Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Rezension

Garfield, Friday, 21.03.2003, 19:35 (vor 7727 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Rezension von Alex am 21. März 2003 15:44:58:

Hallo Alex!

"Und nun meine Kernfrage: Welche negativen Auswirkungen hätte es gehabt, abzuwarten, bis eine Resolution des Sicherheitsrates vorliegt, in der militärische Mittel definitiv genannt werden?"

Einige. Saddam Hussein wußte natürlich, daß George Bush auf jeden Fall angreifen wird und hätte dann mehr Zeit gehabt, um sich darauf vorzubereiten. Und bald wird es dort in der Gegend bis zu 50 Grad heiß. Das hätte den Angriff erschwert, zumal weder Amis noch Briten solch eine Hitze gewohnt sind. Gleichzeitig wurde die Anti-Kriegs-Bewegung in den USA und auch im Ausland immer stärker, je länger der 11. September zurück lag. Wenn sich dieser Trend verstärkt hätte, dann hätte es George Bush in ein paar Monaten aus innen- und außenpolitischen Gründen vielleicht nicht mehr gewagt, den Angriffsbefehl zu geben. Obendrein hätte man, wenn man noch länger gewartet hätte, die Streitkräfte dort noch länger untätig warten lassen müssen. Sowas ist nicht billig. Es steckt schon ein enormes Maß an Logistik dahinter, so große Truppeneinheiten weit entfernt von der Heimat zu versorgen.

Dann kommen noch Gründe dazu, über die man nur spekulieren kann. Beispielsweise ist so ein Krieg für die Militärs ein mehrfacher Segen, insbesondere für diejenigen, die nicht selbst an die Front müssen. Man kann dort z.B. prima und billig neue Waffensysteme unter realen Bedingungen testen. Die US-Militärs testen gerade einige neue Waffen, wie z.B. Laser-Kanonen, die sich jetzt im Krieg prima erproben lassen.

Außerdem muß Munition regelmäßig erneuert werden. Die alte Munition muß dann teuer entsorgt werden. Die Millionen Dollar dafür kann man sich gut sparen, wenn es regelmäßig einen Krieg gibt. Wer weiß - vielleicht standen ja gerade große Mengen an Munition zur Ausmusterung an und hätten laut Vorschrift in den nächsten Wochen ausgesondert werden müssen...

Klar, aus diesen beiden letztgenannten Gründen fängt niemand einen Krieg an. Aber es mag durchaus zu der Entscheidung beigetragen haben.

Noch verrückter wird das Ganze, wenn man sich die Vorgeschichte mal genauer ansieht. Erstmal haben die USA Saddam Hussein sogar an die Macht gebracht. Und sie haben auch gut dazu beigetragen, den Irak aufzurüsten. Allein schon, weil sie ihn als Bollwerk gegen Iran betrachteten. Irak erhebt schon lange Ansprüche auf Kuwait, die sich daraus ableiten, daß sowohl Irak als auch Kuwait im Osmanischen Reich mal zu einer Provinz gehörten. Den ersten irakischen Angriff auf Kuwait haben damals die Briten abgeschlagen. Die hatten schon zu Zeiten des Osmanischen Reiches mit einem Scheich im heutigen Kuwait einen Geheim-Vertrag geschlossen, und seitdem sind Briten und Kuwaitis eng verbunden. Heute ist den Briten diese Verbindung nicht zuletzt auch deshalb so wichtig, weil reiche Kuwaitis sehr viel Geld in der britischen Wirtschaft investiert haben.

Die britische Weltmacht zerbröselte aber nach dem zweiten Weltkrieg mehr und mehr, und 1990 schien Saddam Hussein die Gelegenheit günstig zu sein, um Kuwait "heim ins Reich" zu holen. Er soll damals die fünftstärkste Armee der Welt gehabt haben, und die Briten hätten allein kaum noch etwas gegen ihn ausrichten können. Die Sowjetunion stand kurz vor dem Zerfall, schien also zu der Zeit auch kein wesentlicher Machtfaktor mehr zu sein.

Blieben noch die USA. Der irakische Außenminister fühlte also vorsichtig in der amerikanischen Botschaft nach, mit dem Ziel, herauszufinden, wie die USA darauf reagieren würden, wenn der Irak sich Kuwait einverleibt. Vielleicht hat man den Amis dafür sogar Zugeständnisse wie z.B. Öl-Konzessionen für amerikanische Firmen (was Hussein Bush ja jetzt wieder angeboten haben soll) in Aussicht gestellt.

Und was taten die Amis? Sie ließen die Iraker wissen, daß das gar kein Problem wäre! Später haben sie sich damit herausgeredet, daß das alles offenbar ein Mißverständnis gewesen wäre. Aber das glaube ich nicht. Ich denke wirklich, daß die Hussein ganz bewußt ins Messer laufen lassen wollten.

Es war doch so: In der arabischen Welt war Anti-Amerikanismus weit verbreitet. Es gab dort damals schon viele radikale Staaten, und wenn einer von diesen Staaten (z.B. der Irak oder auch Iran) es geschafft hätten, die übrigen arabischen Nationen (oder zumindest die Mehrheit davon) auf seine Seite zu bringen, dann hätte das für die USA üble Auswirkungen haben können. Allein schon weil dort nun mal ein großer Teil der Ölvorräte liegt.

