Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Re: In China gibt es kein Geschlecht, denn es gibt in der Sprache kein Geschlech

Ekki, Monday, 23.08.2004, 21:51 (vor 7204 Tagen) @ Nick

Als Antwort auf: Re: In China gibt es kein Geschlecht, denn es gibt in der Sprache kein Geschlech von Nick am 23. August 2004 16:08:23:

Hallo allerseits!

Als jemanden, der Übersetzer von Beruf und Leidenschaft ist, interessieren mich diese Fragestellungen natürlich.

Ich halte es generell für problematisch, von der Art und Weise, wie sich das biologische Geschlecht im grammatikalischen Geschlecht aktualisiert, Rückschlüsse auf die Psyche der betreffenden Völker zu ziehen.

Eigentlich geht das ja schon in den den Bereich der Parapsychologie hinein, und das ist - nun ja, wohlwollend ausgedrückt, eine Grenzwissenschaft.

Dennoch möchte ich - als intellektuelle Spielerei - hier mal in die Rolle des "advocatus diaboli" schlüpfen und Beispiele anführen, die meine obige Skpesis Lügen zu strafen scheinen:

Wenn man sich mal die Frauen in den drei großen europäischen Sprachfamilien - germanische, romanische und slawische Sprachen - ansieht, wer steht dann am meisten im Ruf der Schönheit und Attraktivität?

Richtig - die Germanen versuchen alles, um an Frauen im Süden und Osten ranzukommen.

Und die betreffenden Sprachen?

Im Deutschen gibt es bei den Substantiven eine klare Unterscheidung des grammatischen Geschlechts durch den Artikel (bestimmt oder unbestimmt). Bei den Verbformen, welche das Geschlecht unterscheiden, wird's dagegen schon schwammiger:

der lachende Mann - die lachende Frau - das lachende Kind.

Beim unbestimmten Artikel wird's wieder etwas klarer:

ein lachender Mann - eine lachende Frau - ein lachendes Kind.

Die Engländer sind noch etwas "geschlechtsloser":

Am Artikel (sowohl bestimmt als auch unbestimmt) ist das Geschlecht nicht abzulesen, und auch bei den Partizipien wird komplett gleichgemacht.

Abgleich mit dem realen Leben (bitte nicht bierernst nehmen):

Während in Deutschland wenigstens noch Restbestände von Weiblichkeit übriggeblieben sind, hat der Femi-Wahn im perfiden Albion voll durchgeschlagen, und was sich da so trotz seines Aussehens auf die Straße traut ... ogottogott!

Und wenn man dann noch bedenkt, daß im Deutschen das Mädchen sächlichen Geschlechts ist, so kann man nur noch konstatieren, daß die Sprache hier die kulturelle Entwicklung vorweggenommen hat. *lol* (Aber im Ernst: Deutsch lernende Ausländer aus romanischen und slawischen Ländern kommen aus dem Erstaunen über das sächliche grammatikalische Geschlecht der deutschen Mädchen schier nicht heraus.)

Weiter südlich wird's schon differenzierter:

Im Italienischen z.B. bestehen klare Regeln mit einer begrenzten, überschaubaren Anzahl von Ausnahmen, die es ermöglichen, das grammatische Geschlecht eines Substantiv mit hoher Treffsicherheit an der Endung zu erkennen (man versuche das mal im Deutschen oder gar im Englischen!). Ein Neutrum gibt es gar nicht. Bei den Partizipien wird (allerdings mit Einschränkungen) das Geschlecht unterschieden.

Halbernster Rückbezug zum realen Leben:

Italienische Frauen gelten als rassig, und die Männer haben als "Latin Lover" einen guten Ruf.

Und nun zu meinem ureigensten Bereich, den slawischen Sprachen:

Sowohl das Russische als auch das Polnische leisten sich sowohl im Bereich der Substantive als auch der deklinierten Verbformen mit allen 3 Gechlechtern eine Formenvielfalt, die die Wände wackeln läßt und für jeden, der diese Sprache lernen will, ein Lackmustest auf die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen um diese Sprachen ist.

