Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Re: Männerthemen = rechts?

susu, Thursday, 01.05.2003, 09:11 (vor 7669 Tagen) @ Maesi

Als Antwort auf: Re: Männerthemen = rechts? von Maesi am 26. April 2003 21:23:03:

Hallo Maesi

Naja, Du hast suggeriert, dass die Gleichstellung der Geschlechter fuer die Gruenen ein wesentliches Argument fuer die Abschaffung der Wehrpflicht ist; ich bin der Meinung, dass groesstenteils der dort vorherrschende Pazifismus verantwortlich ist, waehrend die Gleichstellungsideale eine marginale Rolle spielen. Meine Ansicht konntest jedenfalls auch durch den simplen Einwand, es sei ein alberner Satz, nicht erschuettern.

Albern ist nur der Schluß von "die Grünen fordern die Abschaffung der Wehrpflicht, nicht ihre Ausdehnung auf Frauen" zu "die Gleichberechtigung spielt dabei keine Rolle". Mag sein, daß der Pazifismus entscheidender ist, aber völlig egal ist er eben auch nicht.

Tja, die Welt besteht nicht nur aus Genderpolitik. Und es soll Waehler geben, die die buergerlichen Ansichten dazu unterstuetzen.

Bitte mal alle aufzeigen, die in der Männerbewegung gern wieder die Ein-Ernährer Kernfamilie (Keimzelle der Gesellschaft, oder wie das hieß) zurückhaben wollen. Oder SMler, Homos und gendertrasch in die Psychatrie (Treffen wir uns in der Gruppentherapie).

Hier haben wir einen jener Beruehrungspunkte, an dem unheilige Allianzen zwischen Konservativen und Linken moeglich sind und zuweilen auch eingegangen werden. Frauen- und Familienpolitik wird naemlich nicht nur in konservativen sondern auch in sozialdemokratischen und gruenen Kreisen weitgehend als Einheit empfunden, zumindest ist das in der konkreten politischen Arbeit so; als Beispiel sei das BMFSFJ genannt, in welchem die beiden Themenbereiche in einem Ministerium zusammengefasst sind (bezeichnenderweise noch mit den Senioren und der Jugend). Natuerlich werden bei Konservativen und Linken die Akzente unterschiedlich gesetzt (schon bei der Definition, was Familie ueberhaupt ist); die unselige Verquickung der beiden Themenbereiche findet aber in diesen politischen Stroemungen trotzdem statt.

Stimmt auch wieder.

Falchs. Ich muss mich hoechstens mit den politisch relevanten Theorien auseinandersetzen. Es ist moeglich, dass derzeit irrelevante Theorien irgendwann an Einfluss gewinnen. Dann werde ich mich mit ihnen auseinandersetzen muessen, aber halt wirklich erst dann. Es ist einfach nicht moeglich alle tausend oder noch mehr Theorien gruendlich zu studieren; selbst wenn man viel Musse hat und nichts anderes mehr tun muss.
Ausserdem ist es aeusserst selten, dass eine bestimmte Theorie 1:1 in der Praxis umgesetzt wird. Insofern ist selbst das Studium von solchen Theorien noch laengst nicht ausreichend. Nur ficht das die wenigsten (Sozial-)Theoretiker an; sie verbleiben in ihrem Elfenbeinturm und diskutieren zumindest teilweise an der Realitaet vorbei.

Ich halte es dennoch für relevant einen Ansatz im Bezug auf gender zu haben und dann zu schauen, in wieweit er mit bestimmten Feminismen übereinstimmt. Ich habe einen Ansatz, der der Überwiegenden Mehrheit an Feminismen konträr gegenübersteht, dasselbe gilt aber für entsprechende Ideen in der Männerbewegung. Am Ende kommt etwas heraus, mit dem ein Teil der Männerbewegung und ein Teil der Frauenbewegung leben kann und mit diesen Teilen kann ich dann arbeiten. Vieleicht bin ich in der seltenen Lage gar nicht anders zu können (beide Bewegungen sind ja im Grunde nicht "meine" Bewegungen. Als genderqueeres Irgendwas sitze ich eh zwischen den Stühlen).

