Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Re: Männerthemen = rechts?

susu, Friday, 28.02.2003, 13:32 (vor 7731 Tagen) @ Stefan G.

Als Antwort auf: Re: Männerthemen = rechts? von Stefan G. am 27. Februar 2003 18:22:32:

Hi Stefan

Das ist korrekt, allerdings haben die Gründe für diese Ablehnung meiner Ansicht nach nur in eingeschränktem Maße mit Männeranliegen zu tun. Ich denke, sie sind eher in der pazifistischen Grundhaltung linker Parteien und deren Abneigung gegen Zwangsdienste zu suchen und nicht so sehr in der Tatsache, daß es sich bei der Wehrpflicht um eine Diskriminierung von Männern handelt.

Stimmt bei den meisten Gruppierungen sicher, aber die Realo-Fraktion der Grünen lehnt Militäreinsätze ja nicht aus Prinzip ab (siehe Kosovo). Es geht auch um Gleichstellung (zumindest gibt es einen Text in dieser Richtung irgendwo auf der Website der Grünen, wenn ich ihn finde liefere ich den Link nach...). Außerdem geht es um Kostensenkung, denn eine Berufsarmee ist zwar besser ausgebildet als eine Wehrpflichtigenarmee, aber trotzdem preisgünstiger.

Was bedeutet denn "mitverantwortlich"? Die geschlechtsneutrale Formulierung des Sexualstrafrechts ist eine verfassungsmäßige Notwendigkeit und kein Gnadenakt der Grünen. Oder wie meinst Du das? Selbstverständlich muß auch ohne Zutun der Grünen Vergewaltigung oder sexueller Mißbrauch ungeachtet des Geschlechtes des Opfers oder der Täter/in verfolgt und bestraft werden. Das läßt sich verfassungsrechtlich nicht anders realisieren.

Bis zur Strafrechtsreform in den frühren 90ern war Vergewaltigung z.B. als nicht-konsensuale Penatration von Frauen definiert. Da gab es keine Verfassungsrechtlichen Skrupel bei den Justizexperten und auch das Bundesverfassungsgericht hat da drüber weggesehen. Das Sexualstrafrecht ist auch heute noch nicht Biasfrei, denn bei den Tatbeständen in denen es um sekundäre Geschlechtsteile geht, sind Nippel einander nicht-gleichgestellt, ungeachtet der Tatsache, daß für einige Männer auf die selbe Art in den Intimbereich gehören, wie die von Frauen. Soweit ich weiß, war es eine grüne Eingabe im Justizausschuß, die auf die bestehende Ungleichheit hinwieß, so daß die Vergewaltigung von Männern jetzt auch juristisch Vergewaltigungen sind.

Ich mag diesen Begriff Maskulismus nicht besonders. Das hört sich meines Erachtens zu sehr nach Ideologie und versteinertem Weltbild an.

Deshalbschrieb ich auch maskulinistische Positionen. Es gibt ja verschiedene und ständig tauchen neue auf.

Damit würden wir uns nur auf die Ebene des Feminismus begeben. Daß es mancherlei Überschneidung in den Zielen des Feminismus und denen der Männerrechtsbewegung gibt, kann durchaus sein. Ich glaube aber, daß dies aus der Natur der Sache folgt - DEN Feminismus gibt es schließlich ebensowenig wie DEN Maskulismus. Wahrscheinlich gibt es gemäßigte und weniger gemäßigte Fraktionen.

Richtig. Und Fraktionen, die aus verschiedenen Denktraditionen stammen. Kaum eine Philosophische Richtung der letzten 150 Jahre, auf der sich nicht irgendeine Form von Feminismus berufen würde, bei den Maskulinismen gibt es die ganze Bandbreite (noch) nicht, aber 98 entdeckte Cornell schon 3 verschiedene und trat für eine 4. ein.

Ich denke, daß die Forderungen des Feminismus zur Zeit seiner Entstehung durchaus gerechtfertigt waren, nämlich die Befreiung der Frau, sowie deren Gleichstellung und Emanzipation. Diese Ziele sind allerdings weitestgehend erreicht. Der Feminismus ist schlichtweg überflüssig geworden.

