Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: In China gibt es kein Geschlecht, denn es gibt in der Sprache kein Geschlech

susu, Monday, 23.08.2004, 20:20 (vor 7203 Tagen) @ hquer

Als Antwort auf: Re: In China gibt es kein Geschlecht, denn es gibt in der Sprache kein Geschlech von hquer am 23. August 2004 15:35:13:

Letztens: Abstraktionen dienen der Bildhaftmachung sonst verborgener Zusammenhänge.
Natürlich existiert kein Geschlecht, genausowenig wie ein Baum existiert - in dieser Allgemeinheit. Existieren wird immer nur eine konkrete Repräsentanz des Begriffes, die aber desungeachtet die Abstraktion nicht ad absurdum führt. Jede konkrete Instanz eines Baumes erfüllt die Definitionskriterien des allgemeineren Begiffes - ansonsten wäre der Begriff falsch definiert.

Hier ist genau der springende Punkt: Es gibt keine konkrete Instanz von Geschlecht. Es mag durchaus sinnvoll sein, mit Begriffen zu arbeiten, die keine Repräsentanten haben - ein von mir schon genanntes Beispiel und ganz gut zu deinem Nick passend: Energie. Energie ist ein rein mathematisches Konstrukt. Es gibt keine Instanz von Energie. Dennoch ist es ein Begriff mit dem sich arbeiten läßt. Problematisch wird es, wenn ein solcher Begriff ein "Eigenleben" entwickelt und davon ausgegangen wird, es gäbe Instanzen des Begriffs. Ein solcher Prozess wird als Reifizierung bezeichnet (von "Res" - die Sache, also wörtlich ein "zu einer Sache machen").

Wer sich hquer nennt weiß, daß es solche Begriffe gibt. Schließlich gibts ja die Hilfswissenschaft Mathematik, die sie zu Hauf produziert (ich erinnere an die "Menge aller Mengen" die keinen Repräsentanten hat).

Gerade der Begriff "Baum" zeigt aber auch, daß er auch bar jeder expliziten Definition Wirklichkeit widerspiegelt.
Als Begriff ist er älter als jeder wissenschaftliche Definitionsversuch. Er enthält viel mehr als das - vielmehr als definierbar wäre, sogar Emotionen, Sehnsüchte, Gerüche, Tastgefühle. Er ist umfassender als jemals jemand aufschreiben könnte - und eben auch viel näher am realen Baum dran als alles andere.

Richtig. Iteressanterweise ist "Baum" eine größtenteils wissenschaftlich unsinnige Abstraktion (Bäume sind einfach große Landpflanzen, Taxonomisch aber keine Einheitliche Gruppe. "Baum" ist vom Kern her also eine so sinnvolle Einteilung wie z.B. eine Gruppe von Tieren, die Krokodile, Haie und Flußpferde umfaßt, weil alle große Wirbeltiere sind die sich zumindest zeitweise im Wasser aufhalten. Andererseits hat der Begriff Baum durchaus einen Platz in der Ökologie, als Beschreibung einer möglichen Adaption).

Genauso existiert aber eben auch das Geschlecht nur in seiner konkreten Instanz. Der Begriff - ebenfalls uralt und längst nicht nur in unserem heutigen Sinne benutzt (Geschlechter waren auch Generationen, Geschlechter konnten auch Ahnenlinien sein) drückt im biologischen, herkömmlichen Sinne den Unterschied von empfangend/gebärend zu zeugend/befruchtend. Diesen phänomenologischen Unterschied - der bis auf niedrige Lebensformen -überall in der Natur anzutreffen ist - haben Leute schon vor vielen Jahren bemerkt und eben als geschlechtlichen Unterschied gekennzeichnet.

Das ist mal eine klare Definition. Aber: Die Definition hinkt, weil sie a) unpragmatisch ist und b) auf einen nicht unterzubewertenden Teil der Lebewesen unzutreffend (und zwar eben auch in i.A. als zweigeschlechtlich bezeichneten Arten).

Man hätte ihn mit jedem beliebigen Kunstwort benennen können - die Natur des Unterschieds hätte man damit nicht ändern oder ihn gar leugnen können. Einzig und allein die Möglichkeit des Nichtwahrnehmens wäre geblieben.

Nehmen wir mal an, es gäbe dafür ein Kunstwort. Kein Problem. Das Problem ist: Es ist kein Kunstwort und der Begriff Geschlecht wird nebenbei für eine ganze Reihe weitere Sachverhalte genutzt (morphologische, endokrinologische, genetische, etc.).

susu


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