Auf Dogmatiker bezogen stimmt das; auf Pragmatiker bezogen stimmt das nicht. Die Frage ist aber auch, wie die Zusammenarbeit aussehen soll. Punktuell kann es natuerlich immer eine Zusammenarbeit geben, wobei diese in der Praxis meist stillschweigend geschieht und eher als Nicht-gegeneinander-arbeiten bezeichnet werden kann, sozusagen eine Art unausgesprochenes Stillhalteabkommen in bestimmten Teilbereichen.

Das ist IMO nicht ausreichend. Beispielweise könnten im Bereich Gewalt Fraueninitiativen von den Erfahrungen von bestimmten Männerorganisationen im Bereich Täterarbeit profitieren, die Männerorganisationen von den Erfahrungen der Frauen bei der Opferarbeit. Stillhalten ist da nur die zweitbeste Lösung, die beste wäre Austausch und Vernetzung. Vergleiche mal die Inhalte von LGG mit denen der Männerbewegung. Geschlechterpolitik als Gegeneinander kann sowiso nur von jenen gemacht werden, die davon nur marginal betroffen sind.

Selbstverstaendlich ist der obige Absatz emotional gehalten; fuer Menschen sind Emotionen sehr wichtig, und man erreicht sie in erster Linie ueber Emotionen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb komplizierte, trockene Theorien irrelevant sind und bleiben, es sei denn es gaebe einen populaeren Abklatsch davon, der die Menschen bei ihren Emotionen abholt. Wichtig ist, dass man die Emotionen unter Kontrolle haelt. BTW: etliche Deiner Entgegnungen sind ja ebenfalls emotional. Wo ist also das Problem?

Ja, aber wenn ich dem Feminismus emotionalisierung vorwerfe, dann muß ich doch rational bleiben. Klar sind Emotionen wichtig und wohl auch der einzige Weg Menschen irgenwo abzuholen, speziell, wenn sie sich mit einer Thematik noch nicht so beschäftigt haben. Ich schreibe ja gerade am neuen GT, der viel weniger kopflastig als der erste wird (zumindest hoffe ich das), auch die Hühneranalogie und Alex Roman gehen in diese Richtung. Also: Ich halte es keineswegs für falsch zu emotionalisieren, meine Kritik war eher so im Sinne von "Glashaus, ne?" gemeint.

Ich habe Mechanismen aufgezeigt, wie Maennerdiskriminierung mittels feministischer Propaganda unsichtbar gemacht und parallel dazu Frauendiskriminierung aufgebauscht oder gar konstruiert wird. Wenn Maennerdiskriminierung marginalisiert, ignoriert oder gar negiert wird, ist das sehr wohl ein Maennerthema. Es ist aber auch ein Frauenthema, denn der dafuer notwendige propagandistische Aufwand wird v.a. von Organisationen aufgebracht, die Frauen politisch vertreten (oder zu vertreten vorgeben); beides laesst sich nicht voneinander trennen. Und daran ist die Frauenbewegung weitgehend selber schuld, da sie zu lange maennerdiskriminierende Methoden und maennerfeindlichen Aeusserungen in der oeffentlichen Debatte ueber Frauenthemen eingesetzt und somit Maennerthemen und Frauenthemen untrennbar miteinander verknuepft hat.

Sagen wir statt "Frauenbewegung" "ein sehr lauter Teil der Frauenbewegung" und das kommt hin. BTW, hat dieser Teil es ebenfalls geschafft z.B. die Unterdrückung von Männernd durch Männer und Frauen durch Frauen zu marginalisieren, ignorieren und teilweise zu negieren, was andere Teile der Frauenbewegung, die nicht dasselbe Podium besitzen anprangern.

Ein gewisses Gegengewicht zu multinationalen Konzernen bilden, neben der politischen Klasse, zunehmend die NGOs. Unter diesem Kuerzel figuriert ein Sammelsurium diverser Organisationen mit z.T. konkurrierenden Zielen, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, nicht eine Regierung zu repraesentieren. Streng genommen, sind allerdings auch Konzerne NGOs, denn sie repraesentieren ja genauso wenig eine Regierung.

Stimmt. Was ich unter grass-roots aktivismus verstehe, ist als NGO organisiert, ob´s jetzt attac oder G-PAC ist. Streng genommen sind Konzerne keine NGOs, denn ihre Organisationsstruktur ist durch Gesetze bestimmt (historisch gesehen waren sie in den USA bis in die 30er und in der BRD bis 45 sogar eigentlich GOs). Allerdings sind ihre Vertretungen (wie z.B. der BDI) NGOs. Das sich Konzerne gerade von den letzten Resten staatlicher Kontrolle emanzipieren ist ein Prozess, der sie eventuell zu NGOs machen wird, bislang ist der Punkt an dem ich sie so bezeichnen würde noch nicht eingetreten.