Die USA waren also durchaus daran interessiert, in der Gegend Truppen zu stationieren, um so immer ein Druckmittel vor Ort zu haben und gegebenenfalls auch sofort militärisch losschlagen zu können, sobald amerikanische Interessen bedroht sind. Zu diesem Zweck haben sie ja auch schon mal gute Beziehungen zu Israel und zur Türkei hergestellt. Das allein reichte aber nicht. Man wollte auch Truppen direkt am Golf haben.

Wie kriegt man nun die arabischen Länder dazu, das zu akzeptieren? Einfach dadurch, indem ein arabisches Land ein anderes angreift. Dann nämlich würden die USA sogar zu Hilfe gerufen werden. Wen hätte man denn sonst rufen sollen? Die Sowjets waren mit sich selbst beschäftigt, und sonst hatte niemand die Möglichkeit, Truppen in ausreichender Stärke schnell heranzuschaffen.

Vermutlich hat der amerikanische Geheimdienst den Irakern sogar noch Informationen zugespielt, die ihnen zeigen sollten, wie günstig die Gelegenheit für einen Angriff auf Kuwait ist. Das ist jetzt nur eine Vermutung von mir, aber es würde mich sehr wundern, wenn man das einfach dem Zufall überlassen hätte.

Ja, und als die Iraker dann losmarschierten, waren die Amerikaner natürlich hellauf begeistert. Schnell gab es eine UNO-Resolution (die natürlich durchaus gerechtfertigt war), diverse arabische Staaten riefen die Amis und ihre Verbündeten zu Hilfe, bezahlt haben den Krieg andere und die USA haben dabei finanziell sogar noch Plus gemacht.

Ich hab damals schon nicht verstanden, wieso man die Gelegenheit verpaßt hat, Saddam Hussein zu stürzen. Vielleicht befürchtete man, daß er im Endkampf sein gesamtes Arsenal an chemischen und womöglich auch biologischen Waffen einsetzt. (Tatsächlich hat der Irak 1991 chemische Waffen eingesetzt, aber wohl nur in geringem Umfang.) Vielleicht fehlte auch eine geeignete Nachfolge-Kraft. Es hätte Aufstände gegen Saddam Hussein gegeben, und man hätte die Wünsche der Aufständischen nach dem Krieg berücksichtigen müssen. Die Kurden im Irak hätten dann einen eigenen Staat gefordet, was wiederum den Türken überhaupt nicht gefallen hätte... Vielleicht wollte man sich das alles einfach ersparen.

Aber auch ohne den Sturz Husseins war der Krieg für die USA eine ganz prima Sache. Und diesmal hat George Bush eben versucht, das Ganze wieder so durchzuziehen. Es geht wieder darum, daß man befürchtet, daß durch die zunehmende Polarisierung der Fronten seit dem 11. September auch z.B. in Saudi Arabien radikal-islamische Kräfte an die Macht kommen. Es geht auch darum, den Ambitionen Irans zur Vormachtstellung am Golf einen Riegel vorzuschieben. Deshalb erschien es den Amerikanern nun wohl nötig, Saddam Hussein als Machtfaktor endgültig auszuschalten, bevor er womöglich noch radikale Kräfte in anderen arabischen Staaten zur Macht verhilft und sich dann mit ihnen verbündet.

Schröder befindet sich nun wirklich in einem Dilemma. Er KONNTE dem Krieg gar nicht zustimmen. Denn dann wäre ganz fix wieder der Hinweis auf die geringe deutsche Beteiligung gekommen, verbunden mit der Aufforderung, doch dafür bitteschön ein paar Milliarden Euro rüberzuschieben... Und wo sollten die herkommen? So gesehen kann es der Bundesregierung nun sogar recht sein, daß die Amis den Krieg einfach ohne UN-Resolution begonnen haben.

Noch lächerlicher ist ja der Eiertanz unserer Spitzen-Quotenfrau Angela Merkel. Erst reist sie in die USA, versucht dort, sich bei Bush anzubiedern und erklärt öffentlich, daß ja nicht alle Deutschen so strikt gegen den Krieg wären und viele liebend gern an der Seite amerikanischer GI's für billiges Öl krepieren oder zumindest den Krieg mitfinanzieren würden. Nun, nachdem der Angriff gestartet wurde, weint sie auf einmal Krokodilstränen und kann es gar nicht fassen...

"Sorry, wer findet es amüsant, wenn Menschen sich prügeln?"

Der deutsche (und nicht nur der deutsche) Durchschnittsbürger. Und die Medien wissen das natürlich genau.

"Weil in der Realität ist mir in einer ähnlichen Situation deutliches Mitgefühl für den Mann aufgefallen..."

Ja, in letzter Zeit habe ich auch manchmal das Gefühl, daß die Medien zunehmend realistischer berichten. Wer weiß - vielleicht hat ja auch der eine oder andere Medienmacher inzwischen Arnes Buch gelesen... :-)

Aber es gibt immer noch viel Unsinn in den Medien.

Freundliche Grüße
von Garfield


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