Das Polnische allerdings setzt noch einen drauf:

Während bei den russischen Verben in der Vergangenheit nur Numerus und Genus unterschieden werden (z.B. heißt die Vergangenheit von sein im Russischen für den männlichen Singular "byl", für den weiblichen Singular "byla" und für den sächlichen Singular "bylo" [jeweils für alle drei Personen], während im Plural für alle 3 Geschlechter und alle 3 Personen nur "byli" existiert), hauen die Polen voll rein: In der 1. und 2. Person Singular und Plural werden männlich und weiblich unterschieden (alle "selbstständig redefähigen Personen" sind entweder männlichen oder weiblichen Geschlechts, insofern fehlt hier das Neutrum), sowie in der 3. Person Singular männlich, weiblich und sächlich und in der 3. Person Plural männlich und eine gemeinsame Form für männlich und sächlich:

ja bylem (ich war - männlich)
ja bylam (ich war - weiblich)
ty byles (du warst - männlich)
ty bylas (du warst - weiblich)
on byl (er war)
ona byla (sie war)
ono bylo (es war)

my bylismy (wir waren - mänlich)
my bylysmy (wir waren - weiblich)
wy byliscie (ihr wart - männlich)
wy bylyscie (ihr wart - weiblich)
oni byli (sie waren - männlich)
one byly (sie waren - weiblich und sächlich)

Und das bei jedem Verb in einer Sprache, in der die meisten Verben zwei Infinitive haben!

Scherzhafter Rückbezug zur Wirklichkeit: Sowohl Russinnen als auch Polinnen stechen die Deutschen aus, aber die plumpen Russen-Frauen verblassen wiederum neben den grazilen Abkömmlingen polnischer Adelsgeschlechter.

Im Bereich der Substantive dagegen gibt es einen Unterschied, der in der Tat frappierend ist:

In bei den Sprache gilt die Regel, das bei belebten männlichen Substantiven sowohl im Singular als auch im Plural der Akkusativ die Endung des Genitivs annmimmt.
Anders ausgedrückt: Grammatikalisch gilt eine Frau nicht als lebendes Wesen.

Auch hier ist das Polnische wieder radikaler als das Russische:

Während die Russen ihren Frauen wenigstens im Plural die Belebtheit zugestehen (die Regel von der Annahme der Genitiv-Endung durch den Akkusativ wird im Russischen im Plural auch auf weibliche Substantive angewandt), ist bei den Polen total Essig: Frau is' nich' belebt, weder im Singular noch im Plural.

Und damit nicht genug:

Die Polen leisten sich auch beim Nominativ Plural der männlichen Substantive noch einmal eine Unterscheidung zwischen Endungen für belebte männliche Substantive und unbelebte männliche Substantive. Die Bildung der männlichen Personalform im Nominativ Plural gehört übrigens zum Schweißtreibendsten, was die polnische Sprache zu bieten hat.

Bei den weiblichen Substantiven dagegen ist die Bildung des Nominativ Plural puppig einfach - sind ja eh' alles Dinge! *lol*

Gerade bei diesem Beispiel aber kann ich den Kreis schließen und zum Anfang zurückkehren - nämlich zu der Absurdität von Rückschlüssen bei der Aktualisierung des grammatikalischen Geschlechts auf die Lebensrealität:

In Rußland sind die Mehrheit der Männer zwar Versager, aber sie schaffen es immerhin noch, ihren Frauen das Leben zur Hölle zu machen.

In Polen dagegen herrschen die Frauen so offen und unangefochten, wie man es sich in Deutschland kaum vorstellen kann.

Hier ist es in der "realen Realität" also genau andersherum als in der sprachlichen Realität.