In der politischen Praxis liegt die Gestaltungsmacht in der Hand von Organisationen (Parteien, Interessenvertretungen und eben zunehmend von Weltkonzernen) und nicht von Theorien (bzw. Theoretikern); diese Organisationen handeln unter sich, je nach Machtverhaeltnissen, mehr oder weniger tragfaehige Kompromisse aus. Theoretiker haben zwar normalerweise Einfluss auf diese Organisationen, muessen sich jedoch diesen Einfluss mit vielen anderen Theoretikern teilen. Ausserdem sind Theoretiker selten direkt an der Ausarbeitung der Kompromisse selbst beteiligt (v.a. wenn die betreffenden Theoretiker schon laengst tot sind). IMHO ueberschaetzt Du die Einflussmoeglichkeiten einer bestimmten einzelnen Theorie gewaltig. Den groessten Einfluss haben noch immer die Entscheidungstraeger in den Organisationen selber (jeweils sehr stark abhaengig von ihrer Ueberzeugungskraft und ihrem Charisma), aber auch sie unterliegen Sachzwaengen, Druck von Entscheidungstraegern anderer Organisationen, diversen Anspruchsgruppen und der oeffentlichen Meinung. Ausserdem haengen die Entscheidungstraeger sehr selten reinen Theorien nach (Ausnahme: Dogmatiker) sondern muessen jeweils abschaetzen, inwieweit sich Theorien ueberhaupt in der Praxis umsetzen lassen.

Theorien sind keine Handlungsansätze, aber aus ihnen können Handlungsalternativen gewonnen werden. Ob jemand die Handlung X vornimmt, weil er Foucault gelesen hat, oder obwohl er ihn nicht gelesen hat ist im Grunde egal. Aber: Handlungen ohne Theorie führen selten zu einheitlichen Wirkungen, gender-Politik wäre das beste (mein bestes) Beispiel dafür. Und es gibt immer eine Theorie, ob sie nun explizit genannt wird, oder nicht. Es sagt der VWLer: "Die meisten Fusionen sind wirtschaftlich unsinnig". Doch die, die handeln, werden mit Sicherheit daran glauben, daß ihre Aktionen wirtschaftlich sinnvol seien.

Das ist schon richtig. Tendenziell wird der (objektiv gesehen) Maechtigere jedoch den weniger Maechtigen dominieren. Aber nicht immer ist jener der Maechtigere, den wir als solchen bezeichnen oder sehen wollen (z.B. agieren sogenannte 'Graue Eminenzen' recht haeufig im Hintergrund). So kann sehr wohl ein Strohmann nach aussen hin als Maechtiger auftreten, aber innerhalb des Machtsystems von anderen (nominell weniger maechtigen) Personen gelenkt werden. Theoretische Erwaegungen, so brillant sie auch sein moegen, sind letzten Endes eine Einflussgroesse unter vielen und IMHO laengst nicht die wichtigste.

Eine Theorie ist ein wenn...dann-Zusammenhang und der ist bei allen geplanten Handlungen gegeben. Kein Handeln ohne Theorie. Die Frage ist, ob es immer einen objektiv Mächtigeren gibt. Wer ist in einem rassistischen und homophoben System der Mächtiger? Ein weißer Schwuler, oder ein schwarzer Hetero? (Und habe ich hier gerade schon die Antwort impliziert, indem ich nicht homosexueller Weißer und heterosexueller Schwarzer schrieb?)

Richtig, ein wesentliches Merkmal aber eben nicht das einzige; sie muss halt auch den Ist-Zustand erklaeren koennen. Es gibt Theorien die gute und solche die weniger gute Vorhersagen treffen. Die Crux ist, dass Theorien immer von idealisierten Zustaenden, sogenannten Modellen ausgehen (ja ausgehen muessen), die Realitaet aber halt nie einem idealen Modell entspricht. Du musst also ueberpruefen, ob die Voraussagen der von Dir favorisierten Theorien der Realitaet einigermassen entsprechen oder nicht.

