Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Männerthemen = rechts?

susu, Thursday, 03.04.2003, 01:49 (vor 7697 Tagen) @ Maesi

Als Antwort auf: Re: Männerthemen = rechts? von Maesi am 01. April 2003 19:53:53:

Hallo Measi

Das mit der Wehrpflicht ist richtig; allerdings normalerweise aus pazifistischen Erwaegungen und nicht aus Gruenden der Geschlechtergleichstellung (selbst wenn dieses Argument zuweilen ebenfalls auftaucht). Formal gesehen waere die Geschlechtergleichstellung ja auch erreicht, wenn beide Geschlechter zur Wehrpflicht herangezogen wuerden. Ich habe aber noch nie gehoert, dass irgendwer von linker Seite eine die beiden Geschlechter umfwassende allgemeine Wehrpflicht (oder auch nur allgemeine Dienstpflicht) gefordert haette. Daraus schliesse ich, dass den meisten Linken der Pazifismus eindeutig wichtiger ist, als die Geschlechtergleichstellung.

Das ist IMO ein alberner Satz. Genausogut könnte ich an der Petition zur Krebsvorsorge bemängeln, daß sie nicht den Vorschlag enthält, das Alter ab dem Frauen die Vorsorgeuntersuchungen bezahlt bekommen zu erhöhen und das Bruno die Gesundheit der Bevölkerung anscheinend wichtiger sei als die Gleichberechtigung. Überhaupt funktioniert diese Argumentation immer, wenn wir eine Verbesserung der Situation der Benachteiligten fordern, anstelle einer Verschlechterung der Situation der Bevorzugten. Wie wär´s zum Beispiel, wenn bei Scheidungen betroffene Kinder zwangsweise zur Adoption freigegeben würden? Das wär für KM und KV gleich schlecht...

[snip]

Ich glaube ich habe in dem Thread, den du hier hervorkramst genau zu diesen Punkten schon Stellung genommen.

In der Schweiz sind es durchwegs linke und gruene Politikerinnen, die immer wieder eine parteiuebergreifende Frauensolidaritaet einfordern und beschwoeren. Da ich als Mann von dieser Solidaritaet ausgeschlossen bin, waehle ich solche Politikerinnen grundsaetzlich nicht; sie vertreten offensichtlich nicht meine Interessen.

Sagen wir´s mal so: Andere Länder, andere Feminismen. Soweit ich weiß gibt´s in der Schweiz eine breite wörtlich genommene Iragaray-Rezeption sogar unter den feministischen Akademikerinnen und dann die light Version für die Masse.

Nicht dass die buergerlichen Parteien sich in Bezug auf Maennerrechte besonders hervorgetan haetten; besonders befriedigend sind sie auch fuer mich nicht. Die z.T. penetrante Maennerfeindlichkeit und die kollektiven Schuldzuweisungen aller moeglicher Missstaende an das maennliche Geschlecht feiert aber weit eher im linken Lager Triumphe auch wenn buergerliche Parteien bisweilen ebenfalls auf den maennerfeindlichen Zug aufspringen.

Die bürgerlichen Parteien vertreten ein, nun ja, bürgerliches Bild. Und das ist gender-politisch sehr sehr fragwürdig.

>Feministische Positionen schließen maslulinistische Positionen nicht aus, ja bedingen sie teils sogar.<<

Theoretisch ist das richtig. In der Realitaet der diversen Gleichstellungsaemter (fast ausschliesslich von Frauen besetzt) existiert der Mann als Benachteiligter oder die Maennerbewegung als Anspruchsgruppe jedoch kaum. Was natuerlich nicht heisst, dass es keine gemeinsamen Positionen gibt. Aber da die Maennerbewegung (zumindest hierzulande) noch wenig organisiert ist, wird sie bislang auch kaum ernst genommen oder gar politisch mitberuecksichtigt.[/i]

Stimmt. Und gerade deswegen ist es wichtig die gemeinsammen Positionen herauszuarbeiten, um Aktionsbündnisse zu schmieden.

Es gibt keine Familienpolitik, die allen Anspruchsgruppen (Geschlechtergruppen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, div. religioese Gruppierungen, etc.) und Sachzwaengen (Arbeitsmarktpolitik, Volkswirtschaftspolitik, Steuerpolitik, etc.) gerecht wird; egal von welcher Partei sie stammt.

