipiell auch bei der Besetzung von Führungsposten ab:

1. Haben viele Frauen wenig Neigung dazu.

2. Wenn sie selbst keine Karriere machen, sollen andere Frauen das gefälligst auch nicht tun.

3. Die Frauen, die Karriere machen wollen, haben es durch Frauenquoten und dümmliche Vorurteile über die angebliche weibliche Überlegenheit oftmals leichter als Männer. Auch von männlichen Kollegen werden sie meist nur dann abgelehnt, wenn sie mit so einer "ich werde es euch patriarchalen Wichsern jetzt mal so richtig zeigen"-Einstellung daher kommen. Daß viele Männer Probleme mit weiblichen Chefs haben, ist ein Märchen. Tatsächlich sind es oft Frauen, die bei Umfragen angeben, lieber mit männlichen Chefs zu arbeiten.

4. Macht eine Frau Karriere, wird sie nicht selten von anderen Frauen gemobbt oder ihr wird unterstellt, sich "hochgeschlafen" zu haben.

Ich denke, das Hauptproblem ist folgendes:

Die Ernährerrolle wird nach wie vor vor allem von den Frauen immer noch den Männer zugeschoben. So haben viele Frauen den Gedanken im Hinterkopf, daß es ja eigentlich Aufgabe des Mannes ist, das Geld zum Leben heranzuschaffen. Sie halten sich schon für emanzipiert, wenn sie ihren Teil dazu beitragen. Sich dann auch noch für die Spitzen-Karriere zu qualifizieren und abzustrampeln, muß dann nicht auch noch sein.

Männer haben dazu auch nicht unbedingt Lust. Aber sie wissen genau, daß sie von den Frauen eben immer auch nach ihrem Einkommen und nach ihrem beruflichen Status beurteilt werden. Das zwingt sie dazu, sich möglichst gut zu qualifizieren und eine möglichst hohe berufliche Laufbahn anzustreben. Weil sie nur so viel Besitz und einen hohen Status erlangen können. Frauen können das einfach durch Heirat, Männer eben nicht.

Also strampeln Männer sich dann eben ab, und so erreichen dann eben auch mehrheitlich Männer hohe Führungspositionen.

Wenn sich ein Mann für einen Job bewirbt, dann wird es als Plus-Punkt gewertet, wenn er angibt, verheiratet zu sein und idealerweise auch noch Kinder zu haben. Noch besser ist, wenn er auch noch sagt, daß er ein Haus bauen will oder schon für ein Haus Raten zahlt. Kannst du dir vorstellen, wieso? Das wird als Pluspunkt betrachtet, weil man dann davon ausgeht, daß der Mann sich beruflich maximal abstrampeln wird, um Frau und Kindern etwas bieten zu können. Daß er auch klaglos Überstunden schieben wird, um noch mehr Geld heranzuschaffen.

Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den man dabei unbedingt in Betracht ziehen muß. Wieso wird das so selten getan?

Freundliche Grüße
von Garfield


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