Kommt auf die Strömung im Feminismus an. Wenn ich mir da meine Lieblingsströmung, nämlich die Poststrukturalistisch anschaue, dann erkenne ich weitere Forderungen, die noch unerfüllt sind, nämlich das durchbrechen der Zwangheterosexualität und die Dekonstruktion von Geschlecht als solchem. Judith Butler hat besonders Kritik am feministischen mainstream geübt, weil es ihrer Meinung nach unmöglich ist EINEN spezifischen Forderungskatalog aufzustellen, der dann als feministisch bezeichnet werden kann. Die Frage stellt sich nämlich dann, welche Gruppe von Frauen den anderen ihre Ziele als "die Ziele der Frauen" aufdrücken kann und diese Gruppe, so Bulter ist weiß und straight. In den theoretischen Überlegungen Butlers kann mensch auch Forderungen erkennen, die eine Männerbewegung stellen kann. Nicht umsonst heist ihr epochales Werk im deutschen "Das Unbehagen der Geschlechter".

Auf der Suche nach einer neuen Grundlage und Rechtfertigung seiner Existenz hat sich der Feminismus zu einer totalitären Ideologie entwickelt, die heute eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Eventuelle Übereinstimmungen in den Zielen beider Seiten sind meines Erachtens eher zufällig und nicht unbedingt gewollt.

Sehe ich ganz anders. Vielmehr gibt es (fast) immer Zweckgemeinschaften von Männern und Frauen, die eine gemeinsamme Basis haben. Beispielweise wird in der Lesbenszene das Thema häuliche Gewalt in lesbischen Beziehungen thematisiert (grade ging der Fall TATU durch die Medien, ein Mitglied der Pärchenpopband, die gerade die Charts stürmt schlug die andere krankenhaureif). Keine derer, die sich mit diesem Thema befassen glauben auch nur im entferntesten, heterosexuelle Frauen würden in Beziehungen nie den agressiven Part übernehmen ("Frauen sind die besseren Menschen, aber Lesben sind die schlechteren Frauen? - Die These wäre ja echt totaler Blödsinn"). Auch der Zusammenhang Männergewalt - Männerwehrpflicht fällt mir ein, ehemalige Soldaten werden signifikant häufiger Straffällig im Zusammenhang mit Gewaltdelikten als Männer, die nicht beim Bund waren und ihre Taten sind im durchschnitt brutaler und haben schlimmere Folgen für die Opfer. Auch die theoretischen Grundlagen sind wichtig, mit einer Dekonstruktivistin habe ich eine bessere Grundlage zur Konsensfindung als mit einem Essentialisten und umgekehrt würde eine Butlerianerin mit mir wahrscheinlich weniger zu streiten haben, als mit einer 2nd wave Feministin.

Es ist sicher sinnvoll, bestimmte Aspekte menschlichen Daseins geschlechtsspezifisch zu betrachten - wie in der Medizin oder dem Bildungswesen bspw., aber von einer gleichberechtigten Behandlung beider Geschlechter sind wir noch weit entfernt - hier werden die Frauen klar bevorzugt.

In einigen Punkten ja, in anderen Punkten nicht. Ich sage immer, es gibt "glass ceilig" aber es gibt auch "glass floor", sowohl ganz oben, als auch ganz unten sind primär Männer. Meine Erklärung dafür geht so: Zum einen weden Menschen in Männer und Frauen unterteilt (gleich M und F abgekürzt), zum anderen werden Eigenschaften und Tätigkeiten in männliche und Weibliche unterteilt (m und w). Diese Eigenschaften unterliegen einer hierarche, bei der männliche Eigenschaften eher positiv und weibliche eher negativ bewertet werden. Außerdem wird negativ bewertet, wenn ein Mensch "unpassende" Eigenschaften hat oder nonkonforme Tätigkeiten ausführt. Im Ergebnis sieht das dann so aus:

1) Mm: Privilegierte Stufe. Der männliche Mann macht Kariere, läst sich nicht von solchen Dingen wie Familie aufhalten und wird als das Idealbild schlechthin gefeiert (seit langer, langer Zeit).
2) Fm und Fw: Wie Frau es macht, sie macht es falsch. Macht sie Karriere ist das unweiblich, macht sie irgendwas weibliches, ist das mesit schlecht, oder gar gar nicht bezahlt.
3) Mw: Ende der Skala. Das ist der Teil der Bevölkerung auf den fast alle heruntergucken können. Männer, die berufliche Auszeiten nehmen um die Kinder großzuziehen. Damit kommt auch bei den Grünen keiner vorran. Der Teil der Bevölkerung, der von Männergewalt am stärksten betroffen ist, weil "Man schlägt keine Frauen", aber nirgends steht was von "Weicheiern" im internationalen Handbuch für galantes Pöbeltum.
4) (Sagte ich Ende der Skala? Ne, da kommt noch was :) ) Der Rest, bei dem die Buchstaben nicht passen. Von den Hermaphroditen, die von Medizinern gefoltert werden über TS in der transitioning Phase, die vieleicht irgendwann wieder in´s Raster passen bis zu gendertrash (Gutes Wort von R.A. Wilchins) wie mir. Da kriegt mensch eine gute Perspektive auf das, was weiter oben so abgeht. Auch auf das was teilweise hier besprochen wird. Was regen sich alle so auf, weil Frauen eigene Bibliotheken haben, wir haben noch nicht mal ein eigenes Klo! :)