Das stimmt zwar, aber eine Familienpolitik, die sich als Frauenpolitik betrachtet ist keine Familienpolitik. Und diese Schiene wird von konservativer Seite gefahren.

Natuerlich gibt es verschiedene Stroemungen im Feminismus und im Sozialismus (wie in jeder anderen Ideologie auch). Fuer mich sind jedoch in erster Linie die politisch relevanten Stroemungen interessant; der Rest interessiert hoechstens die Theoretiker.

Das ist ein Ansatz der dazu führt, daß du dich mit dem Thema nicht näher auseinandersetzen mußt. IMO führt die alleinige Betrachtung populärer Strömungen dazu, daß es keine Zusammenarbeit zwischen Gruppen geben wird, die ähnliche Interessen vertreten, weil auf beiden Seiten die populärsten Ansichten die simpelsten sind, die auf einfachen Feindbildern beruhen.

Und wenn ich die politische Tagesarbeit betrachte, dann sehe ich von feministischer Seite v.a. Vorschlaege zu mehr Schutz von Frauen (sei es als Muetter, sei es als potentielle Gewaltopfer) sowie zur Sicherung von neuen Privilegien (z.B. speziell auf Frauen ausgerichtete Ausbildung, Foerderungsmassnahmen, etc.) bzw. Erhaltung von alten Privilegien (z.B. Unterhalts- und Sorgerecht, keine Dienstpflicht fuer Frauen, usw.). Um gesteckte Ziele zu erreichen, wenden Feminismus wie Sozialismus sehr haeufig aehnliche Mittel an; darunter fallen v.a.: gezielte Dramatisierung der Lage zur Sicherheit von Frauen mit paralleler Daemonisierung von Maennern bzw. Pflege der weiblichen Opferrolle, Missinterpretierung von Statistiken, Leugnung und Ignorierung von Untersuchungen, welche der feministischen 'Wissenschaft' widersprechen, Desinformation der Oeffentlichkeit durch feministische Expertinnen und linksgerichteten politischen Exponentinnen, gezielte Emotionalisierung von Debatten, um sachliche Kritik zu unterbinden, Ausgrenzung und Daemonisierung von Andersdenkenden (auch innerhalb der feministischen/sozialdemokratischen Reihen), um sachliche Kritik am Feminismus abwuergen zu koennen, Pflege von undifferenzierten Feindbildern in Schulungen, Informationsbroschueren und Referaten, konsequentes Ignorieren von maennlichen Opfern, Intoleranz sowie Feindseligkeit gegenueber nichtfeministischen Lebensweisen, Installierung von maennerdiskriminierenden Praktiken, u.v.m. Der propagandistische und pekuniaere Aufwand, der in die Aufrechterhaltung von Freund-/Feindbildern sowie liebgewonnenen, feministischen 'Wahrheiten' gesteckt wird, ist betraechtlich. Ziel scheint oftmals zu sein, das Deutungsmonopol fuer alle Aspekte der Gleichberechtigungsdebatte zu behaupten (z.B. durch die auschliessliche Besetzung von Gleichstellungsaemtern durch feministische oder zumindest feminismusfreundliche Funktionaerinnen) sowie die von der oeffentlichen Hand zur Verfuegung gestellten Mittel fuer Frauenprojekte (oder besser feministische Projekte) zu vereinnahmen.

Wow, was eine Kampfschrift. Wie ist das mit gezielter Emotionalisierung und der Aufrechterhaltung von Freund-/Feinbildern? Und wiso werden plötzlich die Andersdenkenden innerhalb der feministischen Reihen relevant? Eben noch waren sie es nicht, jetzt werden sie genannt. Und wiso beschleicht mich das Gefühl, daß es gar nicht mehr um Männerthemen geht, sondern um Frauenthemen, bzw. Ignoranz denselben gegenüber?

Auch daran zweifle ich nicht. Diese Theorien sind jedoch bei der politischen Formulierung und v.a. Durchsetzung linker Anliegen derzeit weitgehend bedeutungslos.

Sehe ich nicht so, sämtliche "grass roots" Aktivismen gehen davon aus und die werden in Zukunft noch relevanter werden. Daß diese Ansätze in den Parteien weniger zum Zuge kommen ist klar, bedeuten sie doch ein weniger an Staat in bestimmten Bereichen und damit eine Reduzierung auch von Parteienmacht.