Zum Abschluß noch eine amüsante Beobachtung aus einem gänzlich andren Kulturkreis:

Das Judentum war immer eine muterrechtliche Religion, in der sich das Jüdisch-Sein nach der Mutter bestimmte. In der Verfassung des Staates Israel wurde es dann ein für allemal in Stein gemeißelt:

"Jude ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum übergetreten ist."

Und die Sprache?

"Vater" heißt im Neu-Hebräischen "av".

Die männliche Plural-Endung der Substantive ist "-im", die weibliche "-ot".

Na, und wie heißen wohl "die Väter" auf Neu-Hebräisch?

Richtig: "avot".

Schmunzelnder Gruß

Ekki

P.S.:

Eine ernste Bemerkung kann ich mir zum Schluß dieses augenzwinkernden Beitrags nicht verkneifen.

Ich habe dieses Posting als Antwort auf ein Posting von Nick ins Forum gestellt. Das war mitnichten Zufall.

Zitat aus dem Bezugsposting:

Es ist schwer erträglich, wenn unendlich dumme und unwissende Menschen ihren Quark absondern. Man könnte solche albernen "Sprachphilosophen" in ihrer Borniertheit eigentlich getrost vergessen, wenn sie denn im Irrenhaus untergebracht wären. Das sind sie aber leider nicht, ganz im Gegenteil. Sie sind in Freiheit und inzwischen zum bestimmenden Element der europäischen "Gender"-Politik geworden, die ganz auf ihren "Einsichten" beruht.

Nicht, daß ich noch einen Funken Hoffnung hätte, mit Nick in einen Dialog treten zu können - das kann niemand, der nicht seiner Meinung ist, und deshalb wende ich mich auch hier nicht mehr direkt an ihn, sondern rede von ihm in der 3. Person.

Es ist aber schon sehr bedenklich, wenn Nick seine aus dem Bereich der Religion sattsam bekannte Art der Toleranz nun auch auf anderen Gebieten zeigt.

Man mag ja eine Theorie für wenig stichhaltig, sogar für absurd halten. Aber zu bedauern, daß ihre Vertreter nicht im Irrenhaus sitzen, das würde ich nur bei ganz extremen, menschenverachtenden Theorien als ernstgemeinte und Respekt verdienende Aussage stehenlassen. In diesen Kontext jedoch gehören die Theorien, auf die Nick sich bezieht, mitnichten, mag man sie auch für noch so absurd halten.

In jedem anderen Kontext wäre eine solche Aussage vielleicht als Scherz angängig. Bei Nick wissen wir aber, daß das kein Scherz ist.

Nichts von dem, was in diesem Thread geäußert wurde, kommt auch nur in die Nähe solch abgedrehter Dinge wie "feministische Linguistik" - und selbst bei der würde ich nicht den Ruf nach der Zwangsjacke erschallen lassen, sondern lediglich dazu auffordern, den Vertretern dieser Theorie standhaft, aber rational und mit einem Schuß Humor gegenüberzutreten.

Und deshalb fällt das obige Zitat in vollem Umfang auf seinen Urheber zurück: Es ist schlicht unerträglich.

Und es bestätigt ebenfalls in vollem Umfang die von Eugen Prinz in seinem Posting

index.php?id=32703

gemachten Aussagen.

Nicht, daß mich die Aussagen eines Nick groß stören würden. Erstens bin ich nicht der Forenmaster, und zweitens übergehe ich die meisten seiner (d.h. Nicks) Peinlichkeiten mit taktvollem Schweigen.

Die oben zitierte Aussage war jedoch ungewöhnlich radikal und betraf zudem mein berufliches Betätigungsfeld (wenn sie auch nicht an mich gerichtet war). Deshalb wollte ich einfach mal nur meine Meinung dazu aussprechen.

Und im Übrigen hoffe ich, mit meinem eigenen Posting ein Beispiel dafür geliefert zu haben, wie man ein Thema auf humorige Weise und ohne Fanatismus und persönliche Verletzungen behandelt.

Gut's Nächtle wünscht

Ekki


gesamter Thread:

 

powered by my little forum