Und es ist sicher nicht das Ziel des Feminismus, Männer in dieser Hinsicht stärker einzubringen. Wenn ich mir heute die ideologischen Verdrehungen im Jahresbericht 2002 unserer Frauenbeauftragten anschaue, dann hat selbst "Gender Mainstreaming" bislang klar versagt, weil dies in der Praxis nichts anderes ist als eine Neuauflage des Feminismus alten Formats - Männerinteressen werden immer noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Kommt auf die Strömung an. Eine Menge Feminismen bauen darauf, eine gemeinsamme gender-Politik mit Männern zu erarbeiten, die in die selbe Richtung denken.

Naja...so weit hergeholt ist diese These doch nicht! Zumindest sehe ich starke Gemeinsamkeiten zwischen Feminismus und Kommunismus. Beide träumen von einem perfekten Endzustand - der Kommunismus von der klassenlosen Gesellschaft und der Feminismus vom Matriarchat.

Matriarchate sind nicht die Utopie aller Feminismen. Ebenfalls hoch im Kurs: eine Gesellschaft in der Geschlecht überhaupt keine Rolle spielt.

Beide sind der Überzeugung, daß unsere Gesellschaft sich aus einem bestimmten Urzustand heraus entwickelt hat, beim Feminismus ist dies die matriarchalische Gesellschaft, beim Marxismus der Urkommunismus.

Auch das ist im Fall des Feminismus zweifelhaft. Die im deutschen akademischen Feminismus betriebene Historisierung der Geschlechterverhältnisse hat als Ergebnis eine weitestgehend unbestrittenene Theorie hervorgebracht, nach der die herrschende Geschlechterordnung sich erst mit der Industrialisierung durchsetzte.

Alle folgenden Gesellschaftsformen sind das Resultat von Entfremdung und Ausbeutung. Darüber hinaus glauben beide Ideologien daran, alles Übel in der Welt auf eine Ursache reduzieren zu können. Beim Kommunismus: Kapitalisten, beim Feminismus: Männer.

Auch da gibt es bei den Feminismen verschiedene Antworten auf die gleiche Frage. Als da wären: Männer (bei 2nd wave Seperatistinnen und Essentialistinnen), ein abstraktes Patriarchat (z.B. der Existentialistische Feminismus) und die Geschlechterdichotomie (Post-Strukturalistischer Feminismus). Gibt bestimmt noch mehr...

Eben das, was im Kommunismus "Diktatur des Proletariats" genannt wurde, nennt der Feminismus "Befreiung der Frau". Auf der Seite der Unterdrückten sieht dies ähnlich aus (Arbeiter/Frau). Stellt sich aus der Sicht des Marxismus die Geschichte des Menschen als eine Geschichte der Klassenkämpfe dar, interpretiert der Feminismus die Geschichte als einen fortwährenden Geschlechterkampf.

Um nochmal auf die Ansätze zur historischen Frauenforschung in D-Land aufmerksam zu machen: Hier wird die Wirkung geschichtlicher Ereignisse auf Geschlechterverhältnisse betrachtet, die Situation der Geschlechter aber nicht als einziger, oder bestimmender Grund für Veränderungen aufgefasst.

Überdies ähneln sich beide Ideologien in ihrem totalitären und extremistischen Charakter - insbesondere darin, alle gesellschaftlichen Abläufe vollständig überwachen und kontrollieren zu können - was Maesi auch schreibt.

Auch da gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen. Ein Beispiel ist die PorNO Kampagne, der die meisten Feministinnen in meinem Bekanntekreis extrem ablehnend gegenüberstehen, weil für sie staatliche Zensur keine Antwort sein kann, speziell mit Blick auf die Verhältnisse in Kanada.

susu


gesamter Thread:

 

powered by my little forum