Dazu kommt, dass viele Theorien nur in akademischen Elfenbeintuermen diskutiert werden; in der Praxis haben diese Theorien jedoch keinerlei Chance zu bestehen. Kennst Du beispielsweise irgendwo eine groessere anarchistische Gemeinschaft, die funktioniert (v.a. auch in wirtschaftlichen Belangen)?

Ich kenne diverse kleine, der Ansatz ist für größere Gemeinschaften unbrauchbar (und das wird auch von der Mehrheit der Vertreter dieser Positionen so gesehen).

Die von mir aufgezaehlten Errungenschaften waren alle einmal konkrete und sehr wichtige Forderungen der linken bzw. feministischen Bewegungen. Auch die Theoretiker der diversen Ideologien sind bei deren Verwirklichung letzten Endes auf die breite Masse der Waehlerschaft angewiesen, und diese ist mit akademisch-theoretischen Betrachtungen in der Regel nicht zu begeistern. Die sozialistischen/sozialdemokratischen bzw. feministischen Bewegungen waren nur deshalb politisch so erfolgreich, weil sie ganz konkrete Missstaende thematisierten (Arbeitslosigkeit, tiefe Loehne, unbefriedigende Wohnsituationen, mangelhafte soziale Absicherungen, ueberlange Arbeitszeiten, Kinderarbeit, Abtreibung, gleiche Ausbildung fuer Angehoerige beider Geschlechter, usw.); die Theorien, die in der sozialistischen Intelligenz gewaelzt wurden, waren wohl fuer weit ueber 90% der von den Missstaenden betroffenen Personen Boehmische Doerfer. Diese Basis, auf die Du Dich beziehst, ist in Wirklichkeit die Intelligenz und besteht in der Regel aus Akademikern; es handelt sich also um eine Elite. Akademische Dispute moegen zwar mehr oder weniger interessant sein, viel interessanter sind fuer die Durchschnittspersonen der linken (aber auch von anderen politischen) Zielgruppen jedoch einigermassen konkrete politische Forderungen. Diese konkreten politischen Forderungen werden wiederum von genauso konkreten (von Dir offenbar als geringgeschaetzten) 'institutionalisierten Organen' (Parteien, Interessengruppen) kanalisiert, formuliert und in zaehen Verhandlungen untereinander realisiert (z.B. durch Parlamentsentscheide oder Regierungsbeschluesse). Das ist einfach die Realitaet. Die diversen Theorien, egal weltanschaulicher Richtung, beeinflussen zwar indirekt die Vertreter der diversen Institutionen, da es aber selbst innerhalb einer bestimmten weltanschaulichen Richtung normalerweise mehrere theoretische, sich teilweise widersprechende Denkschulen gibt, wirst Du auch da einen Mischmasch der diversen Denkansaetze finden. So findet dann (insbesondere in einer derart widerspruechlichen Ideologie, wie dem Feminismus) jeder irgendwas, was ihm ideologisch zusagt. Relevant ist jedoch lediglich das, was sich dann in den betr. Institutionen auch wirklich durchsetzt. Und genau das werfe ich den linken Parteien vor: bei ihnen hat sich der maennerfeindliche Feminismus durchgesetzt. Dabei ist es fuer den diskriminierten, kriminalisierten und daemonisierten Mann unerheblich, dass es sich nur um einen populistischen Abklatsch von ansonsten weitgehend unverstaendlichen feministischen Theorien handelt.

Das ist eine sehr eingeschränkte Sicht auf Macht (wo bleibt da die Selbstbestimmtheit?). Macht wird nicht nur von oben nach untern ausgeübt sondern existiert auch konkret in jeder Interaktion von Individuen (darauf beruhen z.B. die Thesen Foucaults). Die Linken Parteien sind nicht "die Linke", die Linke ist eben auch eine Vielzahl von Presseorganen, Medien, BIs und Vereinen.

Auch hier wieder: Theoriebildung! Das ist letztlich wieder nur fuer Philosophen interessant. Die Globalisierung passiert hier und jetzt. Und bis diese Theorien ausformuliert sind und daraus konkret Forderungen abgeleitet werden koennen, sind sie wahrscheinlich schon wieder veraltet. Der Theoretiker hinkt meistens der Realitaet hinterher, lediglich der geniale Theoretiker blickt in die Zukunft und kann eine Theorie entwickeln, die auch in der Zukunft noch Bestand hat. Genies sind unter den Theoretikern (wie ueberall) aber ziemlich duenn gesaet.