Stimmt schon, Theorien haben immer aproximativen Character und sie müssen auch den Ist-Zustand beschreiben. Eine gute Möglichkeit eine Theorie zu testen, ist sie auf ihre Fähigkeit andere ist-Zustände als die bei ihrem Zustandekommenden betrachteten zu erklären zu überprüfen. Aber ohne Voraussagen ist eine Theorie nur eine Beschreibung.

Die Zusammenarbeit wird aber nur in bestimmten Bereichen zu erreichen sein; d.h. es wird sich bestenfalls um ein mehr oder weniger dauerhaftes Zweckbuendnis handeln. In anderen Bereichen wird auch der moderate Feminismus Gegner oder Konkurrent zum moderaten Maskulismus sein, da sollte sich niemand Illusionen ueber Friede, Freude, Eierkuchen hingeben. Wenn es nicht so waere, wuerde der moderate Feminismus ja die Maenner schon vollumfaenglich vertreten; in diesem Falle muessten die moderaten Maskulisten lediglich dem moderaten Feminismus beitreten und dort mitwirken. Diese moderaten Maskulisten wuerden dann aber wahrscheinlich bald merken, dass sie in etlichen Bereichen auch von moderaten Feministinnen untergebuttert werden.

Ich verstehe diese Skala von radikal zu gemäßigt nicht. Es gibt so viele Dimensionen innerhalb der gender-Bewegungen, daß diese ein-Dimensionale Betrachtung flachfällt (das links-rechts Schema ist ähnlich unsinnig und ja, ich bin mir bewußt, daß das meiner Einordnung der Männerbewegung als links zuwiederläuft).

Es gibt die beiden Extreme: Einigung um jeden Preis und kompromisslose Haltung. Man muss halt den Mittelweg finden. Und der kann nur gefunden werden, wenn man mal die eigenen Forderungen formuliert, auf den Tisch legt und schaut, wie die Gegenseite reagiert. Dann gibt es immer noch einen gewissen Verhandlungsspielraum. So laufen nun mal saemtliche erfolgreichen Verhandlungen.

Es gibt auch die kompromisslose Einigung, wenn Ziel-Identität besteht.
Schon wieder so eine zusammenbrechende Dichotomie.

Nach Deiner Definition gaelten die Gruenen im Bereich der Umweltpolitik als rechtsgerichtet; sie wollen ja auf die Natur bezogen einen Urzustand wiederherstellen oder sich ihm wenigstens so weit wie moeglich wieder annaehern, eine eindeutig reaktionaere Haltung.

Stimmt. Deshalb spricht man bei Fragen, bei denen Schwarz und Grün sich näher stehen als Rot und Grün (z.B. in Fragen der Biotechnologie) ja auch von der "Koalition der Wertkonservativen". Wobei die Grünen in der Umweltpolitik dann doch eher wieder links sind, denn eine Politik die auf die Erhaltung von Recourcen ausgerichtet ist, ist dann doch wieder etwas neues. Aber auch die Gewerkschaften sind, wenn sie die Beibehaltung des Flächentarifs forden rechts und die CSU wird geradezu zu einer linksradikalen Partei, wenn Goppel erklärt, wenn Schröder für seine Agenda in den eigenen Reihen nicht genügend Unterstützung fände, dann solle er mal bei ihm vorbeischauen...

Bezueglich der Zusammenarbeit zwischen den moderaten Feminismen (derzeit groesstenteil nicht dominant) und moderaten Teilen Maennerbewegung kann ich mit den weiter oben genannten Einschraenkungen zustimmen. Was Du genau unter emanzipatorische Maennerbewegung meinst, verstehe ich nicht; es koennte ja auch noch mehr Stroemungen in der Maennerbewegung geben, als bloss die beiden von Dir genannten.

Tut es, ich habe das nur ein wenig vereinfacht, siehe oben (Stichwort: Approximation).

Immerhin: unter reaktionaere Maennerbewegung kann ich mir etwas konkretes vorstellen; ich weiss aber ebenfalls nicht, ob Du darunter dasselbe verstehst. Fuer mich ist eine reaktionaere Maennerbewegung konservativen Werten verpflichtet (z.B. Frau im Haushalt, Mann im Beruf, um jetzt ein Klischee zu bemuehen). Diese Maennerbewegung will in der Tat das Rad der Zeit zurueckdrehen.

Genau die meine ich.

susu


gesamter Thread:

 

powered by my little forum