Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Grundsätzliches zu Quoten

susu, Sunday, 01.10.2006, 05:43 (vor 7007 Tagen) @ hquer

Einigermassen zutreffend. Zutreffend ist vor allem, daß die Quote ein
Bruch mit dem grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist. Für mich
wäre eine Abschaffung der Quote vor allem eines: ein Stück weniger
Irrsinn. Ob die Quote Wirkung zeigt oder nicht, ist dabei nebensächlich.
Es könnte z.B. auch der Fall eintreten, dass Frauen konkrete Vorteile
haben UND Männer benachteiligt werden. Wollen wir dann ein Auge zudrücken?

Die Frage ist nicht, ob wir dann der Quote zustimmen würden, sondern ob sie dann von Feministinnen als adequat angesehen würde. Ich habe diesen Thread nicht als einen zur Fragestellung "Quote ja/nein" aufgefasst sondern eher als "Können wir Feministinnen davon überzeugen, daß unsere Forderungen auch für sie tragbar sind". These Einsiedler: Nein. These susu: Ja.

Ich meine, auf das Niveau der Feministinnen sollten wir uns nicht
herablassen, sonst kommen wir noch in gewaltiges Rudern. Du würdest an
einen runden Tisch gehen und den Femis entgegenhalten "die Quote bringt
euch nichts, benachteiligt aber die Männer", warum nicht "die Quote ist
verfassungswidrig"? Ich meine, du zäumst das Pferd von hinten auf, oder so
ähnlich. Die Denkstruktur der Femis ist ist falsch, von Beginn an. Wieso
sich daran festhalten?

Zum einen gibt es das Problem das zur Einführung der Frauenförderung und später auch der Quote die Verfassung geändert wurde. "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." wurde speziell für diese Vorhaben eingefügt. Das Bundesverfassungsgericht und der EuGH (EuGH 1997-11-11 Rs. C-409/95 (Hellmut Marschall / Land Nordrhein-Westfalen) Rechtsbereich/Normen: EU-Recht (Richtlinie 76/207/EWG Art. 2 I, IV)) hat mehrfach einschlägig pro Quote entschieden. Zentral ist also die Feststellung, das die Quote eben nicht auf die "Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt" und deshalb auch nicht durch diesen Satz legitimiert werden kann.

Feministinnen behaupten gern, dass den Frauen nicht Hindernisse in den Weg
gelegt werden dürfen, die kein Mann überwinden muss, ansonsten sei die
Gleichberechtigung nicht erreicht (umgekehrt ist es konsequenterweise
genauso). Nun sind beispielsweise in den Vorstandsetagen wesentlich
weniger Frauen als Männer anzutreffen; da stellt sich die Frage, weshalb
das so ist. Nach feministischer Doktrin ist nur eine Antwort zulässig:
Frauen werden diskriminiert. Diese Hypothese kann zwar nicht
zufriedenstellend belegt werden, trotzdem wird sie immer wieder als wahr
hingestellt; sie hat in feministischen Kreisen inzwischen den Charakter
eines Axioms erhalten. Natürlich gibt es auch ein massives Übergewicht an
Maennern bei der Müllabfuhr, Feuerwehr, im Hoch- und Tiefbau, usw.
Umgekehrt gibt es ein Übergewicht an Frauen bei den Primarschullehrern,
Hebammen, Floristen, Kassierern und vielen anderen Berufen. In diesen
Fällen kommt kaum jemand auf die Idee, dass Frauen bzw. Männer
diskriminiert würden. Aufgrund dieser willkürlichen Begründungen von
festgestellten Ungleichverteilungen werden bekanntlich Fördermassnahmen
(natürlich nur für Frauen) bzw. Quoten (natürlich nur im Sinne der Frauen)
gefordert und auch gewährt. Wenn für jeden alle Bereiche offen stehen (bei
gleicher Qualifikation), dann heisst das aber noch lange nicht, daß in
allen Bereichen auch eine geschlechtliche Gleichverteilung entstehen muss.

Es gibt recht gute Belege für Diskriminierung in Führungsetagen, die insbesondere daher rühren, daß Frauen eher aus dem Beruf aussteigen. Ich kann mich noch daran erinnern, das auf dem Vorgänger dieses Forums jemand anfragte, wie er das Recht von Männern auf Elternzeit juristisch aushebeln könne, bislang habe er wegen der Möglichkeit des Mutterurlaubs bevorzugt Männer eingestellt, jetzt dürften die ja auch pausieren... Die Diskriminierung von Frauen im Beruf läßt sich zu großen Teilen auf rechtliche Benachteiligungen von Männern zurückführen. Wenn Frauen gegenüber Arbeitgebern über mehr Rechte verfügen, wird der aus wirtschaftlichen Gründen Männer bevorzugen. Daher wäre ein Abbau von Regelungen die Männer benachteiligen die beste Möglichkeit gegen Diskriminierung von Frauen im Beruf vorzugehen.

Das Ergebnis wird nie eine Gleichverteilung sein, nicht weil ich a priori konstatieren würde, das aus welchen Gründen auch immer Männer und Frauen ständig disperate Wünsche haben müsten, sondern deshalb, weil die Zahl der Personen, die einen bestimmten Beruf ausüben klein gegenüber der Zahl der Personen insgesamt ist. Genausogut könnte man fordern Nachnamen sollten gleichverteilt sein, was aber selten der Fall ist. Es wird einige Berufe geben, bei denen es zeitweise Gleichverteilungen gibt, andere werden zeitweise Extreme ausbilden.

Hier kommt ein gewaltiger Denkfehler zutage. Offensichtlich gibt es
bestimmte geschlechterbedingte Neigungen (ob anerzogen oder genetisch
bedingt ist unerheblich), die sich u.a. auch in der Berufs- und
Karrierewahl niederschlagen. Lediglich Dogmatiker können diese
unterschiedlichen Neigungen ignorieren und eine
Geschlechterdiskriminierung als einzig möglichen Grund postulieren.

Das stimmt, wobei hier die Frage ist, ob das u.U. tatsächlich dem "Nachnamen-Phänomen" geschuldet sein könnte.

Fördermassnahmen gehen sogar noch einen Schritt weiter, sie bevorteilen
die Geförderten, was aber gleichzeitig einen Nachteil fuer den
Nicht-Geförderten bedeutet. Wenn eine Frau beispielsweise in den Genuss
eines verbilligten Informatikkurses kommt, den ich als Mann (aufgrund des
falschen Geschlechts) nicht besuchen darf, dann nenne ich das schlichtweg
Männerdiskriminierung.
Genauso unsinnig aus Sicht der Gleichberechtigung sind Geschlechterquoten;
sie zementieren die Bedeutsamkeit der Geschlechtszugehörigkeit als
erhebliches Qualifikationsmerkmal und erreichen dadurch genau das
Gegenteil von dem, was sie eigentlich bewirken sollen. Gleichberechtigung
bewirken sie nämlich genau nicht.

Richtig. Insbesondere bei den Fördermaßnahmen werden zudem noch die Klisches zementiert, die sie vorgeblich abbauen. Was nützt dem Kinderkrankenpfleger der Wickelkurs für Männer? Was der Webdesignerin der "Die ersten Schritte im Netz"-Kurs für Frauen? Im Prinzip handelt es sich um eine Diskriminierung von Männern und Frauen die in "geschlechtsuntypischen" Bereichen Fähigkeiten haben und die nicht die Möglichkeit bekommen sich auch "geschlechtstypische" Fähigkeiten anzueignen. Das ist zwar das genaue Gegenteil dessen was die EU unter GM versteht (die EU-Richtlinie sieht GM als Mittel um Menschen den Zugang zu Dienstleistungen zu verschaffen, die sie benötigen und zwar unabhängig vom Geschlecht. Wie wenig das verstanden worden ist zeigte mal ein Interview mit Renate Schmidt, die sagte Männer und Frauen hätte unterschiedliche Bedürfnisse, deshalb müsten ihnen unterschiedliche Angebote gemacht werden...).


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