Eine Theorie, die nur den Ist-Zustand beschreibt, ist keine Theorie. Ein wesentliches Merkmal einer Theorie ist, daß sie Vorhersagen trifft. Die konkrete Politische Entwicklung ist dabei ebenfalls Theoriegebunden. Oder was wären die "Gesetze des Marktes" anderes als eine Theorie? Die Wirtschaftspolitischen Entscheidungen basieren auf den Theorien der Volkswirtschaftler und von denen gibt es eben auch einige, die in der Linken verortet werden können und an bestimmten Teilen der Vorherrschenden Theorie Kritik üben. Wenn Henkel sagt, Marktwirtschaft ziehe automatisch Demokratie und Menschenrechte nach sich, dann kann z.B. die Frage gestellt werden, wie das denn mit Chile zu Zeiten Pinochets war und warum AI jedes Jahr auf Menschenrechtsverletzungen in den USA hinweisen muß.

Wahrscheinlich schon, allerdings nur zu einem (sehr) kleinen Teil. Dazu kommt, dass in vielen Laendern Maennerbewegungen schlichtweg nicht existieren oder voellig unbedeutend sind. Somit hat der Feminismus (soweit er denn wirklich bereit ist, auf Anliegen von Maennerbewegungen einzugehen) gar keine Ansprechpartner in den Maennerbewegungen.

Ein Zustand der sich nicht dadurch verbessert, daß man sich hinsetzt und sagt, daß die relevanten Feminismen eh nichts begreifen werden. Ansprechpartner kann man nicht sein, wenn man sich genau in die gleichen Sackgassen manövriert, die man auf der anderen Seite kritisiert.

Du reduzierst hier den Begriff 'rechte Parteien' unzulaessigerweise auf die Konservativen; diese sind im uebrigen genauso wenig eine homogene Gruppe wie beispielsweise die Sozialisten oder Sozialdemokraten. Ausserdem gibt es natuerlich auch in linken Bewegungen konservative Kraefte; typisches Beispiel war z.B. unter der Tory-Regierung Thatchers die Labour-Party, die damals noch weitgehend einem Sozialismus aus dem 19. Jhd nachhing und sehr stark von Gewerkschaften beeinflusst (wenn nicht beherrscht) wurde. Deine Definition der 'rechten Parteien' ist somit fehlerhaft und bezieht sich am ehesten auf konservative Parteien (inkl. konservative Stroemungen in nichtkonservativen Parteien).

Links bedeutet einen Zusatnd anzustreben, der noch nicht herrschte. Rechts bedeutet entweder konservativ oder reaktionär zu sein. Ist die Blair-Regierung eine Links-Regierung?

Bedingte Zustimmung. IMHO die groesste Gefahr fuer die Maennerbewegung ist derzeit, dass sie weiterhin nicht wahrgenommen wird. Auf Hilfe der zurzeit dominanten Stroemungen im Feminismus braucht die Maennerbewegung gar nicht erst zu hoffen; zu tief ist dort das Feindbild 'Mann' verankert. Dass Maenner, denen die Anliegen der Maennerbewegung voellig egal sind, die Fuehrungsrolle uebernehmen, halte ich fuer unwahrscheinlich. Die wesentlich groessere Gefahr ist, dass Fanatiker die Fuehrungsrolle uebernehmen; diesen Fanatikern mangelndes Interesse an der Maennerbewegung zu unterstellen, ist aber falshc. Sie haben allenfalls an einer Maennerbewegung in Deinem Sinn kein Interesse; ein kleiner, wenn auch wichtiger Unterschied.

OK, nehmen wir die zwei Männerbewegungen aus meinem Grundsatztext, die Gefahr für die emanzipatorische Männerbewegung ist, von einer reaktionären Männerbewegung überrollt zu werden, die wohl nicht die Führung übernehmen wird, aber das Bild der Öffentlichkeit von der Männerbewegung prägen wird. Und damit wird die emanzipatorische Männerbewegung erst recht nicht mehr wahrgenommen. Was wir brauchen ist eine Zusammenarbeit zwischen den Feminismen, die derzeit nicht die dominanten sind (wäre Butler leichter zu lesen, sähe es vieleicht anders aus) und der emanzipatorischen Männerbewegung (und queer packen wir auch noch dazu). Vorbild GenderPAC und Rikki Wilchins